Kematian blieb stehen. Ihm schlug ein bekannter Duft entgegen. Halbelfen waren selten und er kannte ihren Geruch erst, seit er Lloyd begegnet war. Süßliche Arroganz gepaart mit der Wildheit der Menschen. Wahrlich eine Seltenheit.
„Folgt mir", sagte er und verließ den Weg. Camille hätte am liebsten protestiert, aber sie hatte Kematian gerade dafür angeheuert. Allein würde sie niemals den Weg in die Hauptstadt finden.
Aber wie sich herausstellte, befand sich die Elfenprinzessin nicht in der Hauptstadt, sondern etwa eine halbe Stunde entfernt. Sie badete in den heißen Quellen, denn nicht nur Lloyd hatte eine Vorliebe für diesen Ort. In einigen Metern Entfernung waren Wachposten aufgestellt, die ihre Sicherheit gewährleisten sollten.
Kematian packte Camille am Arm und zog sie hinter einen Baum. „Dort ist sie", flüsterte er ihr zu und deutete auf die weißhaarige Gestalt. „Wollt Ihr es jetzt tun?" Er beugte sich noch ein Stück weiter zu ihr herab. „Oder überlasst Ihr sie doch lieber mir?" Cahlia roch nicht so gut wie ihr Bruder, aber Kematian hatte mittlerweile Geschmack an den Halbelfen gefunden. Nur konnte er Lloyd nicht so oft beißen, wie er wollte. Schließlich sollte der Elf nicht an Blutverlust sterben.
Camille schüttelte den Kopf. Sofort richteten sich Kematians Mundwinkel nach unten. Es wäre auch zu schön gewesen.
Zu Cahlia gesellte sich eine weitere Elfin. Sie war eine Dienerin und wollte die Prinzessin offensichtlich zum Gehen überzeugen, aber Kematian konnte ihre Worte nicht verstehen. Er hatte sich in all den Jahren noch keine Mühe gemacht, Elfisch zu lernen. Ein leichtes Glitzern lenkte ihn ab. Die Dienerin gestikulierte nun wild und dabei fingen ihre Armreifen das Licht ein und lenkten es in sein Auge.
Aber die Prinzessin schickte sie mit einer Handbewegung fort. In der Zeit hatte Camille einen Pfeil aus ihrem Köcher geholt und an die Bogensehne gelegt. Kematian war sich sicher, dass sie ihr Ziel verfehlen würde. Die Entfernung war noch zu groß. Kurz erwog er, es einfach zu einem Kampf kommen zu lassen, aber dann würde das Ziel fliehen und damit seinen Auftrag in die Länge ziehen.
Kematian trat an Camille heran. Er legte seine Hände über ihre und spannte den Bogen. Auf diese Weise konnte er zielen, aber Camille hielt die Waffe.
Seine Mundwinkel zuckten leicht. Wer wäre wohl in diesem Fall der Mörder?
Er atmete aus und zielte auf Cahlia. Sie saß mit dem Rücken zu ihnen, sah nicht die Pfeilspitze aufblitzen, wusste nichts von ihrem nahen Ende.
Er spannte die Sehne noch weiter. Direkt in den Hals würde er sie treffen. Das Opfer würde binnen weniger Augenblicke sterben. Kein unnötiges Leiden, keine Zeit zu überlegen, an welchem Punkt das Leben diese Wendung genommen hatte.
Er ließ die Sehne los. Der Pfeil sauste durch die Luft, wirbelte um die eigene Achse und...
... blieb in einem Ast stecken.
Kematian traute seinen Augen nicht. Wie konnte er verfehlt haben? Das war unmöglich.
Doch dann sah er den Grund. Der Ast bewegte sich an seinen ursprünglichen Ort zurück. Ein Baum hatte die Königstochter geschützt. Zumindest vorerst.
Cahlia hörte das Einschlagen des Pfeils. Ihr Kopf schoss in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Und dort sah sie die beiden Angreifer stehen. Die Prinzessin sprang aus dem Wasser auf. Im Rennen packte sie eine Robe, die am Rand der Quellen lag und schlüpfte hinein. Sie achtete nicht darauf, was hinter ihr geschah. Allein dass sie zurück in den Palast musste, war in ihren Gedanken.
Weit kam sie jedoch nicht. Sie stieß so hart gegen einen Körper, dass sie zu Boden fiel. Noch ehe sie aufschlug, blitzte eine Klinge auf. Der Stahl schnitt durch Fleisch und Knochen wie durch Butter. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Ein Schrei brach aus ihr heraus. Als sie an sich herabblickte, sah sie nur noch einen blutigen Stumpf, dort wo eigentlich ihr rechtes Bein sein sollte.
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A King's Tale
FantasyAls der Halbelf Lloyd für einen Auftrag in den Norden geschickt wird, ahnt er noch nicht, was er damit lostritt und welche Reise er bestreiten muss. Die Menschen sind die Bösen und die Elfen die Guten, so hatte er es gelernt, seit er ein Kind war. D...