Der Raum, den seine Schwester nutzte, lag still und verlassen vor ihm. In diesem Teil des Gardentraktes war niemand mehr. Das rege Treiben unter Arin glich einen Wasserstrom, der durch die Erde floß.
Um zu lauschen trat er auf die Tür zu und schob sein Ohr gegen das Holz. Sicher war sicher. Keine Geräusche waren zu hören. Seine Schwester bewahrte einen Ersatzschlüssel in einem falschen Panel neben der Tür auf. Suchend glitten seine Finger über das Holz, bis sie die winzigen raue Stelle fanden, die den Hohlraum markierte. Er drückte. Ein Splitter klappte heraus. Mit den Fingernägeln fuhr er unter ihn, zog und hielt gleich darauf den Schlüssel in der Hand.
Das Schloss öffnete sich ohne Schwierigkeiten. Nuf neigte dazu, während ihrer Abwesenheit ein Haar im Schließmechanismus zu hinterlassen. So sehr er auch suchte, er fand es nicht. Es musste in einem Rille gelandet sein.
Durch das kleine Fenster schien das Licht der Silberranken hinein. Die Nacht senkte sich über Aera. Es wäre ein Fehler, wenn er zu viel Zeit verschwenden würde. Admiral brauchte ihn.
Alles im Raum spiegelte den nüchternen und pragmatischen Charakter seiner Schwester wieder. Der Schreibtisch war penibel ordentlich. Zwei Federn und ein Tintenglas lagen auf einem kleinen Tablett, das er ihr zum vorletzten Geburtstag geschenkt hatte. Ein Stapel Papier wartete darauf, dass ein Bericht oder eine Anweisung darauf notiert werden würde. In einem Umschlag bewahrte seine Schwester Briefpapier auf, das über ihr spezielles Siegel verfügte. Arin steuerte zielsicher die Körbe an, die sich im Regal hinter dem Stuhl befanden. Ganz rechts, neben dem schmalen Fenster fand er die Listen. Auf einer fand er die Wachpläne, auf einem anderen die Regeln zur Unterbringung. Offenbar folgte die Verteilung der Höhlen einem Schema. Er zog einen der leeren Zettel vom Stapel und schrieb die Informationen ab.
Beim Verlassen des Raums zögerte er. Was würde Nuf tun, wenn sie das Haar nicht fand. Würde sie wissen, dass jemand hier gewesen war. Dass er hier eingedrungen war. Bevor er es sich anders überlegen konnte, zupfte er sich ein eigenes Haar aus. Vielleicht konnte es sie täuschen. Vorsichtig klemmte er es zwischen Tür und Spalt, dann eilte er den leeren Gang entlang.
Beim ersten Fenster, das auf eine der Seitenstraßen zeigte, blieb er stehen. Er schob den Riegel zur Seite, kletterte auf die Brüstung und schaute nach unten. Niemand war zu sehen. Arin wusste, dass er sich beeilen musste. Dennoch sprang er nicht alle Tage aus einem Fenster. Ob seine Flügel ihn tragen würden? Er musste es riskieren.
Erst im Sprung konnte er die Flügel ausbreiten. Sie bremsten seinen Fall, dennoch trudelte er hinab. Zwei Flügelschläge brachten ihn wieder nach oben, doch dann prallte er gegen die gegenüberliegende Hauswand und rutschte hinab. Seine Handflächen brannten, doch er hatte es geschafft.
Mauerfuchs begrüßte ihn mit einem Lächeln. Sie stieß einen leisen Pfiff aus, der die anderen aus der Höhle rief.
»Wo ist Koralin?«, fragte Trauermantel. Suchend blickte sie über ihre Schulter, als ob sich der riesige Stiersatyr tatsächlich vor ihr verstecken würde.
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Nymphentanz und Feenzauber #Elysia
FantasyGanz Aera feiert. Durch die Vermählung von Sumse Weidensang und Arin Rabenfeder sollen endlich zwei der verfeindeten Häuser des Königshauses befriedet werden. Doch nicht alle Nymphen begrüßen diese Vereinigung. Besonders Arin beugt sich nur widerwil...