Patronen

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Hey People
Ich hab nicht viel zu sagen, aber hört euch mal von Childe - Two Thirds an.
Mega cooles Lied meiner Meinung nach.
Viel Spaß beim Kapitel.
Sabi
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Schwer atmend sehe ich den braunhaarigen Jungen an.

Die Sonne auf den Bahamas hat ihre Spuren hinterlassen, er ist dunkler, sieht beinahe gesund aus und seine Haare haben auch einige Strähnen bekommen.

Rafe steht da, starrt ungläubig auf mich herab. Schnell greife ich nach dem Buch und verstecke es hinter meinem Rücken.

„Was, zum Teufel verdammt, machst du hier?", fragt Rafe, seine Stimme klingt extrem sauer.

Ich zittere.

„Ich...das Gleiche könnte ich dich fragen.", rede ich mich aus seiner Frage raus.

Rafe zieht die Brauen zusammen und kommt einen Schritt näher. Sofort weiche auch zurück und stehe mit meinem Rücken direkt an dem Regal.

„Du...du hast dich entschieden, dich mit dem Pogue schmutzig zu machen. Dich geht es gar nichts an, was ich mache."

Seine Stimme zittert, seine Augenlider sind gerötet. Ich habe das Gefühl, dass mir das Herz aus der Brust springt.

„Rafe..."

„Hast du eigentlich einmal dran gedacht, wie es mir geht?"

„Ja, habe ich."

„Wieso hast du dann nie angerufen? Mir geschrieben?"

Mit jedem Wort wird er lauter, dreht sich um und läuft frustriert in den Raum hinein.

„Bin ich dir wirklich so egal?"

Schreiend greift er nach einer der Boxen, die in Regal stehen und wirft sie auf den Boden.
Ich sinke ein wenig in mich zusammen, um mich vor fallenden Gegenständen zu schützen.
Und dann starren wir beide auf den Boden. Auf den Inhalt der Box.

„Na sieh mal einer an."

Rafe geht in die Hocke und hebt eine der Tüten hoch. Diese ist randvoll mit getrocknetem Gras. Ansonsten liegen Pillendosen, kleine Stofftütchen und eine Schachtel auf dem Boden.
Rafe sieht sich alles ganz genau an.

„Dein kleiner dreckiger Freund ist wohl ein depressives, medikamentenabhängiges Arschloch."

Er sieht mich an und lacht.

„Benzodiazepine. Das Zeug wird dir im Krankenhaus gegeben, damit du ruhig bist."

Ich bin starr vor Angst. Was ist das für ein Zeug? Was ist in der kleinen Schachtel? JJ, was machst du nur?

Wie als hätte Rafe meine Gedanken gehört, öffnet er die Schachtel. Auf Samt sind dort drei Rasierklingen gebettet. Ich habe das Gefühl zu ersticken.

„Rafe..."

„Was, Josy?"

Er steht auf und kommt mir wieder näher.

„Ist doch klar. Nachdem was vor drei Jahren passiert ist...da wäre ich auch genauso am Arsch wie er."

„Was ist denn passiert?"

„Das kann nur er dir sagen."

„Rafe wir sollten hier weg."

Rafe hält inne. Dann nickt er.

„Ja, und du kommst mit mir."

Ich will protestieren, aber Rafe sieht mich so böse an, dass ich den Mund halte. Ich sehe ihm zu, wie er die Inhalte der Box wieder einpackt, sie unter seinen Arm klemmt und zur Tür geht. Was er dann sagt überrascht mich mehr, als ihn hier zu sehen.

„Ich werde das mitnehmen. Falls er wieder zurückkommen sollte, wäre es vielleicht ganz gut, wenn das Zeug weg ist."

Ich nicke leicht. Das schwarze Buch halte ich immer noch fest umklammert. Kann es sein, dass JJ Rafe nicht so egal ist, wie er immer sagt?

Rafe weiß von dem, was damals passiert ist. Rafe weiß über JJs Leben generell erschreckend gut Bescheid. Was verbindet die Beiden?

Langsam folge ich Rafe, beobachte ihn, wie er mein Fahrrad in den Kofferraum seines Wagens legt und mir die Tür öffnet.

Als ich einsteige, streift er leicht meinen Arm.

„Es hätte nicht so enden müssen mit uns.", flüstert er und ich halte inne, doch er wirft die Autotüre bereits zu.

Die Fahrt nach Hause verläuft schweigend. Ich lasse mich absetzen, verschwinde ohne ein Wort zu ihm zu sagen im Haus.

Meine Eltern wollen schon schimpfen, doch ich fliehe vor deren Worte und sperre mich in meinem Zimmer ein.

Kurz weiß ich nicht, was ich tun soll. Das Buch brennt an meinem Bauch, ich habe es mir in den Gürtel gesteckt. Zu gerne würde ich es lesen.


Aber ich habe Angst. Angst vor den Worten darin. Angst, dass JJ mich danach nie wieder ansehen wird.

Also greife ich nach dem Buch und schiebe es nach ganz hinten in meiner Schreibtischschublade.

Dann ziehe ich mir einen Pulli über den Kopf und klettere aus dem Fenster nach draußen. Steige in mein Auto und fahre zum Gefängnis.

Ich habe eine Idee.


Es war erstaunlich einfach, zu JJ zu kommen. Der Raum in dem wir sitzen ist klinisch rein, grau und kalt. JJ sitzt vor mir, gekleidet in orange und mit einer Schramme im Gesicht.

„Mein Vater ist auch im Gefängnis.", war seine kalte Antwort auf meine Frage, was passiert sei.
Er wirkt abwesend, einsam und müde.

„JJ, ich weiß, wie wir dich hier rausholen."

„Und wie?", er klingt gelangweilt.

„Ich komme früher oder später eh wieder her. Macht doch keinen Unterschied, ob sie mir die Spritze jetzt geben oder in zwei Jahren."

„JJ, du darfst so nicht denken...."

Doch ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll. Mein Herz schmerzt, als ich an das Buch denke, an seine Worte.

„Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll.", flüstert er.

„Alles ist so grau, so dunkel in meinem Kopf."

Ich würde ihn am liebsten in den Arm nehmen. Doch das darf ich nicht. Ich will ihn beschützen, ihn hier rausholen, mit ihm weglaufen.

„JJ, du hast nicht geschossen, oder?"

JJ hebt den Blick und sieht mich finster an.

„Und was wenn doch? Vielleicht bin ich ja wirklich das Monster, für das du mich hältst."

Ich vergesse zu atmen. Ich habe das gesagt, in Miami, zu John B. JJ hat es gehört.

„Ja, ich habe dich gehört mit John B. Ich habe alles gehört, was du gesagt hast."

„JJ, du musst verstehen, dass es für mich nicht leicht ist. Mein Freund sagt, er hat jemanden erschossen? Das betrifft nicht nur dich, sondern auch uns."

„Du klingst wie Rafe."

„Ja, aber es ist die Wahrheit. Du kannst nicht erwarten, dass das nichts mit mir anstellt!"
JJ schweigt. Sieht mich düster an.

„Ich will dir helfen..."
„Und wie?"

„Du hast nicht geschossen. Sag der Polizei, wo deine Waffe ist. Lass die Patrone abgleichen."

Bevor JJ antworten kann, wird die Tür geöffnet.

„Zeit ist um.", sagt die Polizistin und JJ erhebt sich schnell. Ich bleibe kurz sitzen. Spüre einen Schmerz, als ich JJs verletzten Blick sehe, bevor er um die Ecke verschwindet.

What We LostWo Geschichten leben. Entdecke jetzt