Oderint dum metuant IV

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Elliot führte seinen König aus dem Eispalast, durch die Korridore des Berges, in einen Teil, den er bisher noch nicht betreten hatte.

„Was wird mich erwarten?", fragte Lloyd. „Bei der Krönung?"

„Nichts allzu Anstrengendes, mein König", antwortete Elliot. „Eine Zeremonie, bei der Ihr Eure Krone erhaltet. Ihr werdet die verbliebenen Drachen antreffen. Aber es sollte nicht lange dauern."

„Dann können wir also schnell dort weitermachen, wo wir aufgehört haben?" Lloyd wusste, dass die Frage dreist war, aber er wollte sie nicht zurückziehen.

Elliot nickte, doch dann stockte er und drehte sich zu seinem König um. „Ich kann heute nicht."

„Bitte?" Lloyds Brauen schoben sich zusammen. Er hoffte, sich verhört zu haben.

„Heute ist..." Elliot bemerkte in Lloyds Blick, dass der Elf keinesfalls eine Erklärung wollte. „Morgen, mein König, morgen stehe ich Euch zur Verfügung."

Lloyd schnaubte. „In Ordnung", sagte er. „Aber vertröstet mich kein weiteres Mal."

„Morgen, definitiv morgen", antwortete der Drache.

„Gut." Das Wort war mit Bitterkeit gesprochen. Er wollte keinen weiteren Tag warten müssen, aber der Drache ließ ihm keine andere Wahl. Und zwingen wollte er ihn schließlich auch nicht.

Mit einer Handbewegung deutete Lloyd ihm an, weiterzugehen. Elliot nickte hastig und führte ihn weiter. Schweigend, den Kopf leicht eingezogen. Und in diesem Moment wurde Lloyd bewusst: Er war zu weit gegangen. Letztlich würde er zwar bekommen, was er wollte – wenn auch mit einem Tag Aufschub – aber der Drache, so schien es, hatte nur zugestimmt, um sich dem König nicht zu widersetzen.

Lloyd seufzte. „Ihr müsst nicht, wenn Ihr nicht wollt", sagte er. So gab er zwar nach, aber die Schuldgefühle, den Drachen gezwungen zu haben, wollte er nicht ertragen.

Elliot blieb wie angewurzelt stehen und drehte sich zu Lloyd um. In seiner Miene Erschütterung wie auch Enttäuschung. „Ihr wollt nicht mehr, mein König?", fragte er.

„Das habe ich nicht gesagt", entgegnete Lloyd. „Ich will nur nicht, dass Ihr mich meidet und mir nicht mehr in die Augen sehen könnt."

„Wie könnte ich Euch je meiden, mein König?", fragte Elliot. „Wie könnte ich Euch diesen Wunsch abschlagen? Im Gegenteil, ich freue mich auf morgen." Auf seinem Gesicht breitete sich ein strahlendes Lächeln aus.

Der Drache freute sich also. Das war für Lloyd ausreichend, um alle aufkeimenden Schuldgefühle zu ersticken.

„Schön", sagte er und lächelte zurück. „Jetzt sollten wir uns aber wirklich zu der Krönung begeben."

Elliot nickte. „Selbstverständlich, mein König. Wie Ihr wünscht."

Einige Minuten gingen die beiden noch durch die Gänge des Berges. Lloyd war sich jetzt schon sicher, dass er ohne die Wegweisung Elliots hier vollkommen verloren wäre. Er würde Tage brauchen, ehe er sich hier zurechtfinden würde.

Schon von Weitem sah er eine Flügeltür aus massivem Holz, die aber an diesem Tag offenstand, und dahinter den Thronsaal. Der Saal war gefüllt mit Drachen, über einhundert mussten es sein. Einige in ihrer menschenähnlichen Gestalt, andere als Giganten und wieder andere ähnelten Echsen, die auf zwei Beinen liefen.

Instinktiv fragte sich Lloyd, welches die wahre Gestalt der Drachen war. Eine Frage, deren Antwort er später bei Elliot suchen würde, nahm er sich vor.

Das Raunen, das noch kurz zuvor durch die Menge gegangen war, erstarb als die beiden Ankömmlinge den Saal betraten. Die Blicke ruhten auf dem baldigen König. Interessiert und zugleich verwirrt, einige auch abschätzig, doch andere demütig.

A King's TaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt