Midsommar

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Es ist Freitag. Es ist der 5.11.

Kein Anlass, aber ich hatte Lust, noch ein Kapitel zu veröffentlichen. Also bidde bidde:

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Ich denke jeder kommt in seinem Leben einmal an diesen Punkt, in dem man nicht mehr weiter weiß. In dem alles zu viel wird. In dem man einfach nur einen traumlosen Schlaf haben möchte, oder schreien möchte, oder weinen, oder einfach nur dasitzen und an die Wand starren.

Der Punkt in dem Leben, in dem man sich jemanden wünscht, der einem sagt, was man tun muss. Was man sagen soll, der einem die Worte in den Mund legt, der die Hände und Füße führt.

Die traurige Wahrheit ist aber, dass man in dem Moment meistens alleine ist. Mit der Situation irgendwie klarkommen muss, um nicht durchzudrehen.

Die Worte spielen sich immer und immer wieder in meinem Kopf ab. Ich weiß was sie bedeuten, ich kenne die einzelnen Wörter, ich kenne die Bedeutung der Wörter aber sie können sich für mich nicht zu einem Sinn zusammensetzen. Tief in mir schreit die Vernunft ebendiesen Sinn, sagt mir, dass ich am besten wegrennen sollte, aber der Rest meines Ichs ist genauso versteinert, wie ich sich mein Herz anfühlt.

Ich drehe mich um und suche nach der führenden Hand, nach dem Menschen, der mir jetzt hilft. Doch da ist niemand. Ich bin alleine.

Mama. Das einzige Wort in mir, dessen Bedeutung ich weiß. In mir macht sich eine Sehnsucht nach meiner Mutter breit, nach ihren warmen Händen, ihrer sanften Stimme, ihrem Geruch, dem Gefühl, das ihre Umarmung mir gibt.

Doch ich weiß, dass das nicht geht. Dass auch meine Mutter diese Worte nicht verstehen könnte. Und dass sie nicht wüsste, was sie tun soll.

Und dann kommt sie endlich. Die führende Hand. Ich bewege mich wie von alleine aus dem Zimmer, die Treppen nach unten. Aus der Haustür raus, zu meinem Auto. Starte es. Fahre los. Ich brauche kein Navi, ich weiß wohin ich muss.



Sechs Stunden zuvor



„Wenn Rafe dir blöd kommt, dann werde ich ihn schlagen."

„Nein, JJ, das wirst du nicht."

„Was willst du dagegen tun?"

„Ich werde dich schlagen."

„Kinky, gefällt mir."

„JJ."

„Josy."

Für mich ist das Thema abgehakt. JJ sieht das allerdings nicht so. Er hebt eine Braue und nimmt meine Hand.

„Nein, wirklich Josy. Wenn er dir zu nahe kommt, trete ich ihm sein Gesicht ein."

„JJ, er wird mir nicht zu nahe kommen. Ich habe euch alle dabei."

JJ nickt. Dann grinst er sein bekanntes JJ-Grinsen.

„Ich bin bereit für die Hölle des Löwen."

„Das heißt Höhle des Löwen."

„Eine Party voller Kooks kann nur eine Hölle sein, Darling."

Mit den Worten stolziert er aus dem Zimmer. Ich bleibe kichernd zurück. JJ geht es blendend. Mir geht es blendend. Es ist endlich alles gut. Endlich.

Er lebt nach wie vor bei uns, sein Vater ist seit einer Woche wegen Diebstahls im Gefängnis. JJ meinte, es würde ihn nicht interessieren, aber ich glaube, dass er Luke mehr liebt als er zugeben will. Auch wenn er so drauf ist.

Pope und Kiara sind fest zusammen, genauso wie Sarah und John B.

Und JJ und ich.

Bei dem Gedanken spüre ich, wie meine Wangen sich erhitzen. Ich bin wirklich Hals über Kopf in den verrückten Pogue verliebt. Seit Sarah uns auf der Yacht eingesperrt hat, ist alles bergauf gegangen. JJ hat sogar einen Job gefunden. Er hilft in der Kanzlei meines Vaters aus. JJ hat ein Händchen für Menschen und Häuser, wer hätte es gedacht. Er weiß, was die Leute wollen, was ihnen gefällt, und unterstützt sie bei der Wahl der neuen Heimat.

What We LostWo Geschichten leben. Entdecke jetzt