Polarlicht [ III - 2020 ]

Montag, 21. Dezember 2020

Mit einem Handtuch fahre ich mir über die Haare, während aus dem Lautsprecher meines Notesbooks das vertraute Tuten eines Videoanrufs dringt. Ich stehe vornüber gebeugt vor meinem Bett, auf dem wiederum mein Kommunikationsgerät steht und versuche so schnell wie möglich, das Duschwasser aus meinen Haaren zu bekommen.

Da wir heute einen weiteren Skitag eingelegt haben, bin ich ziemlich knapp zur Verabredung mit meinen Freundinnen dran. Und so bin ich gerade eben erst frisch aus der Dusche gesprungen. Lasse, der wegen seiner gebrochenen Nase heute nicht mit auf die Piste konnte, hat uns vor gerade einmal einer halben Stunde schmollend im Eingangsbereich empfangen und seine Eltern mussten ihm versprechen, dass wir später noch auf den Weihnachtsmarkt in der Stadt gehen.

Ich persönlich bin ziemlich gespannt, was die Schweden hier unter einem coronakonformen Weihnachtsmarkt verstehen. Denn in Deutschland wurde nicht umsonst alles abgesagt.

Das Tuten verklingt und stattdessen höre ich nach einem kurzen Rauschen meine beste Freundin Charlie rufen. "Jenny! Was macht der Schnee in Schweden?"

Grinsend werfe ich mein Haar nach hinten und lasse mich auf mein Bett, direkt vor mein Notebook fallen. Meine beste Freundin liegt bäuchlings auf ihrem Bett, direkt neben ihrer Zwillingsschwester Hannah. Zwischen den beiden entdecke ich das jüngste Mitglied unserer Gruppe. Louisa, die gerade erst einjährige Tochter von Hannah.

"Es schneit immer wieder frisch. Also macht der Schnee mehr als bei euch." Frech strecke ich den Schwestern die Zunge heraus und winke dann Louisa, die mich interessiert durch den Bildschirm beobachtet. "Na, wie geht es meiner kleinen Maus?"

Neugierig beugt Louisa sich nach vorn, wobei ihr Kopf mit jedem Zentimeter größer wird.

"Ja genau, dich meine ich." Ein breites Lächeln schiebt sich auf mein Gesicht, während der kleine Zwerg immer mehr Platz auf meinem Bildschirm einnimmt und schließlich ihre Mutter sowie ihre Tante beinahe komplett verdrängt.

"Da!" Mit einem begeisterten Strahlen streckt sie die Hand aus und patscht schließlich auf den Bildschirm. Das Bild wackelt und Louisa stößt ein Quicken aus. "Da!"

Im Hintergrund höre ich ein mehrstimmiges Lachen und eine Sekunde später wird Louisa zurückgezogen und Charlie rollt sich auf den Rücken. Sie schnappt sich ihre Nichte, die ein süßes rotes Kleidchen trägt und hebt sie waagerecht in die Luft.

"Also Jenny, was gibt es bei dir Neues?", fragt Hannah und wendet sich von ihrer Tochter ab. Sie mustert mich durch den Bildschirm hinweg, während Charlie neben ihr weiterhin mit dem Zwerg spielt.

Nichtssagend zucke ich mit den Schultern. "Nichts besonderes. Was soll es schon geben?"

Ich kann meinen Freundinnen schlecht erzählen, dass mein Erzfeind und ich ein intimes Verhältnis miteinander pflegen. Die Zwillinge würden zweifelsohne durch die Notebooks springen und mich zuerst kräftig schütteln, ehe sie mich unter eine kalte Dusche stellen würden. Etwas, worauf ich wirklich gut verzichten kann.