Kapitel 17

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Ich verlor jedes Gefühl für Zeit, während wir in dem Sessel saßen. Unser Gespräch floss dahin, wie eine kleiner Bach, mal schnell, mal langsam, mal plätschernd, mal ruhig.

Er erzählt mir, wie es war im Schloss aufzuwachsen - mit den hunderten Bediensteten, die alles taten was man wollte -  dass er auf die harte Tour lernen musste, auf dem Boden zu bleiben und wie einsam er sich trotz der vielen Leute manchmal fühlte. Er erzählte von dem Druck, den er, als zukünftiger König, spürte, wie sehr er seinen Vater respektierte und dass dieser ihm als Vorbild diene.

Ich fand es besser über ihn zu reden, aber seine Fragen wurden immer hartnäckiger und dann erzählte ich ihm von mir. Von den Schwierigkeiten mit meiner Mutter, der Stille zwischen mir und meinem Vater, von meinem Wunsch, später als Wirtschaftsberaterin des Königs zu arbeiten.

"Es ist schwierig als Frau da Fuß zu fassen, oder?", seine sanfte Stimme umfing mich.

Ich bejahte, erklärte, dass ich mich eigentlich mit Festlichkeiten, Mode und dem gebührlichen Leben am Hof beschäftigen sollte. "Also, versteh mich nicht falsch, ich liebe all diese Dinge, die Bälle, das Tanzen, die Kleider und das Zurecht machen. Oh und nicht zu vergessen der Klatsch und Tratsch. Aber das sehe ich eher als ein Hobby und nicht als meinen Job."

"Ich finde du solltest es versuchen. Mehr noch, du solltest dafür kämpfen!", bekräftigte er mich. Ich nickte an seiner Schulter.

"Ich würde gern für den König arbeiten", gab ich leise zu.

"Mein Vater könnte sich glücklich schätzen." Kurz herrschte Stille zwischen uns, dann griff er nach meiner Hand und schlang seine Finger um meine. "Ich will dir ein Versprechen geben. Egal wie es in Zukunft mit uns aussieht, was das angeht kannst du immer, immer zu mir kommen und du kannst voll und ganz auf meine Hilfe und meinen Zuspruch setzten, okay?!"

Er sah mich ernst an und ich nickte. Grinste dann über einen lustigen Gedanken. "Bekomme ich das schriftlich?"

"Wir können es mit einem Kuss besiegeln, wenn du willst."
Ich sparte mir die Antwort, drückte meine Lippen auf seine, kurz und schnell und griff dann mit meinem kleinen Finger nach seinem. "Doppelt hält besser", sagte ich und zwinkerte.

Eigentlich wollte ich ihn dann wieder zu mir ziehen, aber er stellte seine nächste Frage. Wer meine Freundinnen wären, wie sie wären, was ich an ihnen schätzte. Ich erzählte von Lillian, von Victoria und Daphne.

Und von Layla und während ich über sie sprach, über ihnen guten Geschmack bei Kleidern, über ihre liebe, zurückhaltende aber herzliche Art, bereitete sich ein ganz komisches Gefühl in meinem Bauch aus.

Ich brach ab, sah aus dem Fenster, wo der Garten von der tief stehenden Sonne beschienen wurde.

"Was ist los?" Er stupste mich etwas an.

"Ach, nur..." Ich sprach nicht weiter.

"Komm erzähl!"

Am Anfang stotterte ich, hatte das Gefühl nicht die richtigen Worte zu finden, aber als er meine Hand drückte  –  mir zeigte, dass er  da war, mich nicht verurteilen würde, mich nur verstehen wollte –  da wurde meine Stimme fester.

Ich erzählte ihm, dass Victoria und Daphne sich zwar auch erhofften, er würde ihnen Aufmerksam schenken, aber ich den heimlichen Verdacht hegte, dass sie sich nur so verhielten, weil es von ihnen so erwartet wurde und nicht, weil sie ihn wirklich wollten.

Doch bei Layla war das anders. Wie ihre Augen jedes mal funkelten, wenn sie Tom sah, wie euphorisch sie nach diesem einen Tanz gewesen war. Schon als wir noch Kinder waren, hatte sie davon geträumt. Nicht davon Königin zu sein, sondern davon an seiner Seite durch einen Raum zu laufen oder mit ihm eine Tanzfläche zu eröffnen.

Während ich sprach entfernte ich mich körperlich immer mehr von Tom. Es fühlte sich nicht richtig an, ihm zu erzählen, dass eine meiner besten Freundinnen ernsthaft in ihn verliebt war und mich  gleichzeitig an seine Brust zu schmiegen.

Unsere Hände trennten sich nicht, aber ich setzte mich auf den kleinen Tisch und Tom schien vollstes Verständnis dafür zu haben. Dennoch beugte er sich im Sessel nach vorn.

"Ich kann ihr das nicht sagen Tom. Ich kann nicht, dass würde ihr das Herz brechen", endete ich.

Er fing an langsam zu nicken und ich sah, dass es in seinem Kopf ratterte. Dann veränderten sich seine Augen und es sah aus, als würde er noch mal etwas überdenken.

"Und wenn wir sie mit jemand anderem verkuppeln?"

"Was?" Diese Idee kam für mich vollkommen unerwartet, entsprechend perplex reagierte ich.

"Ja, ja, überleg mal!" Er wurde ganz hibbelig. "Wenn sie sich in jemand anderen verliebt, dann muss es für dich auch kein Problem mehr sein, es ihr zu sagen. Sie ist trotzdem glücklich und du musst nicht das Gefühl haben... ihr etwas weg zunehmen." Ich lachte kurz auf über die Wortwahl und ging das von ihm beschriebene Szenario noch mal in meinem Kopf durch.

"Das könnte wirklich klappen", sagte ich langsam, überlegend. "Und wenn du dich ihr Gegenüber auch noch ein bisschen..."

"... unangebracht verhälst...", führte er meinen Satz weiter.

"... dann entliebt sie sich bestimmt von ganz allein"
Ich beugte mich nun auch vor, schon richtig überzeugt von der Idee, doch dann fiel mir das große Problem auf.

"Und wen sollen wir bitte schön nehmen?" Ich sprach nicht aus, was ich noch dachte, aber er musste es in meinen Augen lesen können. Wer ist so umwerfend charmant, höflich, witzig und gut aussenden wie du?
Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen "Ich hätte da schon jemanden im Sinn."

"Der da wäre?", hackte ich nach.

"Harrison, Harrison Steward."

"Der Name kommt mir bekannt vor, aber ich kann da jetzt nicht wirklich ein Gesicht zu ordnen", gab ich zu. "Woher kennst du ihn denn?"

"Er ist meine Lillian, würde ich mal so sagen."

"Er ist schwul? Ja toll, Tom", sagte ich ironisch, "klar, lass uns ihn mit einer Frau verkuppeln."

Tom ließ meine Hand los und fing an herzhaft zu lachen. Er hörte gar nicht mehr auf.

"Was ist so lustig?" Irritiert sah ich zu, wie er sich langsam beruhigte.

"Nein, Harrison ist nicht schwul, er ist mein bester Freund, darauf wollte ich hinaus."

"Ach so." Ich schnaubte belustigt. "Okay, das habe ich wohl etwas falsch interpretiert."

"Ich glaube sogar, die zwei würden richtig gut zusammen passen", Tom war wieder ernst.

"Das lässt sich bestimmt auch leicht arrangieren" überlegte ich laut.

Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nur am Rande wahrnahm, dass Tom mich wieder zu sich, auf seinen Schoß zog. Wie von selbst setzte ich mich wieder so hin wie vorher auch.

"Wir zwei sind die perfekten Kuppler", raunte er, seine Lippen strichen über meine Schläfe.

"Wir?" fragte ich, es rutschte einfach so hinaus.

"Ja wir, wer sonst?", er klang verwirrt.

"Ja, nein, ich meine, wir als Paar?", stammelte ich. Seine Lippen hielten inne.

Das Schweigen, das sich daraufhin einstellte, war fast schon unerträglich. Ich wagte es nicht, ihn anzusehen, starrte lieber auf die Sehne an seinem Hals, die deutlich hervortrat, als er seinen Kopf bewegte.
Noch bevor er etwas sagen konnte, schüttelte ich wild den Kopf und sprang von seinem Schoß.

"Tut mir leid, tut mir leid, tut mir leid", stammelte ich, während ich ihm den Rücken zudrehte und mir durch die Haare fuhr. "Ich hätte nicht fragen sollen. Das war dumm. Das ist erst das zweite Treffen. Da ist es vollkommen klar, dass es noch nicht... dass wir noch nicht... Oh Gott, ich hätte die Klappe halten sollen!"

Ich ließ mich auf das am weitesten von Tom entfernte Sofa nieder und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. "Es tut mir so leid!", murmelte ich und zu allem Überfluss spürte ich, wie mir Tränen in die Augen schossen. Ich verfluchte mich dafür, aber das machte die Situation auch nicht besser.

Erst als seine Hand sich auf mein Knie legte, sah ich auf.

"Hey!" Er sah besorgt aus, eine tiefe Falte zog sich über seine Stirn. Sanft strich er mir über das Gesicht. "Du musst dich nicht entschuldigen! Es ist alles in Ordnung", sagte er leise.

"Es ist nur -", stotterte ich, darauf bedacht, nicht wieder etwas falsches zu sagen, "Ich hätte nicht- Es ist noch viel zu früh, um -"

"Findest du?"

Ich blinzelte. "Was?"

"Findest du das es zu früh ist?"

"Ich... ich weiß nicht... also..." Ich schluckte, dann sagte ich mit fester Stimme: "Nein. Nein finde ich nicht."

Er nickte, erst langsam, dann immer schneller. "Ich auch nicht."

"Heißt das...?"

Er schmunzelte. "Das heißt es." Seine Finger wanderten zu meiner Hand und verschränkten sich mit meinen. Schweigend lächelten wir uns an.

Die Uhr schlug neun. Verwirrt blickte Tom sich um. "Ist es schon so spät? Verdammt! Es ist ja schon dunkel!" Er sah mich etwas gehetzt an. "Meine Eltern wissen zwar, dass ich lang weg bleibe, wenn ich ausreite, aber so lang..."

Ich stand auf und zog ihn mit mir auf die Beine. "Dann solltest du dich wohl beeilen." Ich wollte ihn nicht gehen lassen. Es war so schön gewesen, die Zeit mit ihm und ich wollte nicht, dass es jetzt wieder vorbei war.

Aber ich musste vernünftig bleiben und mich zusammenreißen. Im Vorbeigehen rief ich ihm noch zu: "Du gehst zurück in mein Zimmer und ziehst dich an. Ich sage George Bescheid, er soll Mufasa fertig machen."

"Du hast dir den Namen gemerkt."

Ich drehte mich an der Tür um. "Auch ich war mal ein Kind."


Zehn Minuten später standen Tom, wieder angezogen, und Mufasa, fertig gesattelt, neben mir auf dem Kies vor unserem Anwesen. Tom bedankte sich bei George, der nur lächelnd abwinkte und meine Einladung, diese Nacht in Anbetracht der Uhrzeit doch bei uns zu verbringen, gern annahm.

Nachdem er verschwunden war, standen Tom und ich uns noch einen Moment zögernd gegenüber. Schließlich machte er den ersten Schritt und griff nach meiner Hand.

"Ich würde dich jetzt sehr gern mitnehmen", murmelte er und massierte leicht meinen Handrücken mit dem Daumen.

Ich drückte seine Hand. "Du weißt, dass das nicht geht."

Er verzog das Gesicht. "Wieso nicht? Was hält dich hier?"

"Das Gleiche, dass dich nach Hause zieht."

Er nickte bedächtig. "Pflichten."

"Verantwortungen", ergänzte ich ebenfalls nickend.
Er hob den Blick und ich verlor mich in seinem Braun. Schließlich zog er mich zu sich in seine Arme und küsste mich innig. Ich ließ mich gern darauf ein und sog jedes kleinste Detail auf. Damit ich es auch nicht vergessen würde, wenn er gleich davon galoppieren und für die nächste Zeit wieder verschwinden würde.
Nach einer gefühlten Ewigkeit löste er sich wieder von mir. Ein letzter Blick in seine Augen, dann wandte er sich ab und schwang sich schwungvoll auf Mufasas edlen Rücken.

"Haben Sie morgen schon etwas geplant, Mylady?" Er sah mich erwartungsvoll an. Ich stützte die Hände in die Hüfte und sah ihn schräg an.

"Das kommt darauf an. Was habt Ihr denn geplant, was ich vorhabe?"

Er grinste. "Ich hätte Sie gern morgen beim Empfang des US-Präsidenten dabei. Mit Ihnen gern auch ihre Bekannte Miss Layla Cunningham. Ich bin mir sicher, der Präsident, sowie mein Vater werden höchst erfreut sein, Sie beide begrüßen zu dürfen." Er zwinkerte mir verschwörerisch zu.

Ich war ein wenig überrascht von dem spontanen Vorschlag, weshalb ich nur fragen konnte: "Morgen schon? Bist du dir sicher?"

"Sicher bin ich sicher." Er klang mehr als zuversichtlich. "Wir sollten das Problem so schnell wie möglich in Angriff nehmen,  bevor es schlimmere Ausmaße annimmt."

Beachtlich schüttelte ich den Kopf. "Du bist wirklich der perfekte König."

"Und du die perfekte Königin."

Und die Nachtigall singt | Tom Holland ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt