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Mia

Er war nur ein blendender Schatten hinter der Ladenfront. Eine Silhouette, namenlos und zwecklos. Ob Ethan so die Menschen um sich herum wahrnahm? Ausnahmslos?
Was war das für ein Leben.

Ich setzte mich in Bewegung, getragen von einer Wolke aus Menschlicher Asche. Bei der Ladentür drehte ich mich noch einmal kurz zum Ladenbesitzer um. „Setzten sie das Wechselgeld für die Bildung der Frauen in der Umgebung an, wir bleiben in Kontakt", sagte ich, mit der leisen Hoffnung, niemals auf diese Kontaktaufnahme zurückgreifen zu müssen.

Damit verließ ich die Tankstelle, trat nach draußen und atmete die heiße Wüstenluft ein. Es versprach ein klarer Tag zu werden. „Du hast dir ganz schön Zeit gelassen", sagte ich, mich dem unausweichlichen stellend.
„Hättest du mir gesagt, dass du abgeholfen werden wolltest, wäre ich früher gekommen."

Ethans Silhouette rührte sich nicht, also tat ich den ersten Schritt. Und denn nächsten. Und den nächsten. Bis ich geradewegs an Ethan vorbei lief, zum Wagen hinter ihm. Ich öffnete die Wagentür und glitt auf den mit schwarzem Leder überzogenen Rücksitz. "My Lady." Alistair tauchte aus dem nichts auf und beugte sich so weit herunter, dass sein Kopf in der Türöffnung erschien. "Brauchen sie irgendwas?" Ich blinzelte, sah hinab zu seinen Füßen, die in schweren, staubigen Stiefeln steckten. Normalerweise trug Alistair schwarze Anzugschuhe, passend zu seiner schwarzen Stoffhose und seinem weißen Hemd. Es war das erste Mal, dass ich ihn in Jeans und Stiefeln sah. "Gab es keine Möglichkeit, ihn aufzuhalten." Der Kopf des Schotten schnellte so schnell zurück, als hätte ich ihn geschlagen. Ich hatte leise gesprochen und dennoch schienen diese Worte eine eisige Stille über alles zu legen. 

"Mia", vernahm ich Ethans Stimme von draußen und ich vollendete rasch meinen Gedanken. "Musstet ihr gleich mit so vielen Wagen kommen?" Ich machte eine vage Bewegung mit meiner Hand, wobei mein Ehering einen Sonnenstrahl auffing und verschluckte. Schwarz absorbierte Licht, zog es in sich auf, bis es nimmer war. Die Idee gefiel mir, sie erschien mir wie ein toller Auftakt für ein Tragödie. Alistair hatte sich von seinem kurzen Schock erholt und neigte in einer entschuldigenden Geste den Kopf. "Seine Lordschaft hat darauf bestanden." 

Die andere Autotür auf der anderen Seite des Wagens wurde geöffnet und Ethan glitt zu mir auf die Rückbank. "Wie sonst hätte ich denn all unser Gepäck mitbringen können." Er griff nach meiner Hand und drückte einen seichten Kuss darauf. Bei dieser Bewegung stieg mir der Geruch von Rauch in die Nase. Meine Augen glitten kurz hinab, während ich meine Finger mit seinen verwebte. Er war winzig, kaum sichtbar, und doch stach mir der Ruß fleck so heftig in den Augapfel, als hätte ich mich gerade der prallen Sonne zugewandt. 

"Ich wüsste nicht, dass ich dir von meinen Plänen zu verreisen schon erzählt hätte", sagte ich, an an ihm vorbei zur Windschutzscheibe schauend. Jaswinda verließ gerade de Tankstelle. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment umkippen. Es war tröstend zu sehen, dass vielleicht doch noch etwas in ihr zurückgeblieben war. Gleichzeitig wallte ein Gefühl der Trauer in mir auf. 

"Mia, ich habe dich etwas gefragt." Ethans leise Stimme war bedacht neutral, doch ich konnte die Anspannung in ihr hören. "Entschuldige", sagte ich ruhig. "Was hast du gesagt?" 

"Ist das nicht offensichtlich?" 

Ich sah ihn an. "Du hättest mich auch nach dem Wetter fragen können." 

"Wann habe ich dich jemals nach dem Wetter gefragt?", stieß er aus. 

"Es gibt für alles eine erstes Mal."

"Mia." 

"Erste Dates. Erste Weihnachten."

"Mia." 

"Erste Reisen. Erste Dinners." 

 "Mia!" 

"Erste Trennungen."

Die Autotür auf meiner Seite schloss sich mit einem leisen klicken und schloss uns so von der Außenwelt ab. Ich warf einen kurzen Blick durch das getönte Fenster und beobachtete wie Alistair sich von uns entfernte und geradewegs auf Jaswinda zuging, die bereits gefasster wirkte. Das Gesicht zu einer blanken Maske verzogen. Sie hätte das weiß bemalte Gesicht einer Geisha tragen können, so wenig konnte man in diesem Moment in ihr lesen. Nachdem ich noch einen Moment wartete und sicher ging, dass Alistair aus unerfindlichen Gründen auf sie losging, wendete ich mich erneut meinem Mann zu. Wenn ich geglaubt hatte Jaswinda wäre unlesbar, so hatte sich Ethans gehauenen Züge zu einem Kunstbild einer Statue verwandelt. 

"Nun schau nicht so! Es werden nur ein paar Monate sein." 

"Monate?", fragte er einsilbig.

Ich nickte. "Ich habe beschlossen meinen Abschluss nachzuholen, im The Heavens." Ethan löste seine Hand von meiner und lehnte sich langsam zurück. "Wieso?" Da war er, der Moment auf den ich gewartet hatte. Der Moment, in dem aus meinem Mann der Geschäftsmann wurde, der Lord, der die Jahrelange Geduld besaß ein Imperium zu planen, der ganze Städte einnahm und der über Nacht ganze Dörfer niederbrannte. "Weil Bildung wichtig ist. Erst recht, wenn ich mit dir weiterleben möchte." Ethans Kopf neigte sich nachdenklich, ganz und gar nicht angetan von der Idee. Doch das musste er auch nicht sein. Er musste nur überzeugt sein, der Rest würde folgen. "Du hast den Menschen viel Leid zugefügt, dass kann ich nicht mehr ändern. Du hast ganzen Ländern ihre Sicherheit genommen und Bewohner in einer furchterregenden Ungewissheit gelassen, auch dass kann ich nicht mehr ändern. Aber ich kann was für ihre Zukunft tun." Ich hob die linke Hand und streifte seinen Ring von meinem Finger. "Ich kann nicht gegen dich kämpfen, da dass den Menschen nur noch mehr schaden würde... und uns." 

Ich legte den Ring zwischen uns ab. In dem Moment, in dem ich ihn loslassen wollte, schoss Ethans Hand vor und presste meine Hand erneut nach unten, so dass ich nicht den Kontakt zum edlen Metal verlor. Es blieb eine lange Zeit still, bis er leise sagte: "Diese Drohung wird nur dieses eine Mal funktionieren. Nur ein mal, Mia." 

Ich konnte nicht anders. Meine Lippen verzogen sich zu einem bittersüßem Lächeln, während ich fragte: "Was passiert beim nächsten Mal?" 

Ethan atmete schwer aus. "Beim nächsten Mal bringe ich die zu einem Juwelier, der sicherstellen wird, dass du diesen Ring nie wieder abbekommst." 

Ich schüttel sacht den Kopf. "Wir sind erwachsen, Ethan. Der Moment in dem ich diesen Ring ein zweites Mal ablege, werde ich mehr Mia Lockheart sein." 

"Ich weiß dass du dich niemals von mir scheiden würdest... oder könntest." 

Das war nicht, was ich mit meinen Worten hatte äußern wollen. Doch das würde er noch erfahren. 



An alle meinen Lieben Leser da draußen, vielen Dank. Ich bin mir meiner derzeitigen Unregelmäßigkeit bewusst, doch das Studium im Ausland ist hart und es kostet mich mehr Zeit ein Kapitel fertigzustellen, als ich ursprünglich angenommen hatte. Ich werde mein bestes geben, zurück auf geregelte Bahnen zu kommen, bis dahin möchte ich mich bei allen bedanken, die ich zu meinen Lesern zählen darf. 

Schachmatt - Das Endspiel (#4)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt