Wärme breitete sich in Lloyds Körper aus. Nach und nach vertrieb sie die Kälte aus seinen Knochen. Er war nicht gestorben, obwohl Murasaki ihn erst in den Schnee gebracht und dann zum Sterben zurückgelassen hatte. Zögerlich öffnete er die Augen. Seine Sicht war noch verschwommen, aber nach und nach klärte sich sein Blick auf. Aus gekipptem Blickwinkel sah er den zugezogenen Eingang eines Zeltes.
Er richtete sich auf. In seinem Kopf dröhnte Schmerz. Die violette Robe hatte er immer noch über die Schultern gelegt und nun schlüpfte er in die weiten Ärmel. Lila hatte er noch nie besonders gemocht und je mehr Zeit er mit Murasaki verbrachte, desto größer wurde seine Abneigung gegen diese Farbe.
Mit einem Kopfschütteln vertrieb er den Erzähler aus seinen Gedanken. Zunächst musste er herausfinden, wo er war und wie er zum Berg der Drachen zurückkam. Er erhob sich vorsichtig, schlang sich die violette Robe um den Körper und bewegte sich auf wackeligen Beinen zum Eingang des Zeltes.
Vielleicht war Murasaki doch zurückgekehrt, um ihn zu retten. Denn wer sollte sich sonst in das Gebirge gewagt haben. Elliot hätte ihn sicherlich sofort zurück in den Berg und nicht erst in ein Zelt gebracht.
Noch ehe er den Ausgang erreichte, wurde die Plane, die den Blick nach außen versperrte, hochgehoben. Grelles Licht blendete ihn. Ein Schatten schob sich in sein Sichtfeld und betrat das Zelt.
Lloyds Herz zog sich zusammen. Wer auch immer das war, er war groß. Größer noch als Kematian. Er wich zurück. Nur weg von diesem riesenhaften Schatten. Der Elf war nicht gefesselt, aber zweifelte, ob sein Gegenüber ein Freund war oder ihn einfach nur nicht als Gefahr ansah.
Der Fremde schnaubte. „Seine Majestät ist also erwacht." Der Ton trug keine Demut, sondern Spott. Und so wurde die Vermutung bestätigt. Kein Freund.
„Wer seid Ihr?", fragte Lloyd. Die Stimme versuchte er möglichst fest klingen zu lassen. Er richtete die violette Robe und verschränkte die Arme vor der Brust.
Der Fremde stieß ein kurzes Lachen aus. Lloyds Augen gewöhnten sich langsam wieder an die Dunkelheit. Und bei dem Anblick kroch ihm die Angst weiter über den Rücken. Nicht nur war der Fremde riesig, auf seinem Haupt prangten auch noch Hörner wie die eines Stieres. Eines von ihnen war abgebrochen und nur noch durch einen Stumpf zu erahnen.
Vor Schreck wich Lloyd noch einige Schritte zurück. Er hatte ein solches Wesen noch nie gesehen, aber Elliot hatte ihn ja bereits vorgewarnt, dass die Drachen dieses Reich mit anderen Kreaturen teilten.
„Ich bin Dordaron, Stammesführer der Quarak", stellte sich der Fremde vor. „Und Ihr seid wohl derjenige, den man den ‚Dunklen König' nennt?"
„Das ist das erste Mal, dass ich diesen Titel höre", gab Lloyd zurück. „Ich bin der König der Drachen, falls das Eure Frage ist. Und ich schlage vor, dass Ihr mich wieder zu ihnen zurückbringt."
Wieder lachte Dordaron kurz. „Ihr habt keine Ahnung, wo Ihr hineingeraten seid, oh König. Wie alt seid Ihr? Keine dreißig, oder?"
„Fünfundzwanzig", murmelte Lloyd.
„Und so jung wollt Ihr ein Königreich führen?" Dordaron schien nun doch ein wenig überrascht von der Antwort, aber er fing sich schnell wieder. „Wir werden Euch gewiss nicht zu den Drachen zurückbringen. Lord Sindak hat nämlich ein hübsches Sümmchen auf Euren Kopf aufgesetzt."
Lloyd presste die Lippen zusammen. Er wusste nicht, wer dieser Lord Sindak war, doch das wollte er nicht zugeben. „Lasst mich gehen", sagte er stattdessen.
„Sicherlich nicht", antwortete Dordaron trocken. Er wandte sich wieder zum Gehen. „Und versucht nicht einmal dieses Zelt zu verlassen. Die Kälte draußen würde Euch in wenigen Minuten umbringen." Mit diesen Worten verabschiedete er sich und ließ den Elfen allein.
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A King's Tale
FantasiAls der Halbelf Lloyd für einen Auftrag in den Norden geschickt wird, ahnt er noch nicht, was er damit lostritt und welche Reise er bestreiten muss. Die Menschen sind die Bösen und die Elfen die Guten, so hatte er es gelernt, seit er ein Kind war. D...