Ein Junge mit grünen, langen Haaren trat hinter dem Baum hervor. Er rieb sich seinen Kopf und kam auf mich zu. Ich sah beschämt zu Boden. „E-es tut mir leid! Ich dachte, du wärst ein Pokemon.", stammelte ich. Oh Erdboden, tu mir den Gefallen und öffne dich, damit ich in das Loch springen kann! „Ich habe zwar grüne Haare, aber ein Pokemon bin ich trotzdem nicht.", lachte er freundlich. Ich war froh, dass er nicht auf mich böse war. „Du hast da was verloren.", grinste er und drückte mir den Apfel in die Hand. Dieser hatte nun eine fette Delle. Ich musste schon zugeben, der Junge war ganz schön hartnäckig. Ich sah mit einem Entschuldigenden Blick im Gesicht zu ihm hoch. Mit hoch sehen, meinte ich hoch sehen. Er war gut einen Kopf größer als ich. „Ich heiße N.", stellte er sich höflich vor und reichte mir seine Hand. „N?", fragte ich. „Du heißt N?" „Schlicht und einfach N.", grinste er und hielt mir immer noch die Hand hin. „T-tut mir leid, ich weiß einfach nicht was heute mit mir los ist. Heute bin ich nur gemein, unhöflich und ungerecht. Ich heiße Emily." Ich nahm seine Hand und schüttelte sie. Er schenkte mir ein offenes Lächeln und setzte sich ins weiche Gras. Ich tat es ihm nach.
„Du hast Sorgen, oder?", fragte er plötzlich. Ich drehte meinen Kopf zu ihm und sah ihn verdutzt an. Woher wusste er das? Nun sah er auch mich an. „Sorgen würde ich es jetzt nicht direkt nennen." „Schieß los.", meinte er und sah mich auffordernd an. Also überwand ich mal meinen inneren Schweinehund und erzählte dem Fremdling die Ereignisse vom heutigen Tag. Er hörte mir tatsächlich von Anfang bis zum Ende hin komplett zu, ohne mir auch nur einmal ins Wort zu fallen. „Kein schöner Start heute, was?", antwortete er, nach meinem wundervollen Vortrag. „Nicht wirklich.", seufzte ich bestätigend und legte meinen Kopf in den Nacken. „Hast du das Pokemon schon gefunden?", fragte er. „Sehe ich-", wollte ich anfangen. „Nein.", räusperte ich mich und antwortete mit einem freundlicheren Ton. Auch N konnte für diesen bescheuerten Tag nichts dafür. „Reiß dich etwas zusammen, Emily!", ermahnte ich mich selbst, während N zufrieden lächelte.
„Ottaro! Ottaro!" Ein kleines, blaues Wasserpokemon stolperte auf uns zu. Aufregung und Nervosität strömten aus dem kleinen Pokemon und in seinen Augen lag Angst. „Schon gut. Was hast du?", fragte N besorgt und setzte das Pokemon auf seinen Schoß. Das Pokemon sprudelte ein Wort nach dem anderen heraus, schnitt Grimassen, um ein anderes Pokemon darzustellen, fuchtelte und ruderte wild mit seinem Armen umher. „Hey, alles in Ruhe! Ich verstehe dich ja kaum.", redete N auf das Pokemon ein. „Otta- Otta- Ottaro!", entwich Ottaro ein einziger, gerader Satz aus seinem Mund, der alles erklärte. N wollte mich über die Lage aufklären, doch ich kam ihm zuvor. „Ich weiß Bescheid, seinem Freund geht es schlecht!" Ich hob Ottaro auf meine Schulter und rannte zwei Schritte nach vorne. Als ich bemerkte, dass mir N nicht folgte, machte ich kehrt, schnappte mir den wie angewurzelten Typen bei seiner Hand und zog ihn hinter mir her.
