"Und wann geht es bei euch los?", fragt Carmen und stellt eine weitere Tasse auf die Küchenplatte. Ich schalte den Teekocher an und öffne die oberste Schublade. "Normalerweise fahrt ihr doch Freitag immer los."
Ich antworte ihr zuerst nur mit einem Nicken, während ich meinen Blick über die Teesorten schweifen lasse und mich schließlich für einen Früchtetee entscheide. "Wir fahren Montagnacht erst los. Der Sohn unserer Freunde holt mich gegen 23:00 Uhr ab."
Unwillkürlich verdrehe ich bei dem Gedanken daran die Augen und öffne energischer als nötig die Verpackung um meinen Teebeutel. Ich hänge den Beutel in meine grüne Tasse und suche dann den Schwarztee für Bruni heraus.
"Ach fährst du nicht mit deinen Eltern?", fragt meine Kollegin und klingt dabei tatsächlich überrascht. Sie stellt eine weitere Tasse auf die graue Küchenplatte, während ich kopfschüttelnd den Schwarztee-Beutel in einer weiteren Tasse versenken. "Dieses Mal nicht. Meine Eltern haben sich im Sommer doch ein neues Auto gekauft und das ist kleiner als das letzte. Also wurde ich sozusagen ausquartiert."
Es klingt lässiger als ich mich dabei fühle, aber ich muss meine Probleme mit Nick wirklich nicht mit meinen Kolleginnen besprechen. Es genügt, dass ich diese mit meinen Freundinnen von Zeit zu Zeit breittreten muss.
Ich bin zwar immer noch nicht motiviert mit meinem Erzfeind auf engstem Raum eingesperrt zu sein, aber ich werde einfach so lange schlafen wie möglich und meine Kopfhörer auf der gesamten Fahrt definitiv nicht herausnehmen. So werden wir vielleicht halbwegs friedlich die mehrstündige Fahrt überleben. Jetzt darf ich natürlich nur nicht vergessen, die guten Stücke tatsächlich einzupacken.
"So kann man es natürlich auch machen.", lacht meine Kollegin nichts ahnend amüsiert. "Da können eure Eltern aber froh sein, dass ihr bereits alt genug seid. Bei meinen beiden Kleinen würde sie im Moment wirklich eher schwierig werden."
Die beiden Töchter von Carmen sind gerade einmal 7 und 4 Jahre alt, was einen Altersunterschied von mindestens 14 Jahren ausmacht.
Belustigt erwidere ich: "Dich wird das Glück in ein paar Jahren auch noch erreichen. Meine Eltern haben mich auch mehr als mein halbes Leben mitgenommen, bevor sie sich den Luxus nun erlauben können."
Die Küchentür schwingt auf und Bruni streckt den Kopf herein. "Was braucht ihr beiden denn solange? Das Frühstück ist so gut wie fertig und von meinem Tee habe ich noch nichts gesehen."
Der Teekocher blubbert munter in der kurzen Stille zwischen uns und ich salutiere artig in Brunhilde's Richtung. "Schwarztee kommt sofort."
"Keine Müdigkeit vortäuschen." Gespielt drohend wackelt meine Kollegin mit dem Zeigefinger, ehe sie die Tür wieder schließt und zurück in den Gruppenraum geht.
Ich verstaue einen weiteren Teebeutel mit Roibuschtee für Carmen in einer weißen Tasse, die einen Lindt-Weihnachtsmann aufgedruckt hat. Legenden besagen, dass dies eine der beiden Tassen ist die vor etwa 5 Jahren als Gratisgeschenk mit einer Lindt-Schokoladen-Lieferung hier eintrafen. Dieselben Legenden besagen ebenfalls, dass die Lieferung bis zum nächsten Weihnachtsfest hätte reichen müssen, doch zum Erschrecken aller war der Vorratsschrank bereits zu Ostern wieder gänzlich geleert.
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Polarlicht [ III - 2020 ]
Teen Fiction"Hat die Hexe ihr Geschäft verrichtet?" "Der Kaffee macht dich auch nicht hübscher, Shrek." "Besser Shrek als Pumuckl, du Feuermelder." "Halt einfach die Klappe und fahr!" ∞ Jenny und Nick. Nick und Jenny. Eine Hass-Liebe, die nicht einmal sie selbs...