Tränen

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Lange verharre ich. JJ hält meine Hüfte immer noch fest, ich bin an ihn gedrückt, unsere Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt. Er sieht mir direkt in meine Augen, ich blicke zurück. Langsam und flach atmet er, ich habe das Gefühl, zu ersticken.

Meine Brust ist wie zusammengeschnürt, mein Bauch kribbelt wie tausend Ameisen. Ich weiß nicht, was ich fühlen soll. Was ich sagen soll. Wie ich es in Worte fassen soll, das Feuer, das in mir brennt.

„JJ...", flüstere ich leise, aber mein Satz verfliegt im Wind. Sein Ausdruck wird ein wenig verzweifelt.

„Nein, Josy, bitte sag das jetzt nicht...", wispert er, seine Stimme zittert. Er hat Angst, dass ich sage, ich hätte nichts gefühlt.

„Josy..."

Er legt seine Stirn an meine, atmet tief ein und aus. Sein Griff lockert sich. Dann lässt er los. Hebt den Kopf, sieht mich an. Er sieht so verletzt aus. Seine Augen schwimmen, als würde er gleich weinen. Seine Schultern sind nach vorne gesunken, er sieht klein aus, unscheinbar.

Ich stehe da und weiß nicht, was ich tun soll. Aus der Ferne dringt der Bass der Musik wieder zu mir, das Gelächter der anderen. Die Realität holt mich ein. JJ steht immer noch da und sieht mich an.

Jedoch ist jeder Schmerz aus seinem Körper gewichen, wie als hätte man einen Knopf gedrückt steht er aufrecht da, das Gesicht verbissen, die Schultern gerade.

„Auf Wiedersehen Josy. Viel Glück mit Rafe."

Er knurrt Rafes Namen. Abschätzig, abwertend.

Ich kann mich nicht bewegen. JJ dreht sich um und ist kurz davor, im Gebüsch zu verschwinden.

Dann endlich kommt Leben in mich. Ich gehe mit festen Schritten hinter ihm her.

„JJ!", rufe ich. Meine Stimme klingt aggressiv.

„JJ! Bleib stehen."

„Nein, Josy, du hast deine Wahl getroffen.", kommt es aus dem Waldstück, in das er geht.

„JJ du hast mich nicht mal reden lassen! Du hast direkt deine Entscheidung getroffen, ohne mich überhaupt anzuhören!"

Ich bin mittlerweile sauer. Stinksauer. JJ bleibt tatsächlich stehen.

„Josy, du stehst einfach nur da und schaust mich an! Was soll ich denn da denken?"

„Keine Ahnung, aber hab doch einfach mal ein bisschen Geduld. Und versuche mal, meine Lage zu verstehen."

„Deine Lage? Deine du bekommst alles was du willst Lage? Deine Nichts tun müssen und trotzdem immer Glück haben Lage?"

„JJ, das ist sowas von unangebracht! Ich kann doch auch nichts dafür, dass du hier lebst! Und dass du alles tust und trotzdem nichts kriegst."

Ich halte mir meine Hände vor den Mund. JJ entweicht ein süffisantes Lächeln.

„Autsch.", lacht er. Dreht sich um und geht weiter.

„JJ! Bleib jetzt stehen!"

Doch in dem Moment, in dem die Worte meinen Mund verlassen, höre ich eine andere Stimme, die meinen Namen ruft. Mir läuft es eiskalt den Rücken runter. Es ist Rafe.

„Josy, wo bist du?", ruft er.

Ich drehe mich viel zu schwungvoll um, stolpere und werde von zwei starken Armen davon abgehalten, in den Busch zu fallen.

Rafe steht da, neben der Feuerschale und starrt zu mir. Ich weiß ganz genau, dass JJ hinter mir steht und eine Hand an meiner Taille und eine an meinem Arm hat. Ich ahne Böses.

What We LostWo Geschichten leben. Entdecke jetzt