Ich horchte auf die Anweisungen von Ottaro, während ich tief hängenden Ästen auswich und einem sehr schmalen Trampelpfad folgte. Schließlich befanden wir uns vor einem Höhleneingang. Ottaro hüpfte von meiner Schulter und lief genau dort hinein. Mir grauste zwar vor diesen düsteren Orten, aber das legte ich momentan in den Hintergrund. Die Höhle war zum Glück gerade so hoch, dass N und ich stehen konnten. Meine Augen gewöhnten sich schließlich auch an die Dunkelheit und es viel mir leichter durch die Grotte zu laufen. Ottaro blieb vor einem Grasnest stehen und alles was ich zuerst hörte, waren unregelmäßige Atemzüge. Ein kleines Pokemon, das mir, wenn es aufrecht stand gerade Mal zu meinen Knien reichte, lag zusammengekauert am Boden. Ich legte meine Hand auf seine Stirn und bemerkte, dass sie heiß war. „Pikachu hat Fieber!", teilte ich N mit. Dieser entdeckte eine blutende Wunde an seinem Arm und ich riss ohne zu zögern ein Stückchen Stoff aus meinem Shirt. Damit verband ich die Wunde. Ein weiteres Stück Stoff tunkten wir in die Lache, die sich in der Höhle gebildet hatte und legten sie auf Pikachus Stirn. „Lass uns Pikachu ins Pokemoncenter bringen.", schlug ich vor, wartete aber nicht auf eine Antwort, hob Pikachu hoch und trug ihn aus dem Versteck. N schnappte sich Ottaro und lief mir hastig hinterher.
Es dauerte nicht lange, da sah man schon die ersten Häuser und Siedlungen Gavinas. So schnell wie die Post, suchten wir das Pokemoncenter, dass wir auf Anhieb fanden, platzten in die Eingangshalle und riefen ununterbrochen nach Schwester Joy. Sofort kam die Krankenschwester mit ihren beiden Ohrdoch und einer Trage angeschossen. „Leg Pikachu auf die Trage!", befahl sie besorgt, bevor ich überhaupt erklären konnte, was passiert war. Ich tat was mir gesagt wurde und folgte Schwester Joy bis zur Notaufnahme, dann schlossen sich für uns die Türen und das Symbol oberhalb der Tür begann Rot zu leuchten. Ottaro und ich standen wie eingefroren vor der Notaufnahme und starrten regungslos auf die Metalltür. N legte seine Hand auf meine Schulter und ich wandte mich geknickt zu ihm. „Was ist, wenn Pikachus Verletzungen zu schwer sind?", fragte ich und starrte auf den Boden, unfähig N in sein Gesicht zu sehen. „Beruhige dich. Pikachu könnte nirgendwo besser aufgehoben sein, als bei Schwester Joy." Das sagte N jetzt so leicht. Meine Sorgen um das Elektropokemon waren viel größer, als dieser glaubte.
„Komm jetzt." N schob mich in das Wartezimmer und setzte mich dort sanft auf die Couch. Ottaro tapste mit verschränkten Armen vor dieser unruhig auf und ab und würdigte uns keines Blickes. Aber ich nahm es ihm nicht übel, sicherlich lag es nur daran, dass er Angst um seinen Kumpel hatte. Ich hockte mich zu ihm auf den Boden und sah ihn lächelnd an: „Keine Sorge. Pikachu boxt sich da durch. Er schafft das." Meine Ermutigung funktionierte und Ottaro ließ sich erschöpft auf den Boden fallen. Er sah ziemlich zerknirscht und traurig aus. Ich hielt dem Wasserpokemon meine Hand hin und nach kurzem zögern, schmiegte er sich mit seiner Wange gegen diese.
Draußen wurde es langsam Dunkel und es gab noch kein Lebenszeichen von Pikachu oder Schwester Joy.
