Beinahe zwei Wochen später hatte sich das Heer Tavarens an der südlichen Grenze des Großen Waldes eingefunden. Hinter den Menschen das unberührte Unterholz und vor ihnen die Wüste aus Asche. Genau dort hatten sie ihr Lager aufgeschlagen und warteten sie auf den Elfenkönig mit dessen Gefolgschaft.
Tavaren hatte weniger Verluste einstecken müssen, als er erwartet hatte. Nur im Gebiet der Templer gab es kleinere Gefechte, doch die anderen Fürstentümer hatten sie beim Anblick der Übermacht passieren lassen, obwohl sie sich im Vorfeld unkooperativ gezeigt hatten.
Der Herzog selbst befand sich in einem Zelt. Er schrieb einen Brief an seine Familie, dass er die Reise gut überstanden hatte, da hörte er, wie ein Raunen durch seine Soldaten ging.
Sofort wandte er sich von dem Schreiben ab und verließ das Zelt. Das Licht der Abendsonne blendete ihn, sodass er kaum sehen konnte, weshalb die Soldaten aufgewühlt waren. Es war keine Gefahr, da war er sich sicher, denn niemand hatte Alarm geschlagen.
Er hob eine Hand an die Stirn, um die Sonne abzuschirmen, und dann erblickte er auch den Grund des Stimmengewirrs.
Der Wald hatte sich geteilt und aus der Öffnung mitten aus dem Dickicht trat der Elfenkönig. Statt seidenem Gewand trug er nun eine silberne Rüstung, die das Licht der Sonne in sich brach. Ihn begleiteten die Schmetterlinge, die jeden der Menschen auf Abstand hielten, doch keine anderen Elfen befanden sich an seiner Seite.
Sie hatten ihr Lager im Inneren des Waldes aufgeschlagen. Geschützt vor den Menschen und sicher vor allem, was ihnen Böses wollte.
„Eure Majestät", begrüßte Tavaren den Elfenkönig. „Es ist mir eine Freude, Euch zu sehen."
„Die Freude ist ganz meinerseits, Lord Kestrel", antwortete Leandras. Die Mundwinkel waren leicht erhoben, sodass es eher wie ein Lächeln aus Höflichkeit wirkte, aber jeder wusste, dass der Elfenkönig sich nicht die Mühe machte, Höflichkeitsfloskeln einzuhalten, wenn er sie nicht ehrlich meinte.
Leandras blieb einige Schritte von Tavaren entfernt stehen und wandte sich der Hauptstadt Benelas zu. Er setzte seine Professionalität wieder auf und hielt es für das Beste, auf diplomatischem Boden zu bleiben.
„Was glaubt Ihr, wird uns dort erwarten?", fragte er den Herzog im Hinblick auf die Schatten, die um die Stadt wirbelten und die Finsternis, von der die Sicht auf das Innere getrübt wurde.
„Wenn ich mir das so ansehe...", begann Tavaren. „Es wird wohl dunkle Magie sein. Sehr dunkle Magie. Solche Schatten kenne ich nicht einmal aus Büchern. Vielleicht ein Dämon?" Er sah fragend zu Leandras.
Der Elfenkönig nickte leicht. „Das vermute ich auch. Aber Dämonen sind nicht so machtvoll, wie sie in Büchern stets dargestellt werden. Für diese Zerstörung –" Er ließ seinen Blick über die Aschewüste schweifen. „– braucht es ein ganzes Dämonenheer."
„Wie hat es eigentlich angefangen? Ihr müsst doch etwas davon bemerkt haben."
„Haben wir", antwortete Leandras. Seine Braue zuckte leicht und gab Tavaren das Zeichen, dass er sich in dem Ton seiner Frage vergriffen hatte. „Wir gaben den Flüchtenden einen Weg und zumindest kurzzeitige Unterkunft, aber, Lord Kestrel, es hatte keine Woche gebraucht, bis das Land so aussah wie jetzt. Und den oder wahrscheinlicher die Schuldigen bekamen wir nie zu Gesicht."
„Ich verstehe", meinte Tavaren. Er richtete seinen Blick wieder auf die Stadt in der Ferne. „Wie lange werdet Ihr noch benötigen, um Eure Truppen zu sammeln?", fragte er.
„Sie befinden sich direkt hinter dem Waldesrand", antwortete Leandras. „Wenn Ihr bereit seid, dann können wir morgen nach Sonnenaufgang in die Schlacht ziehen."
DU LIEST GERADE
A King's Tale
FantasyAls der Halbelf Lloyd für einen Auftrag in den Norden geschickt wird, ahnt er noch nicht, was er damit lostritt und welche Reise er bestreiten muss. Die Menschen sind die Bösen und die Elfen die Guten, so hatte er es gelernt, seit er ein Kind war. D...