Mia
Was möchtest du von mir hören? Wonach suchst du genau?
Dieses mal zuckte Anjan angesichts meiner Stimme in seinem Kopf nicht zurück. Sattdessen drückte er die Schultern durch. Seine schwacher Moment schien vorbei zu sein. Ich fragte ihn, als ob ich nicht bereits wüsste, worin sein Kummer bestand. Doch, auf eine morbide Art und Weise war ich neugierig, ob er mir die Wahrheit sagen würde. Oder, was wahrscheinlicher war, mich kalt abservieren würde, mit dem erst besten, was ihm durch den Kopf gehen würde.
Erspare mir diesen Kitsch, Eure Hoheit.
Anjans Stimme fühlte sich wie eine dunkle, schwere Wolke an, die über meinen blauen Himmel zog und einen kalten Wind mit sich brachte. Es fröstelte mich und der Schweiß auf meinem Rücken fühlte sich eisig an.
So kann man es auch nennen, erwiderte ich trocken, nicht unbedingt an Anjan gerichtet, sondern rückblickend auf alles, was passiert war. Reinster Kitsch, eine Pharse, ein Theaterspiel voll von Diademen, Palästen und Gewalt.
Wie würdet Ihr es nennen wollen?
Die Betonung auf das Ihr legend, wusste ich, dass ich bei Anjan einen Nerv getroffen hatte. Einen tiefen Nerv. Ich überlegte. Der Auftritt von Naomie heute morgen, die toten Mädchen auf dem Rasen, Anjans Stimmung gestern, in seinem Abteil, sein Gesichtsausdruck, als ich ihm eins und eins vor Augen geführt habe und er sich zwei hat selbst zusammen reimen können. Das zwei bedeutete, dass ich sein neuer König war, hatte ihn sichtlich aus der Fassung gebracht, als wäre er nicht informiert gewesen.
Aber wenn sein Netzwerk schwächelte, wie hatte er dann dieses Video von Ethan gefunden? Wie hatte er die Verbindung zwischen Ethan und mir an erster Stelle knüpfen können? Das ganze Weiß der Eingangshalle fing an, mich zu blenden und ein unangenehmes Stechen in meinen Augen zu verursachen. Es fühlte sich an, als würde es mich wegen irgendetwas auslachen, was natürlich reine Einbildung war. Auch wenn Schmuckstücke anfangen konnten mit einem zu kommunizieren (meine Augen zuckten auf den Ring des weißen Königs an meiner rechten Hand), Farben blieben leblose Objekte.
"Ein Spiel, ich würde es ein Spiel nennen."
Meine Stimme wurde in einem schwachen Echo von den Wänden zurückgeworfen. Ich bildete mir ein, dem Weiß damit die Stirn zu bieten, obwohl es ihr Lachen und ihre unausgesprochenen Vorwürfe nicht zum verstummen brachte. Ich began, langsam die Treppe hinunter zu steigen. Im Moment hatte Anjan den Kopf so weit in den Nacken geworfen, dass es selbst von meiner Position aus unangenehm aussah. Meine Bewegungen fühlten sich nicht so elegant an, wie ich es gerne hätte und ich erwischte mich dabei, wie mein Blick immer nach rechts oder links zucken wollte, wo die Schule in große, glatt polierte Marmor Platten investiert hatte, welche meine Silhouette wage spiegelten. Das Kinn ein wenig reckend, fixierte ich meinen Blick auf Anjan und unterband damit das unnötige Zucken meines Kopfes. Äußere Einflüsse konnte ich schwer beeinflussen, aber ich war immerhin Herrin meiner innere Wahrnehmung. Weshalb ich mir sagte, dass es ok war, der gesamten Bandbreite von Anjans Blick ausgesetzt zu sein und mit jedem weiteren Schritt, den ich auf ihn zu tat, seinen Hass gegen mich zu spüren.
Bei allen Urmächten, Gabriel, Krishna, Amaterasu, Isis und wen es sonst noch an Göttern gab. Diese Augen waren wirklich hypnotisch und schienen wortwörtlich ein Fenster zu Anjans inneren zu sein. Da diese gerade deutlich den Wunsch zum Ausdruck gaben, mir Gewalt anzutun, sollte ich eine gewisse Nähe zu ihrem Besitzer aufnehmen, blieb ich sicherheitshalber drei Stufen über ihm stehen. In der Schule hatte meine Klassenlehrerin einst eine Vertrauensübung durchgeführt, in der einer die Augen schließen sollte, während eine zweite Person sich auf gerader Linie auf ihn zubewegt hatte. Die Person mit den geschlossenen Augen sollte stop sagen, sobald diese sich unbehaglich fühlte. Laut meiner Lehrerin, sollte diese Übung zeigen in wie weit man sich wohl in der Umgebung anderer Menschen fühlte, wo deine und wo seine persönliche Zone anfing und aufhörte. Ein Junge, ich erinnerte mich nicht mehr an seinen Namen, hatte erst stop gesagt, als die auf ihn zugehende Person Nase an Nase mit ihm stand. Sein Lachen, als er realisierte, dass er praktisch die gleiche Luft wie die ihm gegenüberstehende Person einatmete, hatte... warm geklungen. Er hatte grün braune Augen gehabt, fiel mir plötzlich ein (ohne die Hilfe des Ringes). An sich, waren sie nichts besonderes gewesen, doch ich fragte mich, was es wohl mit einem machen würde, Tag ein Tag aus in Augen zu sehen, die einem wärme und bedingungsloses (nicht naives) Vertrauen schenkten. Die Person, die auf ihm zugegangen war, war ich gewesen. Ich hatte Stoppen wollen, als ich lediglich zwei Schritte auf ihn zugegangen war, doch der Blick meiner Lehrerin hatte mich ermahnt, dass es nicht an mir lag, in jenem Moment Stopp zu sagen. Als der Junge seine Augen geöffnet hatte, hatte sich dieses Gefühl jedoch in Luft aufgelöst.
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Schachmatt - Das Endspiel (#4)
Romance"Ich bin deine Frau, deine Freundin und deine Geliebte, aber ich werde niemals deine Königin sein." "Wenn du nicht mein bist, wessen dann? Gabriels?" Ethan stieß das letzte Wort mit so viel Hass aus, dass der Raum sich augenblicklich kälter anfühl...