Hannah wachte am nächsten morgen mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Wenn sie jetzt langsam zum Gemeinschaftsraum ginge, würde man es ihr glauben, dass sie früher aufgestanden war, um noch ein Buch aus der Bibliothek zu holen. Einen Moment blieb sie noch im Sessel sitzen und lies die Sonne durch das kleine Fenster auf ihr Gesicht scheinen. Da es erst früh am Morgen und bereits Dezember war, waren die Sonnenstrahlen nicht sonderlich warm, und doch taten sie Hannah gut. Als sie sich schließlich mit einem Seufzer aus dem Sessel erhob, merkte sie, dass ihr von der Nacht im Sessel alle Muskeln weh taten. Auch war dieser wohltuende Geruch verschwunden.
Obwohl sie den Rest der Nacht gut geschlafen hatte war ihre Laune doch nicht allzu gut. Leicht mürrisch machte sie sich auf den Weg. Sie nutzte den Versteck-Zauber zwar nicht, denn zu dieser Uhrzeit war es erlaubt, auf den Gängen zu sein, trotzdem vermied sie es, anderen Menschen zu begegnen. Sie war schon fast am Gemeinschaftsraum angelangt, als sie die Stimmen von mehreren jüngeren Schülern hörte. Ohne zu überlegen bog sie vom Hauptkorridor, der der kürzeste Weg gewesen wäre, in einen der weniger belebten, dunklen Seitenkorridore. Obwohl sie selten diesen Weg ging, denn es war ein Umweg und lohnte sich meist nicht, kannte sie ihn doch sehr gut.
Ein wenig eilig, um sich nicht doch noch zu verspäten, setzte sie ihren Weg fort.
Nichtsahnend bog Hannah um eine Ecke - und prallte gegen eine große, kräftige Person-
„Sorry - Entschuldigung - autsch-„, stammelte sie irritiert.
„Passen Sie auf, wenn Sie um Ecken biegen, Miss Blackwood", sagte eine ihr gut bekannte Stimme. Es war Snape.
„Natürlich, Professor. Wie gesagt, es tut mir wirklich leid", erwiderte Hannah so freundlich wie möglich. Der Zusammenstoß hatte aufgrund ihrer steifen und verspannten Muskeln sehr weh getan und alles in ihr wollte jemanden nschreien oder zumindest einen Erstklässler schubsen.
„Wissen Sie, was Ihnen wirklich leid tun sollte? Sich nachts aus dem Schlafsaal zu schleichen. Können Sie sich etwa nicht wie jeder andere auch an die Schulordnung halten?", zischte Snape sie an.
Hannah blinzelte kurz irritiert und ein wenig ertappt. Dann fragte sie herausfordernd:
„Ach, woher wissen Sie denn, dass ich nicht wie alle anderen auch geschlafen habe?"
„Ich habe Sie gesehen. Sie sind in die Bibliothek gegangen und haben dort die Nacht verbracht!"
„Ach ja, wenn Sie mich gesehen haben, warum haben Sie mich dann nicht zurück in den Gemeinschaftsraum geschickt? Sie hätten mir Punkte abziehen und mir Nachsitzen geben können", sagte sie zwar leise, aber aufgebracht, und reckte provokant ihr Kinn.
„Das kann ich auch immer noch!", gab Snape zurück und trat einen Schritt auf sie zu.
„Dann tun Sie das doch. Es macht mir nichts aus!", forderte sie ihn auf. Es war eine glatte Lüge, es achte ihr sehr wohl etwas aus.
„Sagen Sie mir nur, was haben Sie mitten in der Nacht in der Bibliothek gemacht? Treffen Sie sich dort nicht immer mit Ihrem Freund, wie heißt er noch gleich?", fragte er. Seine Stimme war ein bisschen rauher als sonst, und er klang sehr verärgert.
Hannah trat nun auch einen Schritt auf ihn zu und fragte, nicht weniger verärgert als er: „Ich wüsste nicht, was Sie es angeht, wo ich mich mit meinem Freund treffe!"
Auch er trat noch einen Schritt auf Sie zu, sodass sie sehr nah, vielleicht eine halbe Armeslänge voneinander entfernt, standen.
„Ach, Sie können sich gar keinen Grund vorstellen, weswegen ich daran interessiert sein könnte?"
Hannah schloss die letzten Zentimeter, die noch zwischen ihnen lagen, indem sie noch einen Schritt nach vorne trat, und zischte:
„Nein, Sir, ich kann mir keinerlei Gründe vorstellen. Immerhin haben Sie recht deutlich klar gemacht, dass Sie nicht das gleiche Interesse an mir haben, wie ich an Ihnen"
„Ach ja, habe ich das? Und welches Interesse haben Sie an mir?"
„Oh, das wissen Sie beides sehr genau. Was ich für Sie empfinde haben Sie selbst festgestellt, und in Anbetracht der Tatsache, dass Sie schon eine Weile jedes Gespräch mit mir vermeiden, spricht für sich."
Sie standen sich so nahe, dass sich ihre Lippen beim Sprechen beinahe berührten, und sahen sich dabei unverwandt in die Augen. Zwischen ihnen hatte sich so eine starke Spannung aufgebaut, dass Hannah es förmlich physisch spüren konnte, und ihr Atem ging ein wenig Stoßweise.
Eine Weile standen sie so da, dann legte Snape Hannah eine Hand in den Nacken und legte den Kopf leicht schief. Hannah dachte, er wolle sie küssen, und streckte sich ihr entgegen. Auch er näherte sein Gesicht ihrem, doch hielt er in dem Moment, in dem Ihre Lippen sich schon hauchzart berührten, inne. Dann seufzte er, Hannah spürte seinen warmen Atem auf ihrer Haut. Plötzlich riss er seine Hand weg, richtete sich auf und trat einen Schritt zurück.
„Kommen Sie heute nach dem Abendessen zu mir ins Büro", sagte er schroff, dann wirbelte er herum und verschwand raschen Schrittes in einem Korridor.Hannah blieb einen kurzen Moment stehen, dann machte sie. Sich eilig wieder auf den Weg. Sie musste rennen, und hatte es trotzdem, einmal im Schlafsaal angekommen, recht eilig. Sie zog sich schnell um und wusch sich, dann nahm sie ihre Tasche und ging zügig zur großen Halle. Für ein richtiges Frühstück war keine Zeit mehr, deswegen nahm sie sich nur schnell ein Croissant, welches sie auf dem Weg zur ersten Stunde aß.
In der ersten Stunde saß sie neben John. Er saß zwar so weit wie möglich weg von ihr und schaute sehr übellaunig, aber er zwinkerte ihr kurz zu, als sie sich setzte.
In der Stunde schob sie ihm einen Zettel zu, auf den sie Sorry, wir können uns frühestens morgen wieder vertragen, ich muss heute Abend zu Snape geschrieben hatte.
Ist okay, ich muss heute Abend nirgendwo hin, kam es zurück.
Das tut mir leid, schrieb sie zurück.
Er lächelte ihr kurz traurig zu,dann wandte er sich wieder seinem Buch zu.
Obwohl ihr Streit noch keinen Tag anhielt, vermisste Hannah John schon. Mit ihm konnte sie über wichtige Dinge reden, und er fragte nicht, wenn sie von ihren Gefühlen für jemanden sprach. Er hatte einen geheimen Freund, den sie nicht kannte, also konnte sie auch einen haben, meinte er. Und sie war ihm sehr dankbar dafür.Der Rest des Tages verlief ereignislos. Victoria und die anderen aus ihrer Clique überschütteten sie Hannah mit Mitleid, dass sie nicht verdiente, der Unterricht war wie immer einigermaßen interessant (außer vielleicht Geschichte der Zauberei, aber das lag am Lehrer. Und nicht am Inhalt. Der Stoff war nämlich durchaus interessant), und den Nachmittag verbrachte sie wie immer mit Victoria.
„Was hast du denn gemacht, dass Snape dich zu ihm bestellt? Am letzten tag vor den Winterferien?", wollte diese wissen.
„Ich bi nicht ganz sicher. Bin ihm heute Morgen über den Weg gelaufen, und wir haben uns kurz...unterhalten, wenn man das so nennen kann. Er hat gefragt, warum ich so früh schon auf war. Und anscheinend fand er meine Antwort verdächtig oder so"
Victoria schaute Mitleidig.
Beim Abendessen blieb sie so lange sitzen, bis sie Snape die Halle verlassen sah, dann stand auch sie auf.
„Viel Glück!", rief Victoria ihr hinterher.
Die kleine rothaarige Jules, die sie schon fast vergessen hatte, sagte etwas darüber, wie neidisch sie war, dass Hannah Snape sehen durfte. Über diesen Kommentar schnaubte Hannah nur verächtlich.
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Emotions (HP/Severus Snape FF)
FanfictionZehn Jahre ist es her, dass Lily gestorben ist, und der Professor Severus Snape hat ihren Tod noch immer nicht verkraftet. Seid Jahren schon versucht er seinen Kummer in Arbeit zu ertränken. Doch jetzt, wo Lily's Sohn Harry nach Hogwarts geht und er...