unzurechnungsfähig

2.3K 61 7
                                    

Kiara hat mich nach dem erfolglosen Treffen mit JJ schließlich zuhause abgesetzt. Meine Eltern waren wie erwartet absolut nicht erfreut und haben mich zu einer Woche Hausarrest inklusive Küche sauber machen jeden Tag verdonnert. Wütend darüber bin ich in mein Zimmer gerannt, bevor sie auch noch den Knutschfleck entdecken und es richtig wild wird.

Oben in meinem Zimmer lasse ich mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen und starre aus dem Fenster, wo ich das Meer sehen kann. Ein paar Fischerboote sind noch unterwegs, ansonsten ist es noch relativ ausgestorben.

Ich drehe mich ein wenig auf dem Stuhl und versuche krampfhaft, irgendwelche Erinnerungen an den gestrigen Tag zu bekommen. Aber keine Chance. Ich erinnere mich an absolut nichts.

Frustriert öffne ich mein Laptop und tippe wahllos auf den Tasten herum, bis ich schließlich mich erwische, die Outer Banks zu googeln.

Immerhin muss ich mich ja jetzt irgendwie beschäftigen. Etwas in mir schreit danach, die Jungs zu googeln, aber da weiß ich nur die Vornamen, also wird mich das nicht besonders weit bringen.

Dann fällt mir ein Artikel in die Augen, auf dessen Foto deutlich JJ's missmutiges Gesicht zu sehen ist.

Ich rutsche näher an den Tisch heran und lese interessiert.

„Ladendiebstahl, mal wieder?", lautet die Überschrift.

„Wieder einmal wurde der Jugendliche JJ Maybank, wohnhaft auf den Outer Banks, bei einem Ladendiebstahl erwischt. Er stahl am Samstagabend im Lebensmittelgeschäft Backwaren, Obst sowie einige Flaschen Bier. Maybank erhielt laut Polizei eine Strafe von Sozialstunden, da er vom Gericht als unzurechnungsfähig eingestuft wurde."

Ich schweige und starre auf das Foto. JJ hat einen kleinen Riss in der Lippe und sieht extrem trotzig aus, wenn man genau hinsieht.

Wieso stiehlt er Lebensmittel? Bekommt er zuhause nichts? Und wieso soll er unzurechnungsfähig sein? Braucht man dafür nicht ein psychologisches Gutachten?

Fragen über Fragen.

Ich klappe das Laptop zu und gehe direkt ans Fenster, grübelnd blicke ich hinaus und beobachte ein kleines Kind, das weinend dem Luftballon nachsieht, der über das Meer in den Himmel fliegt.

„Schon echt unmenschlich, mich an dem neuen Wohnort einzusperren.", keife ich meinen Teddybär an, der etwas zerzaust in der Ecke meines Bettes liegt.

Immer noch schnaubend gehe ich also ins Badezimmer, schrubbe meinen Körper unter der Dusche, bis er knallrot ist, wasche dreimal meine Haare, mache ein Peeling und rasiere meine Beine.

Nach der Dusche klatsche ich mir missmutig eine Algenmaske ins Gesicht, föhne meine Haare, bis sie mir glatt wie ein Blatt Papier über den Rücken fallen und bemerke dann, dass wieder erst eine Stunde vergangen ist.

Nicht nur ein bisschen, sondern extrem angepisst über das Verbot meiner Eltern, trample ich die Treppe nach unten, greife nach allen Müslipackungen, die ich besitze und baue mir eine Höhle aus den Sofakissen.

In die setze ich mich dann rein, öffne meine Kissentüre, um den Fernseher sehen zu können und schaue Reality-TV über asoziale Familien, während ich mir eine Müslischale um die nächste reinpresse und meine Eltern nur giftig ansehe, wenn sie einen Blick auf mich werfen.

Die verlassen dann schließlich auch das Haus, ich kann meine Mutter noch „Jetzt übertreibt sie aber", nuscheln hören.

Das kleine Kissen verfehlt sie leider, also schütte ich nur neue Cornflakes nach und ergebe mich meinem Schicksal.

Ich weiß nicht, wie lange ich in meiner Höhle vor mich hin vegetiere, aber irgendwann klingelt es an der Tür.

Wer klingelt denn bitte? Meine Eltern haben einen Schlüssel.

Wo sind die überhaupt?

Ich schlurfe zur Tür und reiße sie mit Schwung auf.

John B, Pope und Kiara stehen vor der Tür.

Mit Asia Take-Away Tüten, einem Sixpack Bier und mir persönlich viel zu gut gelaunt.

Ich starre sie nur an, Kiara legt mir einen Arm um die Schultern und flüstert mir etwas zu.

„Deine Eltern sind der Wahnsinn."

Ich ziehe meine Brauen so fest es geht zusammen und überlege, sie direkt in die Waschmaschine zu stecken, damit ihr Hirn wieder auf den richtigen Platz gewaschen wird.

„Deine Eltern sind im Wreck vorbeigekommen, mit den Worten, dass sie dich zu Hausarrest verdonnert habe. Allerdings sind sie so verschreckt über deine unterirdische Laune, dass sie mir gesagt haben, dass Hausarrest ja nur bedeutet, dass man zuhause bleiben soll. Ob jemand kommt... das läge ja auch nicht in deren Macht, weil sie die Fähre genommen haben und den Tag mit Bürokram auf dem Festland verbringen werden. Genau wie die Nacht."

Sie mustert mich von Kopf bis Fuß, wirkt ein wenig verstört über meinen höchste eleganten Joggingaufzug und lächelt mich dann an.

„So, jetzt mal dir mal ein Lächeln ins Gesicht, wir haben jetzt Spaß! JJ kommt nachher auch noch."

Dann wackelt sie an mir vorbei ins Haus, gefolgt von den anderen Beiden und lässt mich auf den Treppen vor der Haustür stehen.

„Wie soll ich denn Spaß haben, wenn Mr. Obercool auch noch kommt?", schreie ich verzweifelt ins Haus rein, schließe dann aber die Tür hinter mir und muss mich einem Schmunzeln beobachten, wie Pope und John B meine Sofahöhle direkt einnehmen.

Vielleicht wird es ja doch ganz lustig, mal sehen.

Zwei Stunden, ungefähr 20 Flaschen Bier, einmal Asia-Nachschub und ein Gang zum Supermarkt für Snacks später hängen wir zu fünft auf der Couch, völlig fertig mit der Welt und schauen ganz interessiert Teleshopping.

JJ ist auch da, er war etwas überwältigt von dem Haus, hat sich aber schnell gefangen und mich wieder böse angestiert. Ich habe ihm als Konter nur die Zunge rausgestreckt, zu mehr hat mein angesäuseltes Hirn es nicht gebracht.

Immer wieder bleibt mein Blick auf ihm hängen, das Wort „unzurechnungsfähig" schießt mir wieder in den Kopf.

Auf mich wirkt er ganz normal. Ein bisschen arrogant, eingebildet, frech, trotzig, „super-mega" cool und selbstverliebt vielleicht, aber sonst wirkt er nicht so, als hätte er Probleme.

Aber wer bin denn ich, um das beurteilen zu können.

Irgendwann steht er auf, huscht nach draußen und zündet sich auf der Terrasse einen – wer hätte es gedacht – Joint an.

Kiara sieht sofort zu mir.

„Das ist deine Chance! Los, bevor er wieder rein kommt!"

Ich ziehe die Brauen zusammen, aber auch John B nickt mir wild zu.

Schwerfällig erhebe ich mich von der Couch, tapse über den Boden zur Glastüre und schiebe sie auf.

Sofort liegt JJs Blick auf mir, alles andere als erfreut.

„Was willst du?", faucht er gleich und ich weiche einen Schritt zurück, erschrocken über seine Laune.

„Was ist letzte Nacht passiert?"


----

meine lieben, so kann das nicht weiter gehen.

ich habe irgendwie absolut keine Motivation, hier zu schreiben, das liegt aber nur an diesem blöden Liebeskummer, dem klassischen "was mache ich mit meinem leben"-Stress und so einer kleinen Sache namens Corona.

wie motiviert ihr euch, IRGENDWAS zu tun? immer her mit tipps.

in liebe, sabi

What We LostWo Geschichten leben. Entdecke jetzt