Tränen liefen mir über die Wangen, als ich versuchte die Treppe hinauf zu stolpern. Mein Kopf schmerzte und ich konnte kaum laufen.
Er war so aufgebracht. So unglaublich außer sich vor Wut, dass selbst Jessica etwas abbekommen hatte. Ich hatte geschworen, immer die Last seiner Trauer und Wut auf mich zu nehmen, damit kein anderer es spüren muss. Und selbst wenn ich Jessica nicht leiden konnte, hatte sie diese Ohrfeigen nicht verdient.
Ich versuchte so gut es eben ging in mein geräumiges Zimmer zu gelangen. Das Badezimmer konnte ich abschließen, um mir etwas Ruhe zu verschaffen. Nur ein klein wenig Ruhe ohne seine Luftdurchschneidende Stimme, ohne das klatschende Geräusch der Ohrfeigen die er uns beiden gegeben hatte und ohne das fürchterliche Knacken meines Handgelenkes zu hören.
"Komm schon Mae, du hast schon mehr verkraftet.", sprach ich mir selbst Mut zu, als ich zitternd den Schlüssel der Badezimmertür drehte.
Erst als er nicht mehr weiter zu drehen war, glitt ich mit dem Rücken an die Tür gelehnt herunter und schloss die Augen.Wie konnte das Passieren? Es war alles so schnell eskaliert, dass ich kaum begriff was überhaupt los war.
Kyle hatte mir zuvor per Nachricht mitgeteilt, dass sein Vater aufgebracht nach Hause gekommen war und wollte mich vorwarnen. Aber mein Vater war nicht nur aufgebracht. Er war so wütend gewesen, wie seit langem nicht mehr.
Es hatte scheinbar etwas mit der Firmenfusion zu tun. Und aus unerklärlichen Gründen waren Jessica und ich zum Grund seiner Wut geworden.
'Warum müssen die immer alles zerstören?! Alle von denen?!'
Schluchzend nahm ich meine Kraft zusammen und stellte mich vor den Spiegel über dem Waschbecken. Ich blutete über der Augenbraue, meine Wange war feuerrot und meine Lippe war auch aufgeplatzt.
Ich blickte mir selbst direkt in die glanzlosen Augen. Meine Mutter hatte immer gesagt, ich hätte die schönen dunklen Augen von ihr. Im Sonnenlicht, behauptete sie, sahen sie besonders glänzend und wunderschön aus.
Davon war in meinen matten und rot unterlaufenen Augen nichts mehr zu erkennen. Wie sehr ich meine Mutter doch vermisste.
Ich riss mich selbst aus der Träumerei und wusch mir das Blut und die angetrockneten Tränen aus dem Gesicht. Ein kleines Pflaster reichte um die Wunde an der Augenbraue zu überdecken.
Mein Handgelenk schmerzte bei jeder einzelnen Bewegung und auch mein Knie machte einen ziemlich schlechten Eindruck. Es war angeschwollen und es hatte sich sehr schnell ein riesiger Blauer Fleck gebildet.
Na super.Ausgelaugt und frustriert verteilte ich die Schmerzsalbe auf beiden Gelenken, als es leise an der Tür klopfte. Das konnte nicht Dad sein.
"Mae?", flüsterte Jessica und drückte die Klinke der abgeschlossenen Tür herunter. Wieso kam sie zu mir? Sie hatte immerhin nichts für mich übrig und war auch sonst der Teufel im Körper einer 30 Jährigen.
"Was willst du?", murrte ich und öffnete die Badezimmertür. Sie hatte von uns beiden die ersten Ohrfeigen kassiert, was sich an den roten Handabdrücken auf beiden Seiten ihres Gesichtes erkennen ließ. Dad schlug immer erst fest zu, bevor ihn die Kraft und vielleicht auch der Wille dazu verließ.
Sie schaute geschockt in mein Gesicht.
Oh, bitte! Als wenn sie nicht wusste, dass ich mehrfach im Monat blaue Flecken und ab und an Platzwunden davontrug!"Was willst du hier?", fragte ich daher erneut, diesmal mit einem energischeren Ton. Ich schaltete das Licht im Bad aus und zog die Tür hinter mir zu, um mich dagegen zu lehnen. Mit dem Knie konnte ich kaum gerade stehen.
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Mae
Teen FictionMae Brooks. Reich, hübsch, unfreundlich, arrogant. Sie scheint mit ihrem Vater ein perfektes Leben zu leben. Doch der Schein trügt. Ihr Vater trinkt, ist gewalttätig und auch ihre Stiefmutter behandelt sie wie eine Unterwürfige. Nach außen hin behäl...