"Beginne, deine Geschichte zu schreiben."Maman hatte mir einst ein Buch geschenkt, welcher deckel mit diesen Worten verziert worden war. Ich war mit meinen Kinderhänden die goldene, geschwungene Schrift nachgefahren und hatte mir dabei vorgestellt, wie es wäre, eine echte Autorin zu sein. Meine Geschichten zu Papier zu bringen und den Charakteren in meinem Kopf somit Leben einzuhauchen.
Ich hatte nie auch nur ein Wort geschrieben. Und die meisten Figuren und Abenteuer, die sich mein kindliches Gehirn ausgedacht hatte, waren lange vergessen. Es gab exakt eine Überlebende, die sich mit Verzweiflung an mich gehaftet hat und mich seit dieser Tage verfolgte.
Madame, so wurde sie von allen genannt, war eine hochgewachsene Frau, die eine einfache niedlichkeit an sich hatte. Es war die Art wie sie sich bewegte, die Tasse zum Mund führte, oder sich hinab beugte, um an einer Blume zu riechen, die andere in ihren Bann sogen. Madame war ästethisch, was sie sehr genau wusste. Und sie nutzte dieses Wissen, um schamlos das zu bekommen, was sie wollte.
Auch wenn sie ein von mir erfundener Charakter ist, habe ich mich nie mit ihr anfreunden können. Sie war kein Bösewicht im klassischen Sinne, alles was sie tat, war nur für sich selbst zu leben und danach auch zu handeln. Wollte sie ein Einzelstück haben, was bereits für jemand anderen vorgesehen war, so nahm sie es sich trotzdem. Wollte sie einen Mann, der jedoch nach begangenner Straftat ins Gefängnis geschickt werden sollte, so verhinderte sie dies und hielt ihm der Justiz vor.
Es waren Taten wie diese, die sie mir unsynpathisch und falsch gemacht haben.
"Wie lange noch, bis die Droge ihre volle Wirkung zeigt?", fragte ich Hades, Jaswindas Großmutter keine Sekunde aus den Augen lassend. "Es müsste jeden Moment so weit sein", kam die leise Antwort. Nach begangener Tat, hatte sich Hades ihr gegenüber gesetzt, die Beine Schulterbreit, die Ellenbogen auf die Oberschänkel abgestützt. Ab und zu hob er die Hand und rieb sich scheinbar unbewusst über die Narben in seinem Gesicht.
"Ich denke ich habe jemanden gefunden", sagte ich, die Stille nicht aushaltend. "So?" Ich riss meinen Blick lange genug von Jaswindas Großmutter los, um mitzubekommen, wie Hades Hände sich verkrampften. "Wenn wir genug wissen, dann wird alles reibungslos verlaufen. Und mit dir an ihrer Seite..." Ich ließ den Satz in der Luft hängen, stand auf, zog dabei eine Schublade am Schreibtisch auf und holte ein Tablett hervor, auf dem zwei Gläser balancierten und eine Flasche mit Bernsteinfarbener Flüssigkeit. Mit dem Tablett in der Hand, ging ich auf Hades Sofaseite zu, setzte mich neben ihn und stellte das Tablett auf den Tisch vor uns ab. Hades sah mich nicht an, während ich mich vorbeugte, die Flasche aufschraubte und mehr als zwei Schüsse in eines der Gläser einschüttete. Nicht sicher, ob Hades was wollte, ließ ich es ihm offen, sich selbst etwas einzuschütten.
Wann immer ich davon zu reden anfing, zog er sich zurück, schloss mich und den Rest der Welt aus. Dabei brauchte ich ihn bei guter Laune. „Es wird nur zu Anfang sein, danach übernimmt Jaswinda und du wirst ersetzt durch..." Ich dachte nach. Für Hades Finale Rolle habe ich noch niemand wirklichen gefunden. Einen Beschützer, jemand, der an ihrer Seite stehen und loyal bleiben würde.
Ich nahm einen tiefen Schluck und lehnte mich zurück. Sah zur alten Damen, dessen aufgeschriebenen Gedanken den Ursprung meines ganzen Handelns darstellte. Hätte Jaswinda mir damals nicht ihr Tagebuch mitgebracht... Ich ließ den Gedanken offen. Schon komisch, wie das Universum Personen in das Leben brachte, welche in der Lage waren, dein Leben zu verändern. Und sei es nur mich zu einer alten Frau zu führen, die etwas über meine verschwommene Kindheit wusste.
Sie saß schweigend, eingesunken und leblos da, keine Veränderung zu ihrem vorherigen Zustand. „Vielleicht wirkt die Droge -", begann ich, unterbrach mich jedoch sofort, als plötzlich der Kopf der alten Dame hochschoss und mit weit aufgerissenen Augen auf etwas starrte.
Ihre Augäpfel begannen sich dabei wie wild zu drehen. Bald darauf setzte ein Zittern in ihrem ganzen Körper ein. „Hades", doch Hades war bereits auf den Beinen und an ihrer Seite. Eine zweite Spritze in der Hand, in der sich ein Beruhigendes Mittel befand, welches dem plötzlichen Schock der Droge entgegenwirken sollte, so dass ein Herzstillstand ausgeschlossen werden konnte, und sie (hoffentlich) ungehindert sprechen lassen würde.
„Bist du nervös?" , fragte mich Hades plötzlich, während wir darauf warteten, dass das Beruhigungsmittel einsetzte. Die alte Frau wand sich immer noch, doch ihre Zuckungen schienen weniger geworden zu sein. Jedenfalls hoffte ich das.
„Nein." Ihr Tagebuch und ihr Gerede, als wir sie gefunden haben, hat mir bereits den größten Schock genommen. Der Rest, war nötig für die Feinarbeit.
„Meinst du, wir haben uns gekannt?" Ich sah zu Hades auf, der seine Augen auf die goldene Flüssigkeit in meinem Glas geheftet hat.„Nicht wirklich."
Das war die Antwort in meinem Kopf, nur das sie nicht aus meinem, sondern aus dem Mund der alten Dame kam.
Mein Kopf schoss so schnell in ihre Richtung, das mein Nacken knackte. Der kurze Schmerz war lediglich ein entferntes Echo. Ich wusste nicht um die genaue Zusammensetzung von Hades Drogen und Beruhigungsmix Bescheid, doch er schien seine Wirkung getan zu haben. Die Augen der Dame wirkten wacher als jemals zuvor, seit unserer kurzen, schmerzhaften Bekanntschaft, an die ich mich erinnern konnte.„Hades war als Kind nie wirklich da gewesen, nicht wahr." Ihr Blick glitt an mir ab und schwankte zu genannten.
In dem Falten durchzogenen Gesicht spannte es und ich sah Furcht, die sie selbst erheblich zu verwirren schien.Meine Finger krallten sich um das Glas in meiner Hand, als sie erneut den Fokus zu verlieren schien. Doch kaum, wo ich schon damit rechnete, wir hätten sie wieder verloren, kehrte sie zurück.
„Wo bin ich?"„In der Mojave Wüste", antwortet ich und sprach dabei absichtlich deutlich. Sie blinzelte unüblich oft. Um ehrlich zu sein, fühlte ich mich ein wenig wie in einem Film. Anscheinend hatte ich nicht wirklich erwartet, dass das Ganze funktioniert. „Die nächste große Stadt ist Las Vegas."
Sie schüttelte lediglich den Kopf und ich glaubte, es bezog sich auf ihr Unverständnis der genauen graphischen Lage dieses Ortes. Aber dann sagte sie: „Monsieur liebt das Spielen. Vielleicht ein wenig zu sehr."
„Sie erinnern sich?", fragte ich vorsichtig.
Daraufhin sah sie mich brüskiert an."Natürlich", stieß sie aus. Ich war froh, dass dieser Raum schalldicht war. „Immer hin musste ich ihn gestern noch davon abhalten, Madames Juwelen zu nehmen, weil er seine Ausgaben erneut bei einer Partie mit diesem elenden Lord Lockheart verloren hat. Ein Schuft in der Gestalt eines Gentlemen, mit einer Hexe zur Frau."„Wie bitte?" Mein Blick Schoß zu Hades und ich sah das gleiche Erstaunen auf seinem Gesicht wie er es auf meinem lesen musste.
„Baba Sol", sagte er langsam den Namen, den ich sonst nur Jaswinda hatte sagen hören (als sie in das brennende Haus hatte rennen wollen) „wann genau findet Madames große Garten Party zu der auch Prinzessin Diana geladen ist statt."
Die alte Dame kniff die Augen zusammen. „Aber Liviu! Du müsstest doch wissen dass die schon letztes Jahr war. Obwohl ich bald nicht mehr hören kann, wie Madame davon erzählt, wie Prinzessin Diana mit ihr getanzt hat."Mia, erklang Hades stimme in meinem Kopf. Liviu ist der Name meines Vaters.

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Schachmatt - Das Endspiel (#4)
Romance"Ich bin deine Frau, deine Freundin und deine Geliebte, aber ich werde niemals deine Königin sein." "Wenn du nicht mein bist, wessen dann? Gabriels?" Ethan stieß das letzte Wort mit so viel Hass aus, dass der Raum sich augenblicklich kälter anfühl...