„Was hältst du davon, wenn wir uns was anziehen und irgendwas unternehmen?", schlägt Enrico vor.
„Unternehmen?", frage ich.
„Ja, wir gehen raus und machen irgendwas."
„Aber wollten wir nicht Sex haben?"
Enrico kichert und krabbelt auf meinen Schoß.
„Du bist mir gerade noch ein bisschen zu erpicht darauf, mein Lieber."
„Ist das schlimm?" Verwirrt sehe ich in seine dunklen Augen, während ich meine Arme um seine Taille lege. Ich mag Enrico auf meinem Schoß.
„Natürlich ist Motivation nichts Schlechtes, aber du wirkst gerade etwas angespannt und genau das wäre in diesem Fall eher hinderlich", erklärt Enrico liebevoll und küsst meinen Mundwinkel. „Darum lass uns doch irgendwas zusammen machen und das Sexthema werden wir definitiv später nochmal angehen."Schmollend schiebe ich meine Unterlippe vor.
„Ich würde das Sexthema gern jetzt schon angehen und ich bin gar nicht angespannt. Nur... gespannt eben."
Jammerig seufzend streichelt Enrico über meinen Oberkörper, wie jemand, der ein riesiges Stück Torte oder einen saftigen Burger mit duftenden Pommes Frites vor sich stehen hat, aber auf Diät ist und die himmlischen Köstlichkeiten nicht verspeisen darf.
„Es ist wie beim Küssen", erklärt er lächelnd. „Da warst du mir auch zu nervös und dann wäre es nur halb so schön geworden wie unser erster Kuss."Lächelnd erinnere ich mich an diesen Moment, der gerade einmal wenige Tage her ist, zurück. Und auch, wenn ich an diesem Tag unfassbar frustriert darüber war, dass Enrico mir diesen ersten Kuss zunächst verweigerte, erwies sich seine Verzögerung als die richtige Taktik.
„Okay", sage ich und klatsche aufbruchbereit in die Hände. „Was machen wir? Vielleicht ein Picknick?"
Enrico lacht laut auf und küsst meine Nasenspitze.
„Das klingt toll", freut er sich und hüpft fröhlich vom Bett.•••
„Wie kann man denn die Getränke vergessen?", lacht Enrico, als wir ein paar Stunden später unsere Picknickdecke auf einer Wiese im Central Park ausgebreitet haben und den Picknickkorb, von dem ich nie dachte, ihn je zu benutzen, auspacken.
„Du hattest nur einen Job", kichere ich und er sieht mich gespielt entsetzt an.
„Ich?", entrüstet er sich. „Wieso jetzt ich?"
„Weil ich den Korb getragen habe", rechtfertige ich mich.
„Aber ich ging davon aus, dass du die Wasserflaschen in den Korb gelegt hast."
„Den du bis zum Deckel mit Essen vollgestopft hast", wende ich ein.Nachdem wir uns angezogen hatten, waren Enrico und ich im nahegelegenen Supermarkt einkaufen und Enrico kaufte allerlei Lebensmittel, die seiner Meinung nach zu einem Picknick gehören. Toast, Käse und Salat für Sandwiches, Äpfel, die man in Spalten schneidet, aber auch Reiskekse, Salzstangen, Chips und natürlich Gummibärchen. Auf meine Frage, ob er noch seine Kindergartengruppe eingeladen hätte, hat er nur gelacht.
Wieder bei mir zu Hause zauberte ich den Picknickkorb aus einer Kiste von meinen Kleiderschrank hervor und Enrico Augen leuchteten sofort vor Begeisterung. Der Korb ist tatsächlich ein Picknickkorb, wie er im Buche steht. Aus Holz, innen mit rot-weiß-kariertem Stoff ausgekleidet, mit separaten Schlaufen für Besteck in den beiden Deckeln und einem großen Henkel.
„Okay, jetzt muss ich dir leider gleich einen Heiratsantrag machen", hatte Enrico verblüfft gesagt und ehrfürchtig über den Korb gestrichen. „Dieser Korb ist direkt aus einem Bilderbuch gefallen."
Meine Wangen wurden ganz rot und ich habe verlegen abgewinkt.
„D-Dann musst du um die Hand meiner Schwester anhalten", stammelte ich und hoffte inständig, dass Enrico Aussage über das Heiraten eines Picknickkorbbesitzers nicht ernst gemeint war. Enrico und meine Schwester, das wäre...Enrico strich über meine Grübelfalte und küsste lächelnd mein Kinn.
„So schnell wirst du mich nicht los, mein Lieber", flüsterte er. „Ich brauche doch jemanden, der meine Oliven und Kapern isst."
Ich strich über seine Wange und murmelte: „Ich hoffe, das ist nicht der einzige Grund, warum du mit mir zusammensein möchtest."
„Vielleicht gibt es noch den ein oder anderen mehr", zwinkerte er mir zu und machte sich daran, den Korb genauer zu inspizieren.„Übrigens werfen sich an dieser Stelle gleich wieder mehrere Fragen für mich auf", überlegte Enrico, während er Sandwiches für uns vorbereitete und ich die Äpfel wunschgemäß in mundgerechte Stücke zerteilte.
„Fragen?"
„Ja, du hast eine Schwester?", hakte er nach und ich nickte.
„Lee ist dreiundzwanzig und Eventplanerin in einem großen Hotel", erklärte ich.
„Und wie kommt sie dazu, dir den perfekten Picknickkorb zu schenken?"Enrico stibitzte sich ein Stück Apfel aus der Dose, in der ich die Spalten sammelte und grinste, als ich ihm auf die Finger klopfen wollte.
„Schätze, ihr fiel kein besseres Geschenk zu Weihnachten ein", mutmaßte ich. „Ich bin gern draußen und hab sogar mal versucht, zu fotografieren."
„Du fotografierst?", fragte Enrico nun und hob entschlossen die Hände. „Moment, das Thema droht wieder abzuschweifen. Das ist meine geheime Superkraft."„Was für eine Superkraft?", wollte ich wissen.
„Vom Thema abschweifen", erklärte Enrico. „Ich beginne ein Gespräch mit einem Thema und plötzlich redet man über Flusspferde oder die Tatsache, dass Krokodile ihre Zunge nicht rausstrecken können."
Verwirrt runzelte ich die Stirn.
„Können Sie nicht? Das denkst du dir doch aus."
„Tue ich nicht, das kannst du nachlesen. Noch eine geheime Superkraft von mir. Unnützes Wissen."
„Ich will auch eine geheime Superkraft", meckerte ich und verstaute die Apfeldose im Picknickkorb.
„Ich bin sicher, du hast mindestens eine", versprach Enrico. „Allein im Thema ablenken bist du schon außerordentlich talentiert."„Aber ein Picknick ohne Getränke geht irgendwie nicht", beschwere ich mich und sehe mich suchend um. Da es heute mild und sonnig ist, sind viele andere Leute hier. Viele haben ebenfalls Picknickdecken ausgebreitet, einige spielen Frisbee und andere liegen einfach nur auf dem Gras in der Sonne.
„Da hinten ist ein kleiner Supermarkt", freue ich mich, nachdem ich mich suchend umgesehen habe. „Ich gehe schnell rüber und hole uns was."
„Ich kann auch–", will Enrico einwenden, doch ich küsse liebevoll seinen Mund und grinse: „Du genießt doch die Zeit allein mit meinem Picknickkorb."„Ein bisschen vielleicht", gibt er verschmitzt zu.
„Dann deck du doch schon mal den... die Decke... und dann bin ich gleich zurück", schlage ich vor. „Wasser? Cola? Apfelschorle?"
„Gern Apfelschorle", strahlt Enrico mich an und ich nicke zustimmend, bevor ich mich auf den Weg zum Parkausgang und zu dem kleinen Supermarkt mache.
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Wandelmut | ✓
RomanceRobin Harrissons Leben ist einfach und strukturiert, doch ungewöhnliche Fragen von noch ungewöhnlicheren Menschen lösen einen unerwarteten Wandel in ihm aus. Gibt er der Veränderung nach oder kehrt er zurück zu seinen alten Mustern? ------------ ❝...