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Mia

Meine Hände fielen von ihm ab, als hätte ich mich verbrannt, ohne den Schmerz wirklich zu spüren. Nur ein leichtes, angenehm warmes prickeln. „Ich werde meinen Einkauf beenden."

Ethans Augen verfolgten mich, während ich zurück in den Laden ging. Vorbei an meinem verbliebenen Publikum, streifte ich mutlos Alistair und Jaswinda, die wie Öl als zwei Schemen an mir abglitten, und kam erst vor der Stange mit meinen Klamotten zum stehen. Neben ihr stand die Verkäuferin, die ihre Verwirrung zwar nicht ganz verstecken konnte, doch immer noch professionell lächelte.

„Miss, wollen sie ihre Kleider anprobieren, durchgehen, oder gleich mitnehmen", fragte sie im professionellen Ton.

Manche Menschen gingen in ihrer Rolle regelrecht auf, dachte ich. Und manche besaßen lediglich eine Contenance, für die man sie einfach beneiden musste. Diese Frau verschwendete möglicherweise ihr Talent an diesem Ort. Ich nickte ihr anerkennend zu. „Einpacken", sagte ich und ließ mich erneut auf das Sofa nieder.

Die Stange bog sich regelrecht unter dem Gewicht der Klamotten, weshalb es eine Weile dauern könnte, bis alles eingepackt war. „Packen sie ein Set separat ein", fiel mir noch ein, bevor sie sich zur Kasse bewegte. Ich würde Klamotten brauchen, in die ich wechseln konnte, sobald ich mich endlich von dem Dreck befreit hatte.

Als alles verpackt worden war, trat Alistair vor, und zückte eine Karte, und ich ließ ihn bezahlen. Das einzige Indiz meines Unwillens war ein kurzes Zucken meines rechten Mundwinkels. Jaswindas und meine Blicken kreuzten sich. Meine Angestellte hatte sich augenscheinlich wieder beruhigt und sie versuchte sich sogar an einem aufmunternden zunicken. Sie verstand, dass ich es nicht gerne sah, dass mein Mann für mich bezahlte. Nicht, dass er es nicht schon die ganze Zeit tat, doch
Inzwischen besaß ich meine eigene Finanzielle Absicherung.

Noch war der Zeitpunkt nicht gekommen das zu offenbaren, sagte ich mir im stillen und sah aus den Glasfenstern des Ladens... auf die leere Stelle an der ich Ethan zurückgelassen hatte. Mein Herz zog sich zusammen.

„V...v....vielen Dank für Ihren Einkauf." Das plötzliche stottern der Verkäuferin sorgte dafür, dass ich meine Sorge um meinen Mann für einen Moment bei Seite schieben konnte, um dem Grund dieses Stimmungsumschwungs auf den Grund zu gehen.

Weg war die Professionalität und an ihrer Stelle war ein blasses Gesicht getreten, welches Starr auf etwas in ihrer Hand starrte , die sie mir entgegenhielt. Alistair stand hinter ihr, vollgepackt mit Einkaufstüten und Kartons, Jaswindas und meiner neuen Garderobe. Er hatte das Ausmaß meines Einkaufes unterschätzt und hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, dass man mit vollen Händen keine Karte mehr entgegen nehmen könnte.

Die Kreditkarte, die jetzt mir entgegengehalten wurde. Ich nahm sie entgegen und musste selbst für einen Moment stutzen, bevor ich sie ruhig Jaswinda gab, die herbeigeeilt kam und sie in den Taschen ihrer neuen Leinhose verstaute.

„Vielen Dank für Ihre Hilfe, einen schönen Tag noch", verabschiedete ich mich, erhob mich und wartete kurz ab, ob die Frau zwischen ihren steifen Gesichtszügen noch etwas hervorbringen konnte. Sie konnte nicht. Es kümmerte mich nicht. Es kam schließlich nicht alle Tage vor, dass man eine Platine Karte in der Hand hielt, erst recht nicht mit den Namen Ethan und Mia Lockheart drauf.

Ein Partner Konto, als wären wir irgendein normales, verheiratetes Paar...
Wie sehr ich mir wünschte, dass es so wäre.

Dass ich meinen nicht normalen Mann mit meiner fehlenden Antwort auf seine Frage vorhin wirklich gegen den Kopf gestoßen habe, merkte ich erst, als meine Begleiter und ich das Einkaufszentrum wieder verließen. Am Straßenrand wartete eine Limousine auf uns, doch als ich einstieg, war der Innenraum leer. Ethan war mit einem anderem Wagen vorausgefahren.

Ich schluckte das bittere Lächeln hinunter. Und musste im nächsten Moment wirklich Lächeln, als ich Alistair laut fluchen hörte, während der Fahrer und er sich damit abmühten, die Einkäufe in den Kofferraum zu verstauen.
Er knurrte sogar kurz: „Pog Ma thoine!" was schottisch für „Küss mir den Allerwertesten" war.

Ein Ausdruck den ich nur kannte, weil ich in Queens meinen Vater aus irgendwelchen Bars hatte nach Hause schleppen müssen, wenn es einmal wieder ganz schlimm geworden war.
Ob er überhaupt noch lebte?

Der Gedanke kam mir seltsam nüchtern und schwer zugleich vor.
Ob Ethan über seine Familie genauso dachte? Er sprach nie von ihr.
„My Lady?" Ich zuckte bei Alistairs plötzlich naher Stimme zusammen. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie er die Tür geöffnet hat. „Wir wären soweit, zum Flughafen zu fahren. Ist alles in Ordnung?"

„Wie haben Ethan und du dich kennengelernt", rutschte es mir statt einer Antwort raus.
Mir war bewusst, dass er die gleiche kalte Schulter wie mein Mann verdient hat, doch vielleicht war das ein erster Schritt in Ethans Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die mir vielleicht helfen würde ihn zu verstehen. Es würde nichts an seinem jetzigen Verhalten ändern, aber vielleicht würde sie es mir mein eigenes einfacher gestalten.

Und vielleicht würde Alistair mir eine Sicht geben, die mir ein wenig Objektivität verleihen würde. Bevor ich dazu bereit war, Jaswindas Großmutter gegenüber zutreten.

„Ich möchte, dass du mir davon erzählst", setzte ich in ruhigerem Ton hinzu. Alistair zögerte, doch ich brach den Blickkontakt zwischen uns nicht ab, zwang ihn praktisch mit meinen Augen dazu, vor mir offen zu einer Entscheidung zu kommen. Nach Fünf Sekunden, ich hätte unbemerkt mitgezählt, stieg er zu mir auf die Rückbank. Mit dem Kopf signalisierte ich Jaswinda, die hinter ihm auf dem Gehweg gestanden hatte, vorne einzusteigen. Sie nickte kommentarlos und schloss die Tür.

„Was wollt ihr wissen, My Lady?", fragte Alistair. Und ich antwortete mit dem einem Wort, welches mir sofort ins Gesicht sprang. „Alles."

Schachmatt - Das Endspiel (#4)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt