Kapitel 17 oder die Sache mit dem Schlaf

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Stunden später lag ich in Kenmas Wohnzimmer auf einem Sofa und versuchte, das Pfeifen von Kageyamas Atem zu ignorieren. Es machte mir Sorgen, dass er so klang und obwohl ich müde war, wollte der Schlaf nicht kommen.

„Hey Kageyama", flüsterte ich.

„Hm?", kam seine schläfrige Antwort.

„Bekommst du gut Luft? Wie fühlst du dich?"

„Nicht so gut", sagte er leise.

Wortlos stand ich auf und setzte mich ans Fußende der Couch, auf der er lag.

„Setz dich hin", befahl ich und zog derweil seine Tasche auf meinen Schoß. „Atme durch die Nase ein und dann durch den Mund so wieder aus."

Ich machte ihm die Lippenbremse vor und er tat es mir so gut es ging nach, während ich den Inhalator suchte. Als ich ihn gefunden hatte, drückte ich ihn ihm in die Hand.

„Ich hole dir etwas zu trinken, ja? Ich bin gleich wieder da."

Er nickte stumm und atmete konzentriert weiter.

Als ich aus der Küche zurückkam, ein Glas Wasser in der Hand, und ihn auf dem Sofa sitzen sah, wurde mir das Herz schwer. Eigentlich sollte er doch genau wie Bokuto auf dem Platz stehen und sich bejubeln lassen. Stattdessen kämpfte er jetzt weit nach Mitternacht darum, Luft zu bekommen.

Vorsichtig leitete ich ihn an, den Inhalator zu benutzen und ließ ihn dann ein wenig Wasser trinken.

„Ist das bei dir immer so?", fragte Kageyama irgendwann.

Ich zuckte mit den Schultern. „Manchmal."

Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und rieb im Rhythmus seines Atems mit dem Daumen darüber. Es dauerte eine Weile, bis das Pfeifen endgültig aufhörte und Kageyama schließlich sagte: „Jetzt ist es besser."

Ich entspannte mich ein wenig und ließ mich mit dem Rücken in die Polster sinken. Das war schon das zweite Mal innerhalb weniger Tage, dass Kageyama so um Luft hatte kämpfen müssen. Am liebsten hätte ich ihn zum Arzt geschickt.

„Bekommst du deine Tage wegen dem Asthma nicht?", fragte er plötzlich. Zum Glück konnte er nicht sehen, wie ich rot anlief.

„Nein, ähm", ich räusperte mich verlegen, „das ist, weil ich zu dünn bin. Das letzte Mal hatte ich sie vor", ich musste einen Moment überlegen, „vier Monaten. Glaube ich, vielleicht waren es auch fünf."

Kageyama runzelte die Stirn, das konnte ich selbst im spärlichen Licht sehen. „Bist du so dünn, weil du es sein möchtest?", fragte er schließlich.

Ich zuckte mit den Schultern: „Nicht wirklich. Viele Asthmapatienten sind untergewichtig, weil viel mehr Energie beim Atmen verbraucht wird."

Für Leute ohne Asthma war es schwer vorstellbar, dass Atmen so anstrengend sein konnte und ich hatte mir auch schon öfter Mal dumme Kommentare deswegen anhören müssen. Ich musste eine kurze Pause einlegen, um den Rest über die Lippen zu bringen: „Nachdem ich die Diagnose bekommen habe, fiel es mir eine Zeit lang schwer, Freude an irgendwas zu finden. Ich war schon immer schnell aus der Puste gewesen, aber als ich dann wusste warum, kam es mir einfach so unfair vor. Warum ich und nicht jemand anderes?"

„Hast du deshalb weniger gegessen? Weil du traurig warst?"

„Das hat bestimmt auch dazu beigetragen, ich weiß auf jeden Fall noch, dass es eine Weile gedauert hat, bis die Medikamente richtig eingestellt waren und in der Zeit war ich ständig müde, wütend und ich hatte einfach keinen Hunger."

„Und der Hunger ist danach nicht wieder gekommen?", fragte Kageyama vorsichtig.

Das war etwas, worüber ich nicht gerne sprach, weil der Ratschlag der meisten Leute war, ich solle einfach mehr essen. Aber das half genauso wenig, wie wenn mir jemand sagte, ich solle einfach normal Atmen.

Herzbube ✔ [Kageyama Tobio, Haikyuu!]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt