„Ach, mir fällt gerade ein, weshalb ich in erster Linie zu Euch gekommen war", sagte Murasaki. Er schob eine Hand in seinen Ärmel, um kurz darauf einen Brief herauszuholen und ihn Lloyd entgegenzuhalten. „Die werte Lady Sindak hat Euch geschrieben und lädt Euch zu sich ein."
Lloyd schnaubte und nahm den Brief. „Was habt Ihr mit den Dunkelelfen zu schaffen?"
Murasakis Lächeln wurde eine Spur breiter. „Das Übliche," sagte er. „Außerdem wünscht sie die Übergabe des Gefangenen, der in Eurem Kerker untergebracht ist."
Lloyd ignorierte die Tatsache, dass der Erzähler den Brief wohl geöffnet und gelesen hat, und fragte stattdessen: „Ich habe einen Gefangenen?"
Murasaki nickte. „Nachdem Ihr zu dem König der Menschen entführt wurdet, hat Elliot den Dunkelelfen mitgenommen, der Euch begleitet hatte. Elliot wollte ihn gegen Euch austauschen, aber, da Ihr den Weg zurück hierher gefunden habt, sitzt der Dunkelelf noch immer im Verlies fest. Wir können ihm gerne einen Besuch abstatten."
„Jetzt?"
„Aber selbstverständlich jetzt." Murasaki hielt ihm seine Hand hin, aber der Elf dachte nicht einmal daran, sie zu ergreifen.
„Nein", sagte Lloyd und stand allein auf. Er suchte seinen Gehstock und musste feststellen, dass er ihn im Palast vergessen hatte. Sein Blick verfinsterte sich und er sah, wie Murasaki ihm zulächelte und mit seinen Fingern wackelte, um ihn zu überzeugen, doch die ausgestreckte Hand zu ergreifen. Bestimmt wiederholte er nur: „Nein."
Erst jetzt ließ der Erzähler seine Hand sinken. „Es ist die angenehmste und schnellste Art zu reisen", sagte er.
„Mir wird übel davon", murmelte er und humpelte voran. Er wusste zwar nicht, wo sich der Kerker befand, aber das Klirren, das hinter ihm ertönte und zu ihm aufholte, noch ehe er den Korridor betreten hatte, verriet ihm, dass Murasaki ihn an sein Ziel bringen würde.
Ohne Gehstock schmerzte jedoch jeder Schritt. Mehrfach blieb er stehen und stützte sich an der Wand ab, um eine kurze Pause einzulegen. Murasaki wartete stets geduldig auf ihn.
Als Lloyd sich jedoch zum siebten Mal an der Wand abstützte und rasten wollte, hörte er den Erzähler leise seufzen. Der Boden unter seinen Füßen verschwand und er fand sich in Murasakis Armen wieder.
„So ist es doch viel angenehmer für Euch, nicht wahr?", fragte Murasaki und zog ihn näher an sich heran, damit der Elf sich nicht sofort von ihm stoßen und auf dem Boden verletzen könnte.
Lloyd stieß nur ein Schnauben aus, aber er schwieg. Er würde sich eher die Zunge abbeißen, als zuzugeben, dass der Erzähler recht hatte.
Einige Schritte gingen sie schweigend durch die Korridore. Nur das Klirren der Ketten war zu hören. Der ewige Gefährte, der ihn niemals loslassen würde. Ein alter Freund, den er durch Zufall gefunden hatte und nun nicht mehr verlassen konnte.
Er richtete den goldenen Blick auf Lloyd. Der Elf hatte es sich in seinen Armen schon bequem gemacht, an seine Schulter gelehnt und die Augen geschlossen.
„Was gedenkt Ihr mit Lady Sindak zu besprechen? Wollt Ihr Euch ihr unterwerfen?", fragte er.
Lloyd schnaubte und schlug die Augen auf. „Ich werde mich nicht unterwerfen", sagte er, den Blick fest auf Murasaki gerichtet, als würde er nicht nur über die Lady, sondern auch direkt zu dem Erzähler selbst sprechen. „Ich lasse mich nicht ausnutzen. Besonders nicht von denen, die mir so nah kommen, dass ich sie fast für Freunde halten könnte. Ich knie vor niemandem."
Murasaki hüstelte leise. „Vor Elliot habt Ihr gekniet."
Für diese Bemerkung rammte Lloyd ihm seinen Ellenbogen in die Rippen. Murasaki sackte kurz zusammen und kam ins Straucheln, aber er fing sich schnell wieder und ließ den Elfen nicht einmal los.
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A King's Tale
FantasyAls der Halbelf Lloyd für einen Auftrag in den Norden geschickt wird, ahnt er noch nicht, was er damit lostritt und welche Reise er bestreiten muss. Die Menschen sind die Bösen und die Elfen die Guten, so hatte er es gelernt, seit er ein Kind war. D...