Touchdown

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Das hier ist das letzte Kapitel. 

Nun ist es an euch. 

Happy end?

Sad end?

Beides?

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Wie versteinert bleibe ich stehen. JJ bewegt sich ebenfalls keinen Zentimeter, aber ich kann sehen, wie sich seine Augen verengen.

Mister Swanson hat uns erreicht und bleibt stehen. Das nach wie vor amüsierte Zucken um seine Augen macht mich wütend. 

"Ich denke, ich muss nicht die große Bösewichtrede halten, oder? JJ, du kommst mit uns mit und Josy, dich sehen wir hoffentlich nie wieder."

"Ich werde keinen Meter mit euch mitgehen.", sagt JJ verbissen und verzieht die Augen, als Eduardo die Waffe fester in seine Haut drückt. 

"Du vergisst, dass ich den Finger am Abzug habe, nicht du.", flüstert ihm dieser schließlich auch zu. 

Ich sehe die Szene, aber meine Gedanken driften ab. Alles verschwimmt vor meinen Augen, ich habe das Gefühl, ersticken zu müssen. 

Ich finde mich wieder, am Strand, blutrotes Meer, untergehende Sonne. 

Der Duft von Marihuana. Ein Lagerfeuer. JJ, die anderen. 

Das ist mein Traum. Das das hier gar nicht passiert. Es ist doch nur ein Alptraum. Ich stehe gar nicht am Strand, umgeben von Waffen und Männern, mit denen man sich nicht anlegt. Ich bin doch gar nicht hier. 

Oder bin ich eher in Kanada? Umgeben von grünen Wäldern, in der Ruhe der Natur. An dem Ort, an dem ich nicht denken musste. Wo ich von dem Grauen dieser Insel nichts wusste. 

"Wieso wäre JJ tot, wenn Sie nicht wären?"

Ich bin hier. Am Strand. Der nasse Sand hat meine Schuhe durchgeweicht, doch mir ist nicht kalt. Der Wind weht in mein Gesicht, doch ich akzeptiere es. Kalte Wassertropfen durchweichen mein dünnes Shirt, doch es ist mir egal. 

Mister Swanson schaut mich verwundert an. 

"Wer sagt das?"

Ich blicke zu JJ. Er ist wie verwandelt, ich habe ihn noch nie so böse gesehen. Sein Gesicht wird immer wieder von Blitzen aufgehellt. 

"Ich.", knurrt er, dreht seinen Kopf und starrt Mister Swanson direkt an. 

Swanson kommt auf mich zu, nimmt mein Kinn in seine Hände und schaut mich an. 

"Du bist ein so hübsches Mädchen. So unschuldig. Wo bist du nur reingeraten."

"Das war nicht meine Frage.", zische ich. Woher ich plötzlich den Mut nehme, weiß ich nicht. Aber mir reichts. 

"Vor drei Jahren habe ich den kleinen JJ und Rafe in dem Haus gefunden. Rafe hat gesagt, er geht zur Polizei. Das konnte ich ja nicht akzeptieren.", sagt Eduardo plötzlich. 

"Wieso?"

"Weil es seine Männer waren, die das meiner Mutter angetan haben.", sagt JJ. 

Er sieht beinahe neutral aus. Als hätte er sein Schicksal mit der Waffe an seinem Kopf akzeptiert. 

JJ, halte durch. Dir wird nichts passieren, sage ich mir selbst. 

"Ich habe Eduardo damals einen Job angeboten, wenn er die Kleinen am Leben lässt. Er hat ihn angenommen. Seitdem arbeiten alle drei für mich. Win-win quasi."

Swanson hält inne. 

"Beziehungsweise nur JJ und Eduardo. Rafe hat seine Schuld anders abbezahlt."

"Sie haben kleine Jungs in ein Business gezogen, das sie kaputt gemacht hat, nur damit sie nicht von einem verrückten Drogendealer umgebracht werden? Die waren vierzehn, verdammt! Was ist falsch mit Ihnen?"

Ich bin kurz davor, mich auf Mister Swanson zu stürzen. Jeder Geduldsfaden ist gerissen. Wo bin ich hier gelandet?

"Ja.", sagt der alte Mann nur beiläufig. Es ist ihm völlig egal gewesen. JJ ist ihm völlig egal. 

Meine Gedanken switchen zurück zu dem Strand. 

"Was haben Sie mit Rafe gemacht?"

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass Rafe mir egal wäre. Er ist ein Teil meines Lebens. 

Mister Swanson bekommt einen komischen Ausdruck. Als würde ihn das selbst stören. 

Und ich bekomme langsam doch Angst. 

"Hast du dich jemals gefragt, wo Sarahs und Rafes Mutter ist?"

Ein widerlicher Verdacht macht sich in mir breit. Ein ganz widerlicher. Die Angst überrollt mich wie eine Welle. Ich beginne zu zittern. Spüre, wie Tränen in meine Augen fließen. 

Er hat doch nicht etwa....

"Nein.", sage ich. 

Mein Blick wandert zu JJ. Dieser starrt an einen nicht definierbaren Punkt über dem Wasser. 

"Sie hätte den Mordfall meiner Mutter untersucht. Seine Mutter war bei der Polizei. Eduardos Männer wären sofort gefunden und verhaftet worden. Das ganze Business wäre dahin. Swanson wäre ruiniert gewesen. Seine ganze Familie. Alles"

JJ sieht mich direkt an. Er hat denselben Blick drauf, wie damals im Flugzeug. 

"Rafe hat es wie einen Unfall aussehen lassen."

Ich sinke in meine Knie. 

Bleibe auf dem nassen Boden sitzen. Die Wellen sind plötzlich so laut. Das ferne Donnern wie Schläge auf meinen Kopf. 

Die Blitze wie Diskolichter, in denen man verrückt wird. 

Rafe hat seine eigene Mutter umgebracht. 

"Blablabla. JJ, du hast mein Vertrauen missbraucht. Auf dieses ewige Drama habe ich keine Lust mehr."

Swanson geht auf Eduardo zu, reißt ihm die Waffe aus der Hand, entsichert sie und drückt sie direkt in JJs Stirn. 

"Josy, sag Lebewohl. Ich habe keine Geduld mehr für keinen von euch."

"Hey! Fass ihn nicht an!"

Wie von der Tarantel gestochen fahre ich herum und sehe Rafe, wie er mit ebenfalls gezogener Waffe auf uns zukommt. 

Er zielt direkt auf Swanson. 

"Waffe runter oder ich drücke ab.", knurrt er. 

"Und wir beide wissen, wer von uns beiden in der Lage ist, jemanden umzubringen."

Seine Stimme klingt wie aus den Tiefen der Erde. 

Ich sehe, wie Eduardo von hinten auf Rafe zuschleicht. 

"Rafe!", schreie ich ohne nachzudenken. 

Stürze mich nach vorne. Will Rafe beschützen. JJ retten. Eduardo aufhalten. Swanson am liebsten ertränken. 

Doch ich schrecke zurück. 

Schüsse fallen. 

Es knallt. 

Zweimal. 

Hart, trocken. 

Meine Ohren fiepen unaushaltbar laut. Mein Herz scheint stillzustehen, als ich langsam auf meine blutbespritzen Hände blicke.



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