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Ethan

Das ganze Theater für vier läppische Wörter, von denen er nicht wusste, wann er sie das letzte Mal ernsthaft gebraucht hatte. Sie waren so unbedeutend in seinem Leben, dass er nicht einmal sicher sein konnte, wann er sie überhaupt gelernt hatte. Spätestens als die erste Person ihn um sein Leben angefleht hatte.

Aber er selbst... nein. Sie schmeckten so fremd in seinem Mund, wie ein neues Gericht, welches er ausprobierte und welches ihm nicht unbedingt schmeckte.

Doch was machte seine Frau? Seine kluge, verrückte, kämpferische und neuerdings distanzierte Frau?
War das eine erneute Kampfansage an ihn?
Je eher sie begriff, dass sie keine Chance hatte, desto besser.

Und doch hielt ihn dieses Mal etwas zurück. Es war dasselbe Gefühl, das ihn erfasst hatte, als sie ihm eröffnet hat, sie würde zurück zur Schule gehen.

Mit einem einfachen nicken signalisierte er den Wachen das sie zurück fallen sollten. Das erste, was er in seiner Machtübernahme getan hatte, war sämtliche Security Unternehmen aufzukaufen und mit seinen Männern zu ersetzen. Über die Jahre hinweg hatte er sie einzeln mit unterentwickelten Key-Schlüsseln ausgestattet, welche lediglich limitierte Daten übertragen, jedoch grenzenlos welche empfangen konnten, wenn es nötig wurde.

Ein einfacher Befehl von ihm mittels Key Übertragung hatte gereicht, um Ihnen klar zu machen für wen sie arbeiteten. Er hatte nicht umsonst Jahre darauf hingearbeitet, sämtliche Sicherheitsunternehmen unter seine Kontrolle zu bringen.

„Mia?", fragte er ruhig, seine Frau genau inspizierend. Sie schien soweit in Ordnung, wieso auch nicht. Er war von Anfang bis Ende dabei gewesen, hatte beobachtet, wie die Schwangere seine Frau angesprochen hatte, hatte mitbekommen, wie Mia sich mit Ms, statt Mrs vorgestellt hatte, so weit keine Gewalt im Spiel, obwohl der letzte Punkt ihn beinahe dazu veranlasst hätte, aus der Deckung zu kommen.

Sie war Mrs Lockheart, und die Welt hätte sie gefälligst damit anzusprechen.

"Mir geht es gut", antwortete sie, halb ihm zugewandt, halb dem Paar. Sein rechtes Auge zuckte. Er wollte was sagen. Er wollte sie als Lügnerin schimpfen. Und doch, konnte er nichts von dem tun. Die Wut, die keine Wut war, verrauchte und zurück blieb eine einfache Klarheit, mit einer Spur Bitternis.

Er wendete sich dem Paar zu, bemerkte im Augenwinkel Mia sich anspannte (kaum sichtbar zwar, aber ihm entging praktisch nichts wenn es sie Betrag) und musste ein leises Schmunzeln unterdrücken. Er war über seine Reaktion selbst überrascht. Doch nicht bei weitem so überrascht, wie sie sein würde.

„Meine Frau hat sich entschuldigt", fing er mit dem ihm angeborenen, und von seiner Mutter eingedrillten englischen Charm an, „selbst wenn es in meinen Augen nicht dazu hätte kommen müssen, hat sie sich in aller Höflichkeit entschuldigt. Solltet ihr jedoch darauf bestehen, ihre Höflichkeit mit Unhöflichkeit zu erwidern, sehe ich mich gezwungen euch dieselbe Unhöflichkeit entgegenzubringen."

Die letzten Worte ließen ihn fast ersticken, in seinem Kopf hatte es einfacher geklungen, doch ausgesprochen sah er wieder vor sich, wie das Paar auf Mia herab gesehen haben. Einzig der kurzatmige, verblüffte Ausdruck auf dem Gesicht seiner Frau, nahmen die Schärfe seiner Haltung.

Der Mann verstand klugerweise sofort. Mehr noch, er schien begriffen zu haben, wer Mia Lockheart war und wen das aus ihm machte, ihrem Ehemann. Die Farbe wich aus dem Gesicht seines Gegenübers, aber er behielt seinen Kopf oben. Nicht aus Arroganz oder Mut. Nicht einmal für sich. Nein, er schob seine Frau subtil hinter sich, hob das Kinn und neigte den Kopf anschließend kurz in Mias Richtung.

„Wir werden jetzt gehen. Das böse Blut ist begraben." Damit drehte er sich um, und zog seine verwirrte Frau mit sich. Es war nicht das, was Ethan sich vorgestellt hatte, aber die Art und Weise wie er seine Frau an erste Stelle gestellt hat... erzeugten einen eigenartigen Respekt in ihm. Er sah zu seiner Frau, die dem Paar hinterher sah. Ethan verstand den Mann.

Doch als seine Frau sich zu ihm umdrehte, waren ihre Augen wie Türen aus Stahl. Nichts drang aus ihnen, und nichts drang in sie. Keine stumme Bitte um...

Er wusste nicht worum er bat. Verständnis war jedenfalls das letzte, denn das würde das letzte sein, worum er jemand anderen jemals bitten würde. Er tat was er tat aus einem eigenem Antrieb, aus seiner persönlichen Beobachtung der Situation. Kein Mensch hatte eins zu eins dieselbe Meinung, die gleiche Denkstruktur und, faktisch gesehen, hatte ihm Mia bereits deutlich gemacht, wie sie zu seinem Weltbild stand.

Er wusste nicht, worum er sie bat, er wusste nur, dass er das Leuchten in ihren Augen vermisste. Und dass er doch nicht umhinkam, den präsenten stählernen Glanz zugleich zu bewundern und als wunderschön zu sehen.
Bis jetzt hatte er nicht gewusst, dass es verschiedene Arten von Schön existieren konnten.

„Hör auf damit", flüsterte seine Frau plötzlich leise und sanfter, als der Ausdruck in ihren Augen vermuten ließ. „Womit?", fragte er, nicht um sie zu ärgern, sondern weil er es wirklich nicht wusste.
Mia trat einen Schritt vor, streckte die Hand aus und nahm seine Sonnenbrille ab. „Dein Blick", murmelte sie, während sie die Sonnenbrille in sein Haar schob. „Nur für diesen Tag, hör auf mich so anzusehen."

Er konnte nicht verhindern, dass seine Mundwinkel nach unten sackten. „Du meinst der letzte Tag, bevor du dich von mir abwendest?"
Er übertrieb nicht gerne mit Worten, doch es traf ihn erst jetzt, dass sie sich auf dem Weg nach Las Vegas befand, um zurück an die Schule zu gehen. Während er, wollte er wortwörtlich nicht einen unkontrollierten Krieg ausbrechen lassen, sich nach Europa aufmachen musste.

Er war zwar der Auslöser für all das, doch jetzt war es bereits viel zu Spät, als sich den auflösenden Staaten sich selbst zu überlassen, ohne dabei ein noch größeres Blutbad und Chaos anzurichten, als es ohnehin geschehen war. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er sein Ziel, bereits in der Hand hielt und die Frau vor ihm nur noch mehr Gründe gab, alles besitzen zu wollen.

Schachmatt - Das Endspiel (#4)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt