Ich beschloss nicht sofort umzukehren und stattdessen einen anderen Punkt von meiner Liste durchzustreichen.
Gabriels, oder inzwischen mein eigenes Abteil, lag lediglich zwei Ebenen höher und bevor ich irgendwas mit ihm anfangen konnte (wie Leute zu empfangen), wollte ich es zuerst selbst inspizieren. Es wäre mehr als peinlich irgendwelche Fallen auszulösen, die Gabriel womöglich installiert hatte, oder versehentlich einen Wein zu servieren, der mit Gift versetzt war (vorausgesetzt Gabriel beherbergte Wein in seinem Abteil).Außerdem waren Naomi und Anjan zwei Kraftraubende Persönlichkeiten und mein Hunger hatte sich vervielfacht. Und vielleicht wollte ich auch einfach für einen kostbaren Moment unbeobachtet sein, weit weg von Augen die mich verurteilten und Münder die mich schlecht redeten. Nicht, dass ich viel darauf gab.
Im Aufzug drückte ich den Knopf für die höchste Ebene. Es überraschte mich kurz, dass ich nicht nach meinem Key-Schlüssel gefragt wurde, wie im Turm, um meine Identität zu überprüfen. Bis ich mich daran erinnerte, dass Naomi es ebenfalls nicht gebraucht hat. Die Türen schlossen sich mit einem leisen rattern und der Aufzug setzte sich authentisch wackelnd in Bewegung.
Zusätzlich zur Abwesenheit eines Scanners, fiel mir die Abwesenheit von Überwachungskameras auf und ich gab endlich dem Drang nach, meinen Nasenflügel entlang zu reiben. Naomis Anwesenheit hatte mich von vielen Abgelenkt und ich nutzte den Moment, meine Umgebung genauer in Augenschein zu nehmen. Und mich um meinen Juckreiz zu kümmern. Er linderte sich nicht sofort, doch mit dem leisen Ton des Aufzuges, welcher das erreichen meiner Ebene ankündigte, war er soweit gewichen, dass ich aufatmend aus der Kabine treten konnte.
Dieses mal in fester Erwartung von der erneuten Anwesenheit von Überwachungskameras. Doch wie auf Anjans Ebene und im Aufzug konnte mein Key-Schlüssel nichts spüren. Nicht nur das. Der im dunkel braun gehaltener Flur gab kein einziges Anzeichen von Elektrizität ab. Und kein Anzeichen von irgendeiner Verbindungsmöglichkeit. Mit gerunzelter Stirn hielt ich meine rechte Hand vors Gesicht.
Das Fehlen jedweder Verbindung zum Netz ließ mich fröstelnd zurück. Es fühlte sich wie ein Loch an, eine leere, die mir bis ins Mark ging und kurz glaubte ich wirklich, dass mein Key-Schlüssel sich irgendwie abgestellt hätte.
Ich blinzelte, riss mich mit einem Ruck zurück in Bewegung, weg von der Leere. Mit dem Key-Schlüssel war alles in Ordnung. Das Adergeflecht aus Schaltkreisen unter der weißen Oberfläche gab wie immer ein sanftes, fast unscheinbares Glühen ab. Das kühle Gewicht des Ringes war plötzlich überdeutlich auf meiner Haut, während ich meine Hand langsam wieder sinken ließ.
Ich musste mich in einem Funkloch befinden, beschloss ich. War das beabsichtigt?Es war eigenartig, dass gerade dieser Teil des Gebäudes nicht in ein Sicherheitsnetz eingepackt war. Gab es dafür einen versteckten Grund? Hätte Hades mir dann nicht davon erzählt? Meine Nase fing erneut an zu jucken. Ich lockerte meinen verkrampften Kiefer und ignorierte das Jucken, da die feine Haut auf meinem Nasenflügel sich noch wund anfühlte. Meine Nägel waren länger geworden und ich vorhin im Aufzug nicht gerade sanft zu mir gewesen. Ich überlegte kurz, Hades anzufunken, musste jedoch feststellen, dass der Key-Schlüssel nicht die geringste Reaktion von sich gab. Der kalte Schauer verstärkte sich.
Der Flur war nicht lang, vielleicht etwas kürzer als der von Anjan, aber dafür befand sich nur eine Einzige Tür hier. Kein Ort an dem sich jemand verstecken könnte. Neben der Tür leuchtete eine Gaslaterne, die einzige Art von Lichtquelle auf dieser Ebene. Nach dem sanften blauen Schein eines Scanners suchte ich vergeblich. Keine Anzeichen von Elektrizität, erinnerte ich mich.
Wie hoch standen die Chancen, angegriffen zu werden? Gering, entschied ich mich und ging auf die Tür zu.Trotz der Abwesenheit eines augenscheinlichen Scanners, tastete ich dennoch den Rahmen der Tür entlang, auf der Suche nach einem versteckten Mechanismus. Durch das abtasten und den Schein der Gaslaterne fiel mir auf, wie schlicht die Tür gehalten war. Das Holz war noch nicht einmal richtig poliert worden und fühlte sich rau unter meinen Fingerkuppen an. Das entsprach nicht im geringsten Gabriels Stil. Jedenfalls nicht, was ich von ihm kennen gelernt habe.
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Schachmatt - Das Endspiel (#4)
Romance"Ich bin deine Frau, deine Freundin und deine Geliebte, aber ich werde niemals deine Königin sein." "Wenn du nicht mein bist, wessen dann? Gabriels?" Ethan stieß das letzte Wort mit so viel Hass aus, dass der Raum sich augenblicklich kälter anfühl...