Ich stehe ganz dicht vor Enrico und starre ihn verwirrt an. Probieren kostet Überwindung. Was will er mir damit sagen? Dass ich mich überwinden soll, das Küssen mit ihm zu probieren? Was, wenn er das nicht meint? Dann küsse ich ihn einfach ungefragt, so wie die blonde Frau mich ungefragt in der Bar küsste und das gefiel mir überhaupt nicht.
Enrico lächelt leicht und streicht mit seinem Daumen über die Grübelfalte zwischen meinen Augen.
„Nicht so viel grübeln, Robin", flüstert er.
„Ich... ich kann nicht anders", flüstere ich zurück und kann meinen Blick nicht von seinen Lippen abwenden.
„Würdest du es gern probieren?", fragt Enrico kaum hörbar.
„Was?", piepse ich und befürchte, dass mein Herz gleich aus meinem Mund springt, weil es mir gefühlt bis zur Kehle klopft.„Das Küssen. Würdest du es gern probieren?", präzisiert er seine Frage.
„Mit dir?"
„Nein, ich habe da einen Freund, der ist für sowas immer zu haben", kichert Enrico und bevor ich erschrocken einen Schritt zurücktreten kann, packt er meinen Oberarm und hält mich daran fest. „Natürlich mit mir, du Dussel."„Möchtest du das denn?", frage ich und Enrico rollt mit den Augen, bevor er seufzt: „Robin, wenn ich es dir anbiete, bedeutet das auch, dass ich das sehr gern möchte. Ich biete keine Dinge an, die ich nicht wollen würde. Würdest du das denn machen?"
Ich versuche darüber nachzudenken, aber alles, was ich in meinem Kopf höre, ist: Enrico möchte mich küssen. Enrico möchte mich küssen.Nervös befeuchte ich meine Lippen mit meiner Zunge und atme tief durch.
„Okay", sage ich nervös. „Was... äh... was muss ich tun?"
Enrico schmunzelt und streichelt sanft über meine Wange.
„Klatschst du jetzt gleich in die Hände oder trittst von einem Fuß auf den anderen, als würdest du jeden Moment in den Boxring steigen?", fragt er kichernd. „Irgendwie bist du mir noch zu unentspannt, Robin."
„Nein", widerspreche ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Ich bin ganz entspannt."
Können wir endlich anfangen?, denke ich.Enrico lacht auf und schüttelt seinen Kopf.
„Was ist?", frage ich und klinge etwas genervt dabei.
„So wird das nichts", kichert er. „Ich denke, wir warten noch ein wenig damit. Aber bevor du jetzt gleich wieder ganz enttäuscht bist, Robin..."
Er beugt sich vor und legt seine Lippen auf meine Wange. Sie fühlen sich warm und weich auf meiner Haut an und sofort schlägt mein Herz noch schneller.Verlegen lächele ich, als er sich wieder von mir entfernt und mich anstrahlt.
„So, wo gibt es jetzt diese leckeren Flammkuchen, von denen du mir erzählt hast?"
Ich sehe auf meine Armbanduhr und stelle fest, dass es bereits nach acht ist.
„Oh, ich fürchte, der Delikatessenladen hat um diese Zeit bereits geschlossen", entgegne ich enttäuscht.„Nun, dann dürfen wir uns morgen vielleicht nicht so lange hier im Park aufhalten, sondern gehen einfach direkt dorthin, nachdem wir uns hier getroffen haben", schlägt Enrico vor.
Verdattert blicke ich ihn an.
„Du möchtest dich nochmal mit mir treffen?"
Nun runzelt Enrico verwirrt die Stirn.
„Aber natürlich, Robin", sagt er ernsthaft. „Wir müssen noch weiter über das Probieren sprechen, darüber, wie du allein im Bett an nichts denken kannst und darüber, was du an Türen magst. Es sei denn, du möchtest mich nicht–"„Doch!", falle ich ihm ins Wort, bevor er seinen Satz überhaupt beenden kann. Nichts möchte ich lieber als Enrico wiedersehen. Um ehrlich zu sein, kann ich es jetzt schon kaum erwarten und das, obwohl ich ihn ja gerade noch sehe. Ergibt das irgendwie Sinn?
Enricos Lächeln wird noch breiter und er nickt.
„Dann würde ich sagen, morgen gleiche Zeit, gleicher Ort", schlägt er vor.
„Okay", ist alles, was ich sagen kann.
Enrico tritt einen Schritt zurück, verbeugt sich allen Ernstes und sagt: „Es war mir ein großes Vergnügen, Ihnen die Kunst des Kaugummiblasenmachens näherzubringen, Mr. Harrisson."
Ich kichere und weiß nicht recht, wie ich mich verhalten soll. Also kratze ich mich verlegen am Hinterkopf und antworte: „Die Freude war ganz auf meiner Seite, Mr. DiFranco."„Bis morgen", verabschiedet Enrico sich und geht zum Eingangstor des Parks. Ich sehe ihm nach, bis er aus meinem Blickfeld verschwunden ist und gehe dann langsam durch den Park zu dem Ausgang, der in Richtung meiner Wohnung liegt.
Wie ich bereits vermutet hatte, hat der Delikatessenladen schon geschlossen und ich frage mich, was wohl heute das Tagesangebot war. Zu Hause stehe ich unschlüssig in der Küche herum. Ich habe keine Ahnung, was ich essen will, denn um ehrlich zu sein, habe ich keinen wirklichen Appetit.
Also beschließe ich lieber, mich an mein Tablet zu setzen und irgendeine Dokumentation zu schauen. Während ich noch auf der Suche nach etwas bin, das ich gern schauen würde, wandern meine Gedanken immer wieder zu Enrico.
Er würde das Küssen gern mit mir probieren, hat er gesagt, aber er will auch nicht, dass ich dabei unentspannt bin. Wie soll ich dabei entspannt sein, wenn ich doch nicht weiß, was ich tun muss?
Ich schließe den Streamingdienst und öffne stattdessen meinen Browser.
Männer küssen
gebe ich in das Suchfeld ein.
•••
Zwei Stunden später sitze ich mit großen Augen vor meinem Tablet und bin sehr... erhitzt. Nach unzähligen Videos von Männern, die sich küssen und dann welchen, wo sie auch noch andere Dinge tun, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich gerade meine Vorliebe entdeckt habe.
Zuvor haben mich Filme dieser Art, wenn die Jungs in der Highschool und auf dem College über so etwas sprachen, nicht wirklich interessiert, was aber zum Großteil daran lag, dass es dabei hauptsächlich um nackte Frauen ging.
Aber jetzt kann ich plötzlich Enricos Frage nach meinen Gedanken, wenn ich allein mit mir selbst bin, verstehen. Wow. Hat Enrico das auch schon gemacht? Irgendwie bin ich mir ziemlich sicher, dass er das schon gemacht hat. Wenn ich mir vorstelle, wie er solche Dinge mit mir tut, wird mir noch heißer und ich beschließe, dass es dringend Zeit ist, ins Bett zu gehen.
Ich eile ins Badezimmer, putze mir in Rekordzeit die Zähne und lege mich dann in mein Bett. Mein Penis ist seit den Videos schon schmerzhaft geschwollen und als ich meine Hand darum lege, schließe ich meine Augen und stelle mir vor, es ist Enricos Hand. Enrico, der mich anlächelt und seine schöne Hand um meine Länge auf und abbewegt. Bevor sich das Bild ganz in meinem Kopf gebildet hat, bin ich zuckend auf meinen Bauch gekommen und blicke schwer atmend an mir herab.
Ganz offensichtlich fühle ich mich sehr zu Enrico hingezogen.
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Wandelmut | ✓
RomanceRobin Harrissons Leben ist einfach und strukturiert, doch ungewöhnliche Fragen von noch ungewöhnlicheren Menschen lösen einen unerwarteten Wandel in ihm aus. Gibt er der Veränderung nach oder kehrt er zurück zu seinen alten Mustern? ------------ ❝...