Seine Hand tastete sich durch die Dunkelheit. Nur Schwärze. Mit den Fingerspitzen traf er etwas. Kalt, aber lebendig. Er ergriff es, packte es fest und zog sich an ihm aus der Finsternis. Ein spitzer Schrei holte ihn gänzlich zurück.
Lloyd schlug die Augen auf und saß kerzengerade in seinem Totenbett. Er röchelte und konnte nur stoßweise Luft holen, als würde sich seine Lunge weigern, ihm beim Atmen zu helfen. Seine Hände zitterten und er fühlte sich schwach.
Er sah sich im Raum um. Nur einige Kerzen spendeten spärliches Licht. Er selbst lag auf einem Bett aus roten Rosen, gekleidet in goldene Grabgewänder. Sein Haupt, die Haare sorgsam gekämmt, trug die Krone.
„Da war... nichts." Er konnte kaum sprechen. Sein Mund war trocken. Jeder Atemzug schmerzte. „Da war... absolut gar nichts."
Dann fiel sein Blick auf einen vollkommen erschütterten Murasaki. War ihm etwa dieser Schrei entfahren?
„Was...", setzte er an, aber die Worte entsagten sich ihm. Die Frage, die ihm gerade noch so klar in Gedanken war, verschwamm nun hinter vielen, vielen weiteren. Alle liefen aber auf das eine hinaus: Was war geschehen?
„Murasaki?", brachte er hervor. Doch ein Blick in die Richtung des Erzählers verriet ihm, dass er auch nichts wusste.
Murasaki trat einen Schritt an ihn heran. „Ihr lebt?", fragte er ungläubig. Er setzte sich zu ihm auf das Bett aus Rosen. „Ihr atmet." Er legte seine Hand auf Lloyds Brust. „Euer Herz schlägt."
Lloyd war noch nicht ganz bei sich. Zu viel war geschehen, das er nicht verstehen konnte und das ihm wohl auch Murasaki nicht erklären konnte. Er bemerkte erst als es zu spät war, dass der Erzähler ihm das Totengewand aufgeknöpft hatte und auf die entblößte Haut starrte.
„Die Wunde ist verheilt", murmelte Murasaki und strich mit seinen schlanken Fingern an den Narben entlang, die als einziges Zeichen geblieben waren, dass dem König der Brustkorb aufgebrochen worden war. „Das ist vollkommen unmöglich."
Lloyd schob ihn von sich und bedeckte sich wieder. „Fasst mich nicht an", knurrte er.
Murasaki hob abwehrend die Hände und stand von dem Totenbett auf. „Wieder das blühende Leben, wie ich sehe. Bereit diese zweite Chance zu nutzen und als ein besserer Mann ein neues Kapitel aufzuschlagen. Mit Freundlichkeit und Charme all Eure Bärbeißigkeit hinter Euch lassen."
Lloyd schnaubte nur und unterbrach den Erzähler, indem er fragte: „Was macht Ihr hier?"
„Ich?" Murasaki legte in einer viel zu dramatischen Geste die Hand auf die Brust.
Lloyd verdrehte die Augen. Warum war der Erzähler nur die erste Person, der er über den Weg laufen musste?
„Ihr wart mehrere Wochen nicht mehr unter den Lebenden", sagte Murasaki, nun wieder ernst, als hätte Lloyds Reaktion tatsächlich eine Wirkung gehabt. „Ich habe mich gefragt, weshalb Euer Körper nicht anfängt zu verwesen und sich sogar heilt. Wollt Ihr wissen, wie Ihr aussaht, als man Euch auf dieses Bett gelegt hat?"
Lloyd schwieg. Es würde dasselbe geschehen, ungeachtet, ob er nicken oder mit dem Kopf schütteln würde.
Ohne auf eine Antwort zu warten, sprach Murasaki weiter: „Euer Brustkorb und die Rippen aufgebrochen. Die Organe hatten sie notdürftig zurück in Euren Körper gedrückt und dann versucht die Wunde zuzunähen und mit Verbänden und den Gewändern, so gut wie es ging, zu verbergen. Aber es hat kaum geholfen. Fünfmal musste Euch die Kleidung gewechselt werden."
„Das habt aber nicht Ihr übernommen, oder?" Er schüttelte sich bei dem Gedanken, dass der Erzähler ihn mehrfach aus- und wieder angezogen hätte.
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A King's Tale
FantasíaAls der Halbelf Lloyd für einen Auftrag in den Norden geschickt wird, ahnt er noch nicht, was er damit lostritt und welche Reise er bestreiten muss. Die Menschen sind die Bösen und die Elfen die Guten, so hatte er es gelernt, seit er ein Kind war. D...