„Hey, möchtest du meine Mutter kennenlernen?" Ich sah den Otter fragend an, der zaghaft nickte. „Starte Ablenkungsaktion.", dachte ich bei mir. Danach wandte ich mich N zu. „Du kannst natürlich auch mitkommen.", sagte ich zu ihm. Im Gang befand sich einer der grünen Telefone und wählte Moms Nummer. Es klingelte dreimal, dann hob endlich jemand ab. „Hallo?" „Hallo, Mom. Ich bin es." „Oh Liebling, schön das du anrufst. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Wie geht es dir? Wo steckst du?", rief sie aufgebracht in den Hörer. „Schalt einen Gang zurück Mama. Ich erkläre dir alles." Nachdem ich beendete, war es kurze Zeit still. „Mom?" „Ja, ich bin noch dran Schatz. Das heißt, du kommst gar nicht mehr nach Hause?" „Nein." Das hatte ich ihr eigentlich versucht zu erklären, aber so war sie halt, meine Mutter. „Okay, dann pass' bitte gut auf dich auf, ja? Und schöne Reise." Dann raschelte die Leitung und der Kontakt brach ab.
N, der sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hatte, meldete sich wieder zu Wort: „Deine Mutter scheint sehr nett zu sein." „Ja, sie ist die Beste. Manchmal Chaotisch und zerstreut, aber eine liebenswürdige Person.", lächelte ich. Ich machte für N platz und reichte ihm den Hörer. „Nein, ich muss niemanden anrufen.", meinte er, nahm mir trotzdem den Hörer ab und steckte ihn für mich in die Halterung zurück.
Gemeinsam schlenderten wir in das Restaurant des Pokemoncenters, bestellten uns Suppe und nahmen auf einen der Bänken Platz. Mir wurde übel, als ich die Suppe betrachtete, also rührte ich nur lustlos in ihr herum. Es lag nicht daran, dass sie schlecht aussah, geschweige denn schmeckte. Das Essen hier im Pokemoncenter war der absolute Hammer, aber meine Gedanken waren bei Pikachu. Die Sorgen um ihn schlugen mir auf den Magen und ich war mir ziemlich sicher, dass mit mein Abendessen noch einmal „Guten Tag" sagen würde, wenn ich welche gegessen hätte.
„Du verstehst also auch die Sprache der Pokemon?", fragte N plötzlich. Ich sah verwundert von meinen Teller hoch, in seine tiefblauen Augen, die Neugierde ausstrahlten. „Was meinst du denn damit?" „Na ja, du hast vorhin Ottaro verstanden. Auch ich besitze die Gabe, mich mit Pokemon zu verständigen." „Du meinst, ein Trainer kann seine eigenen Pokemon nicht verstehen?" „Seine eigenen schon, aber überlege doch mal. Du hast vorhin mit einem Wildem gesprochen." Ich ließ mich gegen die Lehne der Bank fallen und starrte N verwirrt und baff zugleich an. „Das heißt, ich kann mit Pokemon reden und verstehe jedes einzelne Wort von ihnen." Der Grünhaarige lächelte und nickte.
Der Typ, der den vierzehnten Buchstaben des Alphabetes als Namen trug, wollte mir Weise machen, dass ich so etwas wie eine Gabe besaß. Hatte die zu heiße Suppe seine lebensnotwendigen Gehirnzellen verbrannt? Konnte dass ein Grund sein? Einerseits könnte ich mir das nächste Telefon schnappen und eine Klinik für Geisteskranke anrufen und fragen, ob sie noch einen Platz frei hätten, aber andererseits glaubte ich ihn. N zeigte kein Zeichen, dass er log. Und er hatte recht. Schon immer hatte ich jedes Pokemon verstanden, so, als ob ich mit einem Menschen reden würde. Ich dachte, dass das normal sei. Danke N, du hast mein Weltbild zerstört! Ich wollte meinen Mund aufmachen und etwas Sagen, da kam Schwester Joy angeschossen.
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Pokemon- Freunde fürs Leben
FanfictionDie 15 Jährige Emily wartet schon sehnsüchtig auf den Tag, an dem ihre Reise beginnt. Nach einem chaotischen Morgen, hetzt sie in das Labor der Professorin. Doch der letzte Starter ist weg! Sie macht sich auf die Suche nach dem Pokemon und lernt den...