Zitronenrisotto mit Rucola oder
Kokosrisotto mit heißen Blaubeerensteht heute auf der Tafel vor dem Delikatessenladen. Kurz überlege ich, ob ich mir doch lieber die Ruote-Pasta zu Hause machen soll, entscheide mich dann aber dagegen. Zweimal hintereinander Pasta ist doch etwas wenig Abwechslung und zudem kann ich mich nicht daran erinnern, jemals Risotto gegessen zu haben.
„Hey", freut sich die rothaarige Frau, als ich wieder in ihren kleinen Laden komme. „Wie waren die Conchiglie?"
„Großartig", erkläre ich ehrlich. „Ich hatte heute eigentlich vor, mir die Ruote-Pasta zu machen, aber dann fiel mir auf, dass ich noch nie Risotto probiert habe."
„Wie praktisch, dass es ausgerechnet heute Risotto gibt", freut sie sich. „Herzhaft oder süß?"„Ist nicht beides süß?", frage ich verwirrt. „Zitronen zählen doch zu Obst."
„Das stimmt", lacht sie. „Aber es ist nur ein wenig Zitrone daran, damit es frischer schmeckt. Der Rucola dominiert auf jeden Fall."
„Dann denke ich, nehme ich herzhaft", gebe ich zu. „Ich bin kein Freund von warmen, süßen Gerichten, muss ich sagen."
„Das sagen viele", lacht sie. „Aber wenn ich das nächste Mal Schupfnudeln mache, stimme ich dich bestimmt um."Bevor ich fragen kann, was genau Schupfnudeln sind, verschwindet sie bereits in der kleinen Küche, um mir etwas von dem Risotto zu verpacken. Wie gestern bekomme ich eine Papiertüte gereicht und zahle.
„Was gibt es morgen?", frage ich interessiert und die junge Frau lächelt entschuldigend.
„Donnerstags habe ich leider geschlossen", sagt sie. „Aber Freitag gibt es Flammkuchen."
„Ich überlege es mir", antworte ich freundlich und mache mich auf den Heimweg.Zu Hause öffne ich beim Essen mein Tablet und google Dinosaurier. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, welchen Dinosaurier ich bevorzuge, geschweige denn, Dinosaurier in eine Rangliste zu sortieren. Doch ich habe dem kleinen Jungen eine Antwort versprochen und ich war schon immer ein Mann meines Wortes.
Zunächst sollte ich mich wohl entscheiden, ob ich lieber Herbivoren, also Pflanzenfresser, oder Carnivoren, die Fleischfresser, bevorzuge. Prinzipiell sind mir die Herbivoren wohl sympathischer und so beginne ich, in meinem Kopf eine Rangliste zu formen.
Noch am gleichen Abend steht mein Entschluss fest und bevor ich ins Bett gehe, prüfe ich im Internet den Busfahrplan, denn ich habe vor, dem kleinen Jungen schon vor der Arbeit meine Antwort zu geben.
•••
Am nächsten Morgen gehe ich mit langen Schritten den Weg durch den Park zum „Hexenkessel". Hier und da sehe ich geschäftige Eltern, die ihre Kinder in den Kindergarten bringen und ich frage mich, ob auch der kleine blonde Junge von gestern dabei ist. Als ich wieder an der hüfthohen Mauer stehe, blicke ich mich suchend um.
An einer kleinen Holzlaube scheint ein Mann Bobbycars und andere Fahrzeuge zu sortieren und sieht mich fragend an.
„Kann ich helfen?", fragt er schließlich, nachdem ich bereits seit fünf Minuten dort stehe und den kleinen Jungen nirgends entdecken kann.
„Ja, ich suche einen kleinen Jungen", antworte ich und er hebt eine Augenbraue.Oh, so wirkt mein Verhalten vermutlich sehr merkwürdig auf andere, fällt mir auf.
„Ich... er hat mich gestern nach meinem drittliebsten Dinosaurier gefragt und ich hatte keine Antwort darauf", erkläre ich und fürchte, dass ich auch damit nicht weniger merkwürdig wirke.
„Warum nicht?", will der Mann wissen und grinst mich an.
„Ich... äh... ich musste erst darüber nachdenken", sage ich ehrlich. „Und ich habe ihm versprochen, ihm die Frage heute zu beantworten."„Nun, vermutlich war es Finnick aus der Fledermausgruppe", überlegt der Mann. „Hellblonde Haare und Sommersprossen?"
Ich nicke eifrig.
„Ja, genau so sah er aus. Ist er hier?"
„Ja", bekomme ich als Antwort. „Aber er frühstückt gerade und außerdem interessieren ihn Dinosaurier heute nicht."
„Was?", frage ich verwirrt.
„Gestern war ein Dinosauriertag, aber heute sind es, glaube ich, Farben."„Oh", mache ich und kann nicht verhindern, enttäuscht zu sein. Ich habe praktisch den ganzen Abend über meine Antwort auf die Frage des kleinen Finnick nachgedacht und nun hat sie keinerlei Relevanz.
„Welcher ist es?", fragt der Mann.
„Wie bitte?"
„Ihr drittliebster Dinosaurier."
„Warum wollen Sie das wissen?"
„Es interessiert mich."Ich runzele die Stirn. Warum interessiert es einen erwachsenen Mann, welcher mein drittliebster Dinosaurier ist? Zumindest habe ich dieses Mal eine Antwort darauf.
„Stegosaurus", sage ich.
„Ah", macht der Mann und nickt lächelnd. „Meiner ist der Triceratops."
„Die mit den drei Hörnern?"
„Genau", lobt er.
„Der wäre bei mir auf Platz vier."
„Was?", macht er entsetzt. „Ein Triceratops ist viel cooler als ein Stegosaurus."„Aber ein Stegosaurus ist entspannter, glaube ich", verteidige ich mich.
„Oh Gott", rollt er mit den Augen. „Bei Ihnen ist bestimmt ein Brontosaurus auf der eins."
„Nein", erwidere ich schnippisch. „Ein Brachiosaurus."
Der Mann lacht laut auf.
„Das ist doch das Gleiche!"
„Ist es nicht", antworte ich beleidigt. „Sonst würden sie ja gleich heißen. Was mögen Sie denn? Etwa einen Tyrannosaurus Rex?"Er verschränkt mürrisch die Arme vor der Brust. „Nein", antwortet er patzig. „Einen Velociraptor."
Ich will etwas Doofes zu ihm zurück sagen und verspüre sogar den Impuls ihm die Zunge herausstrecken, aber mir fällt wieder ein, dass ich ein sechsundzwanzigjähriger Mann bin, der sich mit einem anderen Mann in meinem Alter darüber streitet, welcher Lieblingsdinosaurier cooler ist. Ich straffe also meine Schultern, lächele höflich und nicke nur.„Gut", sage ich. „Dann ist das Ihre Meinung und ich nehme sie zur Kenntnis. Grüßen Sie Finnick von mir. Guten Tag."
Damit gehe ich an der Mauer entlang zur Bushaltestelle und lasse den Velociraptormann in seinem Häuschen mit den Kinderfahrzeugen stehen.•••
In meiner Mittagspause gehen Clark und ich wie gestern eine Runde um den Block und mir gehen die Dinosaurier nicht aus dem Kopf.
„Clark?", frage ich und er sieht mich erwartungsvoll an. „Findest du einen Velociraptor oder einen Tyrannosaurus Rex cooler?"Er schaut kurz verblüfft und lacht dann unbeholfen. „Keine Ahnung, Robin. Gibt's da überhaupt einen Unterschied?"
Plötzlich komme ich mir dumm vor und winke ab. „Vergiss es", sage ich nur. „Hast du gehört, dass Joline Durchsagen ignoriert?"
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Wandelmut | ✓
RomanceRobin Harrissons Leben ist einfach und strukturiert, doch ungewöhnliche Fragen von noch ungewöhnlicheren Menschen lösen einen unerwarteten Wandel in ihm aus. Gibt er der Veränderung nach oder kehrt er zurück zu seinen alten Mustern? ------------ ❝...