35. Angebote

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Es klopfte

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Es klopfte. Sumse schob ihre Beine schnell unter den Schreibtisch, um den kleinen Käfer der dort gemütlich schlief vor neugierigen Blicken zu verstecken. »Herein!«

Die Tür öffnete sich einen Spalt und Michins Kopf schob sich ins Arbeitszimmer. Seine Bärenohren zuckten und es gelang ihm nur mit Mühe, seine Aufregung zu unterdrücken. »Habt ihr von dem Gefängnisausbruch gehört?«

Sumse richtete sich auf, so dass Bucki protestierend fiepte. »Ein Ausbruch?«

»Ja. Man weiß nicht viel. Irgendjemand hat den Moment genutzt, als sich alles um den Brandstifter gedreht hat und einen Rebellensympatisanten herausgeholt.«

Rebellen, also. Wenn sie dank Nurises Botenfalter nicht genau wüsste, dass sich Dain zur Zeit in Dragonis aufhielt, hätte sie ihm eine derartige Vorgehen absolut zugetraut. Sumse faltete ihre Finger zusammen, stemmte die Ellenbogen auf die polierte Tischplatte und ließ die letzten Kerzen noch einmal vor ihren Augen auftauchen. Sie hatten den Brandstifter verhört. Praktischerweise wusste er nicht, wer ihn beauftragt hatte, das Meer der Tränen anzuzünden. Irgendeine Gestalt hatte ihm in einer dunklen Hintergasse Goldastern für das Feuer geboten. Doch statt eines Schatzes wartete am vereinbarten Treffpunkt nur die Wachen, die einen Tipp bekommen hatten.

Sumse kniff ihre Nasenwurzel und versuchte den Druck zu vermindern, der sich dort aufbaute. Diese ganzen Verknüpfungen bescherten ihr Kopfschmerzen. Michin räusperte sich, eine höfliche Art um ihre Aufmerksamkeit auf sich zuziehen. »Gibt es noch etwas?«

Ihre Tagwache nickte. »Eure Mutter hat einen Boten geschickt und fordert euer Erscheinen. Sie erwartet Euch im gelben Konferenzsaal.«

Das Pochen hinter ihrer Stirn wurde stärker. »Nun, dann sollte ich sie wohl nicht weiter warten lassen.«

Michins freundliche Bärenaugen zwinkerten beruhigend. Eine nett gemeinte Unterstützung, doch im Ergebnis konnte er sie zwar vor Beutelschneidern, Schlägern und Entführern beschützen, jedoch nicht vor ihrer Mutter.

Bucci zirpte, als sie ihn in sein Körbchen auf dem Fensterbrett setzte. Sie teilte die Zettel auf dem Tisch in zwei ordentliche Stapel. Seufzend schlüpfte sie in ihre Schnürrsandalen, die sie während der Arbeit ausgezogen hatte. Ihre Mutter duldete keine Nachlässigkeiten.

Michin folgte ihr durch die Gänge, immer zwei Schritte hinter ihr. Ihr war gar nicht aufgefallen, wie spät es schon war. Erst als sie die tanzenden Schatten sah, die von den Silberranken auf den schwarz-weißen Mamorboden gezeichnet wurden, erkannte sie, dass die Dämmerung eingesetzt hatte. Mit einem schlechten Gewissen drehte sie sich zu Michin um. »Wann erwartest du deine Ablösung?«

Der zuckte nur mit den Schultern. »Konstantin wird jemanden schicken, wenn es soweit ist.«

Sumse schnalzte empört mit der Zunge. »Das ist doch Unsinn. Du solltest nach Hause gehen. Ich werde einfach beim Gardentrakt vorbei gehen und eine Wache bitten, mich nach Hause zu begleiten.«

Michin runzelte die Stirn. Für einen Moment wirkte er, als ob ihr Vorschlag ihn beleidigt hätte, doch dann zeigte er wieder sein breites Lächeln. »Das ist schon in Ordnung.« Seine braunen Bärenohren zuckten. »Es ist meine Aufgabe Euch zu beschützen. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn Euch etwas passiert, also bleibe ich lieber gleich hier.«

Sie liefen die eine schmale Wendeltreppe hinab, mit der die Arbeitsräume der Mitarbeiter mit dem Führungstrakt verbunden war. Sumse dämpfte ihre Stimme, damit sie nicht weiter hallte als nötig. »Aber was soll mir denn hier passieren? Wir sind im Floratium.«

Statt einer Antwort beschränkte sich Michin auf ein fröhliches Schulterzucken. Für ihn schien diese Angelegenheit erledigt zu sein.

Der gelbe Konferenzsaal grenzte an die Räumlichkeiten ihrer Mutter. Auch wenn er eigentlich allen Ressortleitern offen stand, wurde er nur für Besprechungen aus dem Bereich für Baumgesundheit genutzt. Niemand legte sich gerne mit ihrer Mutter an. Auch wenn sie ihren eigenen Arbeitstrakt schon opulent fand, hier unten wurde nicht mit Prestige gegeizt. Statuen standen an den Seiten, Kronleuchter hingen von der Decke und regelmäßig verzierten gewobene Seidenteppiche die Wände. Doch nichts von alledem bereite einen auf die Pracht vor, die einem im Inneren der Räume erwartete.

Sumse schluckte, stich sich zwei widerspenstige rote Locken hinter die Ohren und klopfte an der Tür. Es dauerte ein paar Herzschläge, dann öffnete das Lieblingswiesel ihrer Mutter. Der kleine Schleimpilz sah sie nur emotionslos an, bevor er einen Schritt zurücktrat, um sie einzulassen. Der Saal war riesig, hätte ohne Probleme einem ganzes Orchester Platz bieten können. Mehrere Tische standen aneinander und bildeten einen Kreis. Die Stühle waren allesamt mit Schnitzereien verziert und mit einem hellgelben Stoff gepolstert. In der Mitte des Raumes glitzerte ein Mosaik, das die Sonne nachbilden sollte und die Wände waren naturgetreu mit Bäumen bemalt. Ihre Mutter saß mit dem Rücken zum Fenster. Ein Wächter stand hinter ihr, verschmolz beinahe mit den Vorhängen und Sumse bemerkte ihn eher aus Gewohnheit, als aufgrund einer Nachlässigkeit.

Dienstbeflissen trippelte der Gehilfe ihrer Mutter über den Parkettboden an ihre Seite. Sumse nickte zur Begrüßung. Eine Bewegung zu ihrer Rechten lenkte ihre Aufmerksamkeit und sie bemerkte Markin Sollea. Sofort kreuzte sie beide Unterarme vor der Brust und verbeugte sich. »Welch unerwartete Überraschung«, murmelte sie und versuchte, ihren Tonfall nicht allzu vorwurfsvoll erklingen zu lassen. Es schmerzte, dass Mutter es nicht für nötig befunden hatte, königlichen Besuch anzukündigen.

Markins Mundwinkel hoben sich, so dass er wie der freundliche Waschbär von Nebenan wirkte. Von allen Solleas hatte er sich am meisten Bodenständigkeit bewahrt. »Ich hoffe, keine unangenehme.«

Indire Seidensang schnalzte mit ihrer Zunge. Sumse hatte bei ihr noch nie besonders viel Humor oder Wärme entdeckt, so dass es kein Wunder war, dass sie das lockere Miteinander im Keim erstickte.

Obwohl Markin sofort den Rücken durchstreckte, um Haltung anzunehmen, fand er doch noch Zeit, um ihr unauffällig zu zuzwinkern.

Schließlich war es der selbstzufriedene Ausdruck im Gesicht ihrer Mutter, der Sumse offenbarte, dass hier etwas Wichtiges von statten ging. Etwas, das mit ziemlicher Sicherheit auch sie betraf. Ihr Mund wurde trocken.

»Mein liebes Kind. Es freut mich, dir mitzuteilen, dass wir ein Angebot aus dem Hause Sollea bekommen haben.« Bei dem säuselnden Tonfall richteten sich die Härchen auf ihren Unterarmen auf.

»Angebot?«, hakte sie nach. Vielleicht ging es ja um Bäume. Das Königshaus verfügte über eine bemerkenswerte Baumschule.

»Verzeiht meiner Tochter«, murmelte Indire Seidensang, während sie sich eine kupferrote Haarsträhne hinter die Ohren strich. »Sie scheint von den Ereignissen überwältigt zu sein.«

Sumse schaute von ihrer Mutter, zu deren Leibwache, zu Markin und schließlich zu dem Wiesel, das still neben seiner Herrin stand und sie mit zusammengekniffenen Augen durchbohrte. Selbst der Diener schien mehr zu wissen als sie.

In dem Raum war es ruhig, dennoch dröhnte es in Sumses Ohren. Sie atmete tief durch. Es schien sich nicht um Bäume zu handeln.

»Es ehrt uns sehr, dass das Königshaus selbst eine Verbindung mit unserem Haus in Betracht zieht.«

Sumse biss sich auf die Innenseite ihrer Wange. Es schien, als ob sie auf dem besten Wege wäre, eine Prinzessin zu werden.

Nymphentanz und Feenzauber #ElysiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt