Epilog

955 49 22
                                    

"Guten Abend, Mrs. Ashley!"
Ich verdrehte die Augen, während ich mich neben Gilbert auf das dunkle Leder seines Oldtimers fallen ließ.

"Wie oft muss ich dir noch sagen, du sollst aufhören, mich so zu nennen? Ich bin nicht mehr deine Vorgesetzte."

Gilbert grinste, während er mir dabei zusah, wie ich meine, gefühlt tonnenschwere, Aktentasche zwischen meine Beine auf den Boden quetschte.

"Entschuldigen Sie, alte Gewohnheiten lassen sich schwer ablegen." Ich lachte, Gilbert drehte das Radio auf und dann fuhren wir los.

Um diese Uhrzeit waren die Straßen Washingtons so voll, dass wir schon nach der ersten Abzweigung in einen Stau gerieten. Aber es machte mir nichts. Es war Sommer, es war Freitag und ich konnte mir niemand besseren als Gilbert vorstellen, um im Verkehr stecken zu bleiben.

"Wie geht's Ann?", fragte ich nach einer Weile, den Ellenbogen auf den Rahmen des heruntergelassenen Fensters gestützt.

Gilbert begann, über das ganze Gesicht zu strahlen. "Prächtig! Wir sehen uns morgen wieder. Schau mal!"
Er reichte mir sein Handy, damit ich das Bild genauer ansehen konnte. Eine etwas ältere Frau mit blonden, schütteren Haaren, lila geschminkten Augen und einem kirschroten Lippenstift lächelte mir davon entgegen. Nicht eins von Ann's besten Portraitfotos, aber dennoch nickte ich anerkennend.

"Rot steht ihr!"

"Ja nicht wahr?" Mit funkelnden Augen sah Gilbert selbst noch einmal auf das Display, bevor er es wieder wegsteckte. "Sie ist einfach umwerfend! Ich bin so froh, dass du mich damals zu diesem langweiligen Politikertreffen mitgenommen hast!"

Ich lachte. Das Auto setzte sich wieder in Bewegung. "Das sagst du mir jedes Mal, wenn du mich nach Hause bringst!"

"Und jedes Mal stimmt es!"

Wir brauchten noch gut 90 Minuten, ehe wir es aus der City in einen der kleinen Vororte Washingtons geschafft hatten. Als Gilbert den Wagen schließlich vor dem kleinen weißen Cottage zum Stehen brachte, lehnte ich mich zu ihm rüber und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
"Vielen Dank für's Fahren. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun würde!"

Er grinste. "Das sagt du jedes Mal,  wenn ich dich zuhause abliefere."

"Und jedes Mal stimmt es." Ich zwinkerte ihm noch einmal zu, dann hievte ich mich und meine Aktentasche aus dem tiefergelegten Wagen - was sich jedes Mal wieder als Herausforderung herausstellte - und ging dann, Gilbert zum Abschied winkend, die Auffahrt hinauf.

Als ich die Tür öffnete stieg mir ein unvergleichlicher Geruch in die Nase. "Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du deine Stiefel draußen lassen sollst?", rief ich ins Haus und musterte stirnrunzelnd die verdreckten Reiterstiefel, die umgekippt in der Eingangshalle lagen.

Ich hörte ein Rauschen, ein Poltern und ein gerufenes "'Tschuldige! Vergessen!" und ich musste grinsen.

Ich hatte gerade meine Schuhe ausgezogen und meine Jacke an den Haken gehängt, als er durch die Badezimmertür gestolpert kam - die Haare noch nass und nur in eine kurze Sporthose gekleidet.

"Entschuldige! Ich wusste nicht, dass du schon so früh zurück bist. Sonst hätte ich mich mehr beeilt."

"Passt schon, allerdings,“ Ich ließ meinen Blick einmal an seinem Körper hinunter und wieder hinauf wandern  „an den Anblick könnte ich mich zur Begrüßung glatt gewöhnen."

Tom lachte, dann nahm er mich in den Arm und gab mir einen Kuss. "Wie war's bei den Wirtschaftsheinis?"

"Ganz gut. Nichts spannendes passiert heute. Mehr Papierkram. Robert hat mich zum Mittag eingeladen. Das Essen war schrecklich."

Und die Nachtigall singt | Tom Holland ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt