Kapitel 11 oder die Sache mit dem Flicken

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Ich hatte in den letzten Stunden sehr oft gehört, dass ich furchtbar aussah, aber als ich mich im Spiegel betrachtete, fand ich mich eigentlich nicht allzu entstellt. Klar, meine Nase verschwand fast vollständig unter einer Gipsschiene, aber wenigstens konnte man so nicht sehen, was darunter lag.

Man hatte im Krankenhaus nicht lang gefackelt, mir eine lokale Betäubung gegeben und dann meine Nase wieder in Position gerückt. Leider merkte ich von dem Effekt der Spritze inzwischen nichts mehr; meine Nase war der Quell eines pochenden Schmerzes und fühlte sich gleichzeitig dick wie eine Kartoffel an.

Keine angenehme Kombination.

Herr Takeda hatte mich, nachdem die Ärzte mit mir fertig waren, zu Kageyama nach Hause gefahren und ich hatte versucht, mich klammheimlich in sein Zimmer zu schleichen, damit ich das Märchen von der Tür nicht schon wieder erzählen musste.

Miwa hatte natürlich sofort Lunte gerochen und mich im Flur abgefangen, aber anstatt mir mit demselben Mitleid wie die anderen zu begegnen, hatte sie sich sogar über mich lustig gemacht.

„Sag mir bitte, dass das was mit dem Mädchen zu tun hat", sagte sie zwischen zwei Lachsalven und als ich darauf nur mürrisch die Lippen aufeinanderpresste, schlug sie sich sogar mit der flachen Hand auf den Schenkel.

„Mensch Tobio-chan, ich hoffe du hast dich wenigstens von ihr trösten lassen."

Weil mir in diesem Moment wirklich nicht der Sinn danach stand, mir noch mehr Lügen auszudenken, ignorierte ich sie und fragte stattdessen: „Hast du Nadel und Faden?"

„Was willst du denn damit?"

„Nähen."

„Nähen?" Miwa kicherte schon wieder. „Du kannst doch gar nicht nähen. Und was willst du überhaupt nähen?"

„Und wie ich nähen kann", widersprach ich mit fester Stimme. Meine Hände brauchten jetzt etwas zu tun, damit ich nicht wahnsinnig werden würde.

„Lernt man sowas jetzt in der Schule?", fragte Miwa neugierig, während sie in einer Schublade im Flur nach Nadel und Faden kramte. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis sie fündig wurde und mir beides in die Hände drückte.

„Danke", sagte ich und ließ sie stehen.

Mir wäre es lieber gewesen, meine Nähmaschine zur Hand zu haben, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen.

Ich begann damit, Kageyamas Hosen an der Hüfte anzupassen, sodass sie auch ohne Gürtel nicht mehr rutschen konnten. Als das geschafft war, war längst die Nacht hereingebrochen, aber weder Kageyamas Eltern noch Miwa hatten nach mir gesehen. Vielleicht hatten sie gemerkt, dass ich nicht in der Stimmung war, mit ihnen zu sprechen. Oder es interessierte sie nicht.

Meine Eltern wären wie aufgeschreckte Hühner um mich herumgehüpft und hätten mich behandelt wie ein rohes Ei. Ich wusste nicht, ob ich neidisch oder mitleidig sein sollte.

Ich war gerade dabei, die Ärmel einer Jacke zu kürzen, als es klingelte. Kurz hörte ich Stimmen im Gang, dann klopfte es an meiner Tür.

Um diese Uhrzeit konnten es eigentlich nur Kageyama oder Hinata sein, die mir einen Besuch abstatteten.

Takeda hatte ich gesagt, er solle der Mannschaft ausrichten, dass es mir gut ginge, aber ich konnte mir schon vorstellen, dass die beiden sich damit nicht zufriedengeben würden. Ich legte die Nähsachen beiseite und ließ sie schnell unter der Bettdecke verschwinden, damit Hinata keinen weiteren Grund hätte, mir verdächtiges Verhalten vorzuwerfen.

Herzbube ✔ [Kageyama Tobio, Haikyuu!]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt