Epilog: Omnes una manet nox

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Aus dem Herzen des Erzählers schwebte ein tiefer Seufzer. „Und so geht seine Geschichte zu Ende. Lloyd war vielleicht kein guter und gewiss kein gerechter König und er war kein treuer Freund, aber hinter diesem Monster da versteckte sich ein Held. Ein gebrochener, in Ungnade gefallener Held...

Nach seiner Hinrichtung wurde er in einem Massengrab beerdigt. Als Niemand und zusammen mit anderen namenlosen Soldaten. Wochenlang hörte ich nichts von ihm, bis er eines Tages gegen meine Tür klopfte. Die Augen gerötet, verdreckt die Haut und seine Kleidung. Die Fingernägel abgeschabt und blutig. Er hatte sich aus seinem eigenen Grab geschaufelt, nachdem die Hinrichtung ihn nicht töten konnte.

Wortlos und mit hängendem Kopf trat er über meine Schwelle. Er fiel vor mir auf die Knie und flehte mich an, sein Leben zu beenden... ihn zu retten. Von mir verlangte er Antworten, die ich ihm nicht geben konnte und auf den Pfad, zu dem er gelangen wollte... dorthin wollte ich ihn nicht weisen.

Er blieb nun über Nacht und war am nächsten Tag fort, da er erkannt hatte, dass er in mir kleine Hilfe fand.

In den folgenden Monaten hörte ich mehrfach die Nachricht über seinen Tod, doch mit jedem Mal wurde es deutlicher, dass er nicht sterben würde.

Und als er dies selbst bemerkte... ließ er sich weiterhin hinrichten. Er wollte sich nur sterblich fühlen und was wäre sterblicher, als zu sterben?

Ich erfuhr von Laurent, dass Lloyd versuchte, Tavaren zurück zu den Lebenden zu bringen. Doch vergeblich. Jeder seiner Versuche, jedes Ritual scheiterte und Laurent, der Tod höchstselbst, konnte ihm bei diesem Vorhaben nicht helfen.

Verbannt aus seiner Heimat, als Verräter in seinem eigenen Königreich und gejagt von all denen, die nicht glauben wollte, dass er tot war. Er hatte keine andere Wahl, als zu hoffen, dass die Menschen ihn und seine Taten eines Tages vergessen würden.

Er konnte seine Fehler nicht rückgängig machen und er konnte nicht sterben, um so für seine Vergehen Buße zu tun, wie er es für angebracht hielt. Blind in einer Welt der Sehenden. Gebrochen in der Welt, die er zerstört hatte.

Weil er keinen anderen Weg wusste, wandte er sich an die Raben. Er starb durch Kematians Hand und Kematian war auch derjenige, der die Nachricht verbreitete, dass der Dunkle König gestorben sei.

Zunächst war ein jeder misstrauisch, aber seitdem hat niemand mehr von Lloyd gehört und schließlich glaubten sie das Gerücht.

Der Dunkle König blieb verschwunden und so kehrte endlich Frieden ein. Denn auch von Leandras hörte man danach kein Wort mehr. Niemand wagte es, den Wald zu betreten, um nach dem Elfenkönig zu sehen. Jeder Eindringling starb durch die Gewalt der Bäume."

Noch einmal seufzte der Erzähler. „Und so endet die Geschichte des Mannes, der einst als Prinz verehrt, dann als Verräter gejagt und schließlich als Verbrecher gestorben ist. Der König, der nur Frieden wollte und nichts als Krieg brachte. Der Freund, der, obwohl er Treue als das Höchste erachtete, jedem untreu war. Ein Monster mit reinem Herzen und gleichzeitig ein Heiliger, in dessen Seele Finsternis wächst. Immer noch. Denn diese Dunkelheit wartet nur auf den Moment, in dem sie sich erneut zeigen kann."

Der Erzähler verstaute das Buch unter seinem Umhang. „Doch nun genug meiner Worte", sagte er und erhob sich. Er schritt durch das Gasthaus bis zur Tür und hob eine Hand, um ein Winken anzudeuten.

Draußen wütete noch immer der erbarmungslose Schneesturm. Er hatte noch kein Stück nachgelassen, seit der Erzähler das Gasthaus betreten hatte. Mittlerweile war die Nacht angebrochen und die Monde hatten sich hinter dunklen Wolken versteckt, sodass draußen nichts als Schwärze wartete.

Der Erzähler legte seine Hand auf die Klinke, aber ehe er sie hinunterdrückte, stockte er. Er drehte sich zu seinem Schützling um und fragte: „Willst du mitkommen Kyrat? Ich bekomme langsam Hunger."

Der Angesprochene schüttelte nur den Kopf und wandte sich ab.

„Wie du meinst", sagte der Erzähler und öffnete die Tür. Der kalte Wind brachte Schneeflocken und eisige Kälte von draußen herein, fing sich in dem violetten Stoff der Robe ein und blies ihm den weiten Mantel beinahe von den Schultern.

„Bis zum nächsten Mal", sagte der Erzähler. Er raffte die Robe zusammen, deutete noch einmal ein Winken an und trat in die frostige, stürmische Nacht.

A King's TaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt