Zeit war nicht selten ein abstraktes, geradezu verschwimmendes Konstrukt, welches mir, öfter als mir lieb war, durch die Finger glitt, ohne dass ich es zu fassen bekäme. Ohne, dass ich wirklich sagen konnte: Ich habe das und das in dieser Zeitspanne erledigt. Oder Ich habe mir dann und dann bewusst frei genommen, um absolut nichts zu machen. Wenn ich nichts tat, ohne es mir bewusst vorgenommen zu haben, war die Zeit wie Wasser, welches Stromabwärts floss. Man konnte mit dem bloßen Auge nicht sagen, wie viel bereits in dem kleinem Teich am Ende des Stroms gelandet ist, nur dass es letztendlich mehr war, als angenommen.
„Du denkst zu viel nach", sagte Hades plötzlich in die friedliche Stille hinein, als hätte er meine Gedanken gehört. Wie üblich. Manchmal fragte ich mich, ob meine Gedanken wie das Schreien eines kleinen Kindes für ihn waren, laut, alarmierend und unmöglich zu ignorieren. "Vielleicht bin ich deshalb ständig ausgelaugt", erwiderte ich, den vernachlässigten und leicht angebrannten Pancake auf einen Teller zu seinen Vorgängern schiebend. Alle mehr oder weniger im gleichen Zustand. "Ich sollte noch mal anfangen", sagte ich etwas zerknirscht darüber, Hades Wunsch nach Pancakes auf diese Art und weise zu erfüllen.
Ich fing nicht von vorne an, dass wäre eine Verschwendung gewesen. Und Hades aß die Pancakes mit so viel bedacht, dass ich nicht daran zweifelte, dass er tatsächlich nichts an ihnen auszusetzen hatte. Er aß jeden Bissen, stellte den Teller in die Spüle und bedankte sich.
„Für jemanden zu kochen hat sich seltsam therapierend angefühlt, normal", erwiderte ich leise lachend, während ich dabei zusah, wie Hades den Teller wusch. In einem seltsamen Universum könnte diese Person mein liebevoller, respektierender Partner sein.
Ich drehte mich um und ließ den Gedanken stumm an mir abprallen. Ich hatte mir lediglich schnell was übergeworfen, als wir aus dem Bad gekommen sind. In meinem Zimmer zog ich mir etwas bequemeres als gestern über, ein dunkel grünes Strickkleid, wertete das Ensemble jedoch mit einer Kette aus schwarzen Diamanten auf.
Draußen wartete Hades bereits beim Aufzug auf mich.Eine Augenbraue hochziehend sah ich ihn fragend an. Die Schule fing erst in ein paar Stunden an. Mit schief gelegenem Kopf sagte er lediglich: „Jaswindas Großmutter?" Innerlich Kopfschüttelnd nickte ich. Erneut das schreiende Kind vor Augen (an mein Aussehen als Kind erinnerte ich mich nicht). Ich machte mir noch nicht einmal die Mühe im zu sagen, dass ich das gerade habe vorschlagen wollen. Wozu auch? Sein Auftreten am Aufzug hatte solche Gewissheit ausgestrahlt, dass man meinen könnte ich wäre Atlas und er den Berg xxx besteigen würde, um mich genau dort, den Himmel tragend, vorzufinden.
***
„Sie teilten mir mit, dass er gestorben ist."
Jaswindas Großmutter sah mit großen Augen zu Hades auf, während dieser ihr das Kissen zurechtrückte. Nach dem langen Morgen im Badezimmer, war mir das Penthouse auf einmal sehr klein vorgekommen. Trotz Hades harter Arbeit, hatte ich plötzlich überall Gabriel gesehen. Und meine Mutter. Obwohl ich das mit keinem Wort Hades gegenüber erwähnt hatte, hatte dieser Vorgeschlagen nach Jaswindas Großmutter zu sehen, welche zwei Stockwerke unter meinem eine extra Wohnung eingerichtet bekommen hat. Trotz der Vorteile, welche diese Nähe zu meinen Räumlichkeiten innewohnte, fühlte es sich nicht sicher genug an. Es wusste zwar niemand von ihrer Existenz, doch man konnte sich nie sicher sein.
Nachdem, was die alte Dame alles wusste, hätte ihr genauso gut eine Zielscheibe auf den Rücken malen können, indem ich sie hierher geholt hatte.„Liviu! Wie kannst du noch am Leben sein?", ihre Stimme klang nun fast schon empört. „Du bist umgekommen, nachdem ich mit angesehen habe, wie du Monsieur Rockefeller eine Kugel in den Schädel gejagt hast!"
„Ich bin ein Geschöpf der Unterwelt", erwiderte Hades ruhig. „Ich sterbe nicht." Die alte Dame überlegte kurz, bevor sie zustimmend nickte, als wäre das eine logische Erklärung. „Du warst schon immer sehr düster, du machst mir große Angst... aber noch mehr Angst habe ich vor ihm. Und dem anderen."
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Schachmatt - Das Endspiel (#4)
Romance"Ich bin deine Frau, deine Freundin und deine Geliebte, aber ich werde niemals deine Königin sein." "Wenn du nicht mein bist, wessen dann? Gabriels?" Ethan stieß das letzte Wort mit so viel Hass aus, dass der Raum sich augenblicklich kälter anfühl...