eine zirpende Grille

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„Shhhhhhh."

Völlig übertrieben drückt JJ seinen Zeigefinger in seine Lippen, sodass er einen roten Abdruck davon bekommt.

Ich presse meine Handflächen gegen meinen Mund, um nicht zu kichern.

Und völlig, wirklich nicht nur ein bisschen, sondern völlig in Zeitlupe bewegen wir uns zu dem kleinen Tier, das neben einer etwas kaputten Blumenvase auf der Veranda sitzt. Zirpend sitzt es da und zirpt.

JJ und ich sind relativ schnell nach der etwas unangenehmen Stille nach Hause zu ihm gefahren, sein Vater war nicht da und käme laut JJ auch für die nächsten Tage erstmal nicht.

Wir haben noch einen Joint geraucht und sind jetzt nicht nur high, sondern komplett zugedröhnt. Und diese Grille, die es sich neben uns auf der Veranda gemütlich gemacht hat, ist interessant.

Den Inhalt des Kühlschranks haben wir schon vernichtet, unsere Gesprächsthemen drehen sich um banale Dinge.

Aber ich muss zugeben, auch wenn mein Hirn etwas vernebelt ist, das Beispiel der Probleme zwischen den Pogues und den Kooks, das er genannt hat, geht mir nicht aus dem Kopf.

Die Frage, was mit seiner Mutter geschah auch nicht.

Ich habe das Gefühl, dass es hier Dinge gibt, von denen jeder weiß und die tot geschwiegen werden, damit keine Probleme entstehen. Oder das Problem ist, dass sie tot geschwiegen werden.

Außerdem trinken und rauchen alle, oder nehmen härtere Drogen, so wie Rafe. Der wirkt eh nicht, als wäre er ganz gesund. Er war einmal dabei, als ich bei Sarah gekocht habe mit ihr und er wirkte sehr komisch, zerstreut, nervös. Was mir auffiel war auch, dass er nie direkt geantwortet hat, wenn man mit ihm gesprochen hat. Er blickt erst immer in der Gegend herum, wie als würde er jemanden zuhören, der gar nicht da ist.

Mein Fazit: Jeden hier beschäftigt etwas, was er mit allen Mitteln versucht zu kompensieren. Und diese Mittel sind wohl irgendwelche Substanzen.

Mein Blick wandert zu JJ. Jetzt, wo er mit der Grille auf dem Boden spricht sieht er aus wie ein kleiner Junge. Ein kleiner blonder Junge, der seine Welt um sich herum beobachtet und in sich aufnimmt. Von dem aufgewühlten Teenager ist nichts zu sehen.

Wieder durchflutet mich Mitleid. Dabei will ich das gar nicht.

„JJ?"

Sein Blick hebt sich und erheitert sieht er mich an.

„Jaaa?", säuselt er und grinst.

„Bist du okay?"

Kurz zieht er die Brauen zusammen, doch das Grinsen bleibt.

„Ja klar!"

„Nein, ich meine, ob du wirklich okay bist? Ob alles in Ordnung ist."

Er schweigt kurz, anscheinend versteht er, worauf ich hinaus will. Er setzt sich anders hin, lehnt sich an die Wand an. Etwas Putz bröckelt hinab. Man müsste ihn mal erneuern. Man müsste hier generell alles erneuern.

„Offensichtlich nicht. Das hast du auf der Party bestimmt mitbekommen. Übrigens, hinterher schnüffeln ist uncool."

Ich schweige. Dann hat er es also bemerkt, dass ich ihm und Rafe hinterher bin.

„Was ist mit Rafe?", frage ich dann, um vom Thema abzulenken. JJ möchte anscheinend nicht drüber sprechen. Verstehe ich auch, immerhin kennt er mich nicht und wieso sollte er mir irgendwas sagen.

„Keine Ahnung. Rafe ist mir auch egal. Die sind mir alle egal."

„Auch Mia?"

Stöhnend legt er seinen Kopf in den Nacken.

„Mia, Mia, Mia. Denkst du wirklich, dass ich mich für die interessiere?"

Er sieht mich leicht lächelnd an, den Kopf noch immer im Nacken.

„Das ist alles Show, Baby. Sonst würden wir hier nicht sitzen. Wenn ich mich für jemanden entscheide, dann gibt es auch nur dieses Mädchen. Niemand sonst."

„Was für eine Show?"

Er greift nach einem Schraubenzieher, der hier einfach auf dem Boden rumliegt und fängt an, Dellen in die Holzlatten des Bodens zu drücken.

„Für ihren Daddy. Die Reichen haben alle einen Schaden. Und Mias Vater denkt, dass er sein Image aufpolieren kann, indem er – ich zitiere – „einen troubled Teen vom Cut" in sein Leben aufnimmt, damit die Kids von hier verstehen, dass sie nicht für immer so leben müssen. Mit der großzügigen Unterstützung der Reichen können nämlich auch sie aus dem Elend hier rauskommen. Und deshalb spiele ich brav den Freund für den Artikel, aber ich glaube Mia steht wirklich auf mich."

Ich muss kichern. Tut mir klar leid für sie, aber meine Eifersucht beruhigt sich ein wenig.

„Du bist nun mal der Bad Boy schlechthin. Darauf stehen Frauen.", sage ich mit neckendem Unterton.

JJ sieht mich an und fängt an zu grinsen. Dann erhebt er sich, kommt langsam auf mich zu. Stellt sich vor mich.

Ich sitze im Schneidersitz auf dem Boden, er steht da und hebt mein Kinn mit seiner Hand leicht an, sodass ich ihn von unten ansehen muss. Sein Blick hat sich verändert, er wirkt nicht mehr verspielt sondern eher düster, dominant.

„Stehst du auch auf Bad Boys?", raunt er und gibt ein wenig Druck, sodass ich aufstehe und Auge um Auge vor ihm stehe. Seine Hand verweilt an meinem Kinn, sein Blick lässt mich nicht los. Mir wird heiß und kalt zugleich. Bei Jonah habe ich nie so empfunden.

„Ich denke...", wispere ich, meine Stimme versagt. Langsam nähert er sein Gesicht, seine Lippen halten nur Zentimeter vor meinen inne. Ich spüre seinen Atem, seine Wärme und will den Abstand überwinden, doch er zuckt zurück.

Aus Angst, etwas falsch gemacht zu haben, öffne ich meine Augen wieder und sehe ihn an, doch er grinst nur leicht.

Er spielt mit mir.

Ganz leicht streifen seine Lippen meine, wieder küsst er mich nicht. Innerlich drehe ich durch, doch ich versuche stark zu bleiben, das Spiel spiele ich nicht mit.

„Darling, versuch es gar nicht erst. Ich gewinne eh."

Selbstverliebtes Arschloch, denke ich mir und überwinde den Abstand zwischen uns, drücke meine Lippen auf seine. Ich spüre, wie er lächelt, dann seine Hände an meiner Hüfte und wie er mich eng an sich zieht.

Bis wir unterbrochen werden.

„Was zum Teufel???"


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ich hab keine ausrede, dass solange nichts kam....

Aber TAUSEND Dank für eure Reads, Votes und Kommentare!!!!! außerdem haben wir schon über 2,5k Reads! wie cool ist da denn? ich stoße morgen auf euch an!

aber jetzt: gudde nacht und sweet dreams


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