Vergeltung II

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Lloyd sah ihn wortlos an. Nun war ihm sein kindischer Ausbruch in der letzten Nacht, als er die Robe verbrannt hatte, peinlich. „Äh...", begann er, aber Murasaki fiel ihm ins Wort, als hätte er seine Gedanken gelesen.

„Nein", sagte er erschüttert. „Das habt Ihr nicht getan."

„Äh..." Lloyd konnte sich keine passende Antwort erdenken, mit der er Murasaki weder anlügen noch verstimmen würde.

„Das war meine Lieblingsrobe", klagte Murasaki. „Wie konntet Ihr nur. Seht nur in was ich nun herumlaufen muss." Er breitete die Arme aus und drehte sich einmal um die eigene Achse. Der Stoff flog mit ihm im Kreis und schwang noch kurz nach, selbst als Murasaki schon zum Stillstand gekommen war. „Es ist schrecklich."

„Mit gefällt es", murmelte Lloyd.

„Aber mir ist egal, ob es Euch gefällt." Er seufzte. „Habt Ihr wenigstens die Taschen vorher geleert?"

Lloyd erinnerte sich an den Apfel, den er im Ärmel gefunden hat. „Äh..." Wie sollte er nun erklären, dass er ihn voller Frust gegessen hatte?

Murasakis Miene gefror. Er führte eine Hand zu seinem Gesicht und legte Daumen und Zeigefinger an seinen Nasenrücken. „Der Apfel war wichtig." Murasaki sah wieder auf. „Ihr habt ihn doch nicht etwa gegessen?"

Lloyd schwieg und murmelte nur ein stummes Gebet gen Himmel, dass er Rettung erhalten würde. Selbst dass der Boden sich auftun würde, war ihm recht.

Murasaki schüttelte mit dem Kopf. Dann seufzte er erneut. „Wenn Ihr Euch in den nächsten Tagen seltsam fühlt, dann sagt mir Bescheid."

„Inwiefern seltsam?", fragte Lloyd.

„Fieber, Übelkeit, jemand erscheint Euch und versucht Euch aus dem Paradies zu verbannen... Kann alles Erdenkliche sein."

„Wie bitte?" Lloyd glaubte ihm kein Wort.

Murasaki zuckte mit den Schultern. „Ihr hättet den Apfel ja nicht essen müssen." Dann murmelte er leiser zu sich selbst: „Jetzt muss ich nochmal in den Garten." Er strich sich eine Pfauenfeder, die sich bei der Drehung aufgebauscht hatte, glatt und sprach dann: „Da gibt es tatsächlich noch einen weiteren Grund, weshalb ich hier bin, aber ehe ich Euch den nenne, folgt mir. Ich glaube, so langsam sollte die Zeit für Kyrat um sein."

Und mit diesen Worten drehte sich er in einer schwungvollen Drehung um, bei der die weiten Ärmel beinahe gegen den Elfen schlugen, und verließ die Eingangshalle. Lloyd blieb keine andere Wahl, als ihm zu folgen.

Mit schnellen Schritten ging Murasaki durch den Berg der Drachen und Lloyd hatte alle Mühe, ihm in dieser Geschwindigkeit zu folgen. Das Rasseln der Ketten hallte laut von den Wänden wider, nistete sich in jede Ecke, fand jedes Schlupfloch, um sicherzustellen, dass Lloyd niemals fähig war, es aus seinen Gedanken zu verbannen. Sein Blick verdunkelte sich als ihm bewusst wurde, dass ihn die Ketten nun schon seit Jahren begleiteten und er nie fähig war, sie loszuwerden, bis er nahezu paranoid bei jedem Klirren aufsprang.

„Könnt Ihr mir nicht schon mal erklären, weshalb Ihr hier seid?", fragte er Murasaki, als er zu ihm aufgeholt hatte.

Der Erzähler blieb stehen und schenkte ihm ein Lächeln, das freundlicher nicht sein könnte, aber das Gold seiner Augen zeigte nichts als Betrübnis. „Ich habe einen Engel gefunden", sagte er. „Einen Engel ohne Güte."

Lloyd erstarrte. „Aber Engel existieren nicht", meinte er. Er hatte nie an derlei Märchen geglaubt und nun sollte der Erzähler ihn auch nicht überzeugen können.

Murasaki schüttelte seinen Kopf und setzte sich wieder in Bewegung. „Vielleicht solltet Ihr endlich anfangen zu glauben", sagte er. „Zugegeben, Sascha ist kein ganzer Engel, aber Güte hat er sicherlich nicht. Er ist ein Mischwesen. Seine Mutter war ein Engel, aber sein Vater ein Dämon. Ich weiß nicht, ob eine Feder von ihm bei Eurer Verbannung helfen wird. Es ist nämlich nicht so, als hätte er keine Güte mehr, er hatte noch nie welche. Aber einen Versuch ist es sicherlich wert."

A King's TaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt