Da meine Eltern nicht da waren, könnten wir problemlos durch die Flure gehen und ich wollte mich schon auf direktem Weg nach unten aufmachen, doch gerade als ich meine Tür erreicht hatte, viel mir auf, dass ich nur eine enge aber bequeme Jeans und eine schlichte Bluse trug. Zweifelnd drehte ich mich zum Spiegel um. Sollte ich mich noch mal umziehen? Aber er hatte auch nichts förmliches angehabt, oder?! Warum hatte ich nicht mehr auf seine Klamotten geachtet?
Innerlich verfluchte ich ihn dafür, dass sein Lächeln mich so völlig einnahm, dass ich auf nichts anderes achten konnte.
Schwungvoll öffnete ich meinen Kleiderschrank und - fand absolut nichts. Nicht, dass keine Kleider in meinem Schrank wären, nein, er war gut gefüllt, aber nichts schien mir passend. Und unten stand der Prinz und wartete darauf, das ich nach unten kam.
Gut, dann würde er schon mal wissen, wie seine Zukunft aussah, falls... ein fettes Grinsen, dann würgte ich den Gedanken ab.
Also schloss ich meinen Schrank wieder und wollte gerade los flitzen, als -
"Mascara", summte ich vor mich hin und sprang zu meinem Schminktisch. Mit geübten Bewegungen schminkte ich meine Wimpern, betrachtet kurz mein Spiegelbild. Zufrieden nickend wandte ich mich ab und flitzte, dieses mal wirklich, die Treppen hinunter zu unserem Salon, dessen Türen in den Garten führten.
Wie erwartet stand der Prinz vor den Flügeltüren, den Rücken zu mir gedreht. Unvermittelt blieb ich stehen. Es wäre eine Schande, diese Aussicht nicht zu genießen.
Mein Blick glitt über seinen Rücken, bis hinunter zu- Oho, der konnte ja sogar mir Konkurrenz machen, dachte ich noch, da drehte er sich um. Sofort sah ich wieder nach oben.
Oh Gott, hoffentlich hatte er nichts gesehen, quietschte eine Stimme in meinem Kopf aber ein Blick in sein Gesicht und all meine Gedanken waren vergessen.
Er lächelte, seine Hand fuhr in seinen Nacken und er deutet auf die Türklinke.
Und wie ich ihn rein lassen würde und dann, sobald keine Tür mehr im Weg sein würde, dann würde ich noch was ganz anderes mit ihm machen. Ich bis mir auf die Lippe. Aber vorher, da würde er noch ein bisschen Leiden müssen. Ein ganz kleines bisschen.
Ich sah ihn wieder an, legte meinen Kopf zur Seite und tippte mit meinem Zeigefinger gegen mein Kinn. Und dann bemerkte ich, dass ich das Vogelgezwitscher hören konnte, demnach musste er mich auch hören können, wenn ich was sagte.
"Sag mal Tom, was würdest du alles dafür tun, dass ich dich rein lasse?", fragte ich scheinheilig und ging ganz langsam auf ihn zu.
Er zog eine Augenbraue nach oben, spielte dann aber mit. "Alles was Sie wollen, Mylady."
"Nun, dann will ich Sie auf Knien betteln sehen." Ich blieb direkt vor der Tür stehen und legte eine Hand aufs Glas.
"Muss das wirklich sein?" Er sah mich etwas widerwillig an.
"Du musstest wohl noch nie um etwas betteln, Prinz." Das letzte Wort sagte ich etwas ironisch. "Kann da jemand etwa nicht über sich selbst Lachen?"
"Welch Unterstellung, natürlich kann ich über mich selbst lachen!"
"Beweis es", forderte ich ihn auf und funkelte ihn herausfordernd an.
Er seufzte einmal tief, dann legte er seine Hand an meine, getrennt durch das Glas, ging in die Knie, seine andere Hand auf seine Brust gedrückt. Dann senkte er den Kopf kurz und als er wieder zu mir hoch sah, war sein Blick voller Qualen.
"Ashley, bitte, ich flehe dich an." Seine Stimme hatte die perfekte Balance zwischen rau, gequält und bettelnd und eine Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus.
"Lass mich rein. Ich ertrage keine weitere Stunde ohne dich. Ach, was heißt Stunde, keine weitere Minute, keine Sekunde. Alles in mir verzerrt sich nach dir. Nach deinem Lachen, nach dem Geruch deiner Haut, nach deinen Lippen." Das Leid in seinen Augen sah so echt aus, dass ich es sofort bereute. Gleich nachdem er seinen Blick wieder gehoben hatte, hatte sich mein Herz verkrampft, aber seine Worte brachten mich fast zum weinen.
Sobald er geendet hatte, griff ich nach der Klinke, drückte sie hinunter, zog die Tür auf, legte meine Hand an seine Wange, zog ihn zu mir hoch. Sofort legten sich seine Hände um mich, ich lehnte mich gegen ihn, meine andere Hand an seiner Schulter.
"Wenn ich gewusst hätte, dass du solche Qualen leidest, dann hätte ich dich gleich reingelassen", murmelte ich.
"Bitte, erlöse mich." Sogar jetzt lag noch was gequältes in seinen Ton und ein unüberhörbares Flehen, obwohl seine Augen schon wieder belustigt funkelten.
"Nichts lieber als das", und dann stellte ich mich auf Zehenspitzen, zog ihn ein Stück zu mir und dann trafen seine Lippen auf meine.
Wie oft hatte ich davon geträumt? Wie sehr hatte ich mich danach gesehnt? Wie sehr hatte es mich verzerrt?
Doch jetzt lagen seine Lippen auf meinen, weich und sanft und süß und es schien, als wären wir nie getrennt gewesen. Wir lösten uns wieder voneinander und wieder trafen sich unsere Blicke.
Er lächelte. "Endlich."
Ich antwortete nicht, ließ meine Hand nur langsam seinen Arm hinuntergleiten, bis ich meine Finger mit meinen verschränken konnte. Ich lehnte mich gegen ihn, den Kopf an seinem Schlüsselbein gelegt und schloss die Augen. Seine Hand legte sich auf meinen Rücken und sein Atem strich an meinem Ohr entlang, als er seufzte.
"Ich habe dich vermisst", flüsterte er, ganz leise, aber ich hörte ihn trotzdem. Seine Stimme war das einzige, was ich hörte, er das einzige, was ich im Moment wahrnahm.
Die vielen schlaflosen Nächte der vergangenen Woche hatten in mir die Angst heranwachsen lassen, dass er es nicht ernst gemeint hatte. Dass es nicht so sein würde wie an diesem Abend, nicht mehr so echt, so herzlich. Doch jetzt, wie ich in seinen Armen stand und seinen einmaligen Geruch einatmete, erschien mir diese Sorge so nichtig wie nichts zuvor.
Das Kribbeln war wieder da, genauso wie die Schmetterlinge, die Gänsehaut bei seinen Berührungen und das Verlangen, ihm immer und ständig in seine wunderschönen Augen sehen zu können.
Ich lehnte mich zurück und lächelte ihn an. "Ich dich auch. Ganz schrecklich!"
Wir lächelten uns noch einen Moment an, dann sah Tom über seine Schulter nach draußen. "Euer Gärtner hat ganz schön komisch geguckt, als ich angekommen bin."
Ich kicherte. "Ich glaube, an königlichen Besuch wird der arme George sich nie gewöhnen."
"Ich glaube, ich war nicht derjenige, der ihn zum Staunen gebracht hat."
Ich zog fragend die Augenbrauen zusammen. "Wer denn sonst?"
Als Antwort wurde ich von ihm durch die Tür auf den Kiesweg neben dem Haus gezogen. Er deutete auf George, der gerade dabei war, einen riesigen schwarzen Hengst in Richtung unserer Ställe zu führen.
Mir stand der Mund offen. "Du bist her geritten?" Ungläubig starrte ich ihn an. "Wie lang warst du denn bitte unterwegs?"
"Nicht so lang. Höchstens eine Stunde." Er warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu. "Mufasa ist schnell. Außerdem mussten wir uns nicht an das Straßensystem halten, das hat auch etwas Zeit eingespart."
"Mufasa?" Ich zog eine Augenbraue nach oben, aber Tom zuckte nur mit den Schultern.
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Und die Nachtigall singt | Tom Holland ff
FanfictionAshley Maria Barthon ist eine der wenigen - wenn nicht sogar die Einzige - die sich ihr Leben als englische Adelstochter sicher anders vorgestellt hat als der Durchschnitt. Tee mit anderen Hofdamen im fein geschmückten Salon, königliche Bälle mit M...