Leise klopfte Hannah an die schwere Holztür des Büros.
„Herein!", sagte Snape von drinnen nach einer kurzen Weile. vorsichtig öffnete Hannah die Tür. Nach ihrem Streit am Morgen wusste sie nicht genau, was sie zu erwarten hatte, war er noch wütend oder hatte er sich bereits beruhigt, würde er sie Kessel schrubben lassen bis ihre Finger bluteten oder würde sie wieder Rezepte für Tränke abschreiben? Oder vielleicht wollte er ihr eine Rede über Respekt und Benehmen halten, auch durchaus möglich.
„Setzen Sie sich, Miss Blackwood", sagte Snape ruhig, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte und wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Er klang ein wenig aufgebracht, aber nicht allzu wütend. Beruhigt und etwas zuversichtlicher, sein Büro ohne körperlichen oder seelischen Schaden zu verlassen, setzte Hannah sich.
„Miss Blackwood, wir sprachen heute morgen über ein Thema...von sehr großer Wichtigkeit - großer Wichtigkeit für mich", begann Snape ein wenig stammelnd, verstummte dann jedoch wieder.
Hannah lies das Gespräch in ihrem Kopf Revue passieren. Was meinte er? Dass sie sich nicht an Regeln hielt? Ihre 'Beziehung' mit John? Oder etwa ihre Gefühle für ihn, und seine für sie?
Hannah dachte zwar, sie wäre schon ein wenig darüber hinweg und hätte sich mit der Hoffnungslosigkeit ihrer Gefühle abgefunden, doch unverhofft begann ihr Herz wie verückt zu pochen.
„Welches Thema genau meinen Sie?", fragte Hannah nach einer Weile des Schweigens.
„Sie hätten die Tatsache, dass ich mich von Ihnen fern gehalten habe, nicht als Hinweis auf meine Gefühle - oder den Mangel an Gefühlen - deuten sollen. Dass ich mich von Ihnen fern gehalten habe hatte nichts damit zu tun, dass ich nichts für Sie empfinde oder dass mir Ihre Gegenwart unangenehm wäre - ganz im Gegenteil"
Während er sprach stockte er immer wieder kurz und gestikulierte mit den Händen. Dabei wirkte er aufgewühlt, beinahe ein wenig verzweifelt, und konnte ihr nicht in die Augen sehen. Auch Hannah konnte ihn kaum ansehen, stattdessen saß sie, den Blick auf ihre ineinander verschränkten Finger auf ihrem Schoß gerichtet, bewegungslos auf ihrem Stuhl. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, ihr Puls rauschte in ihren Ohren und ihr war ein wenig schwindelig.
Wieder verfielen sie in ein kurzes Schweigen.
Dann lehnte Snape sich in seinem Stuhl nach vorne, stütze sich mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab, legte sein Kinn auf seine ineinander verschränkten Hände und sagte sehr eindringlich:
„Sehen Sie mich an, Miss Blackwood."
Hannah hob ihren Blick und schaute ihm in die Augen. Sie schauten sich so lange tief in die Augen, bis der Blickkontakt nahezu unerträglich war, so intensiv fühlte e sich an. Hannah versand in diesem Moment so gut wie noch nie, dass es Blickkontakt genannt wurde, denn sie konnte sich nicht vorstellen, dass eine Berührung intensiver sein konnte, dass sie sich durch eine Berührung ih näher fühlen könnte.
Grade als Hannah dachte, es nicht mehr auszuhalten - nicht, dass es ihr unangenehm wäre, ihm nah zu sein, es war ihr nur unerträglich zu wissen, dass sie diese Nähe vergänglich und unfassbar war - stand Snape abrupt auf und begann, im Raum auf und ab zu laufen. Dabei begann er wieder zu sprechen:
„Ich habe mich zu Anfang von Ihnen fern gehalten, da - ich musste über meine...Gefühle nachdenken, mir darüber klar werden. Wissen Sie, das Wissen um meine...Liebe zu Lily - meine Liebe zu Lily war immer ein Teil von mir, ein wichtiger Teil. Zu jedem Zeitpunkt meines Lebens, wann immer ich an mir gezweifelt habe, ich wusste immer, dass mit dieser Liebe immer etwas Gutes in mir ist, dass ich kein...gänzlich schlechter Mensch bin. Nur so konnte ich für mich sehr schwere Zeiten einigermaßen unbeschadet überstehen, überleben. Es war...wie ein Halt, etwas sicheres.
Doch nun, nun ist das einzige, worüber ich mir immer im klaren war, dabei, langsam zu verschwinden. Mein Halt in meinem Leben wird weniger stabil, weniger sicher. Und wenn ich mich nun für Sie von meinem einzigen Halt, meiner einzigen Sicherheit im Leben abwende, meine Gefühle für Sie zulasse und Sie liebe, was sagt mir dann noch, dass ich kein schlechter Mensch bin? Woher soll ich denn dann wissen, wer ich bin?"
wieder stockte seine Stimme hin und wieder, und immer wieder machte er kurze Pausen beim Sprechen, als würden die Worte, die er grade aussprach, ihn einschüchtern.
Während er gesprochen hatte, war er weiter im Raum auf und ab gelaufen, doch als er aufhörte blieb er stehen und lehnte sich mit dem Rücken an die kalte Steinwand.
Nun stand auch Hannah auf und ging einen Schritt auf ihn zu.
„Wenn Sie Gefühle für mich haben, mich lieben, dann" - sie holte kurz tief Luft - „dann werde ich Ihnen Halt geben. Ihnen sagen, dass Sie kein schlechter Mensch sind und Ihnen helfen zu sehen, wer Sie wirklich Sind."
Ihre Stimme bebte ein wenig und war doch entschlossen und sanft. Denn sie war entschlossen. Lange genug hatte sie nichts gefühlt, keine noch so kleine Emotion verspürt. Und als es dann doch so weit war, hatte sie versucht, dies zu verdrängen, wollte es nicht wahr haben, und hat dann versucht, ihre Gefühle, ihreLiebe zu überwinden und hinter sich zu lassen.
doch wenn es nun eine Chance, eine noch so kleine Chance gab, dass sie nicht mehr gegen sich selbst ankämpfen musste, dann wollte sie diese ergreifen.
Als Snape ihre Worte hörte entspannte sich seine Körperhaltung ein wenig wenig, doch der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich nicht.
„Aber zeigt nicht schon allein die Tatsache, dass ich bereit bin, Lily aufzugeben, dass ich ein schlechter Mensch bin?", fragte er dann. Seine Stimme war so rau und kratzig, dass es Hannah im herzen weh tat.
„Nein, tut es nicht", sagte sie sanft und trat noch einen Schritt auf ihn zu, „ganz und gar nicht. Sie haben sie geliebt, und das lange und innig. Doch nun ist es an der Zeit, sie loszulassen. Es ist nur gesund, sie loszulassen. Das ist nichts, was einen schlechten Charakter zeigt. Niemand würde jemals and der Aufrichtigkeit oder Innigkeit Ihrer Liebe zweifeln, nur weil Sie sie jetzt, nach Jahren, loslassen"
„Doch, ich zweifle an mir."
Wieder machte Hannah einen Schritt auf ihn zu, sie konnte nicht anders. Nun trennte sie nur noch ein knapper Meter.
„Das brauchen Sie nicht, ganz und gar nicht."
„Und was lässt Sie da so sicher sein, Miss Blackwood?", fragte er sarkastisch, Trauer und Bitterkeit schwangen in seiner Stimme mit.
„Ich muss einfach an Sie glauben, Sir. Sie sind der erste Mensch auf dieser Welt, der so starke Gefühle in mir hervorruft. Ich kann nicht anders als fest daran zu glauben, dass Sie kein schlechter Mensch sind. Diese Argumentation mag vielleicht ein wenig fadenscheinig klingen, aber glauben Sie mir, wenn man sein ganzes Leben lang nichts fühlt, sind die Gefühle, die ich für Sie habe, sehr eindrucksvoll", sagte Hannah fest und lachte dann einmal kurz trocken auf. Das war tatsächlich eine denkbar schlechte Erklärung, aber es stimmte, sie hatte keinen Grund, ihm zu vertrauen, sie tat es einfach.
Auch Snape lächelte kurz, dann streckte er plötzlich den Arm nach ihr aus, ergriff ihr Handgelenk und zog sie kräftig zu sich hin, sodass sie gegen ihn prallte. Dann umschlang er sie mit beiden Armen und küsste sie.
Hannah war so erstaunt, dass sie zuerst nicht reagierte, doch dann legte sie ihre Arme um ihn und erwiderte den Kuss. Seine Lippen waren ein wenig rau und schienen leicht zu zittern. Und obwohl sie beide sehr vorsichtig und zurückhaltend waren, war der Kuss sehr intensiv.
Als sie sich wieder voneinander lösten, schauten sie sich noch einen Moment in die Augen, doch dann wandte Snape plötzlich seinen Blick ab, schob sie von sich weg und lies sie so schnell los, als hätte er sich an ihr verbrannt oder wolle sie keine Sekunde länger berühren. Hannah tat dies so sehr weh, dass ihr unweigerlich die Tränen in die Augen schossen, doch sie tat alles dafür, diese wegzublinzeln, bevor Snape sie sah.
„Wir können das nicht tun", sagte Snape nach einen tiefen Atemzug, seine Stimme war kratzig, als würde es auch ihm Schmerzen bereiten.
„Warum?", fragte Hannah, mit nicht weniger kratziger Stimme.
„Wei ich Ihr Lehrer bin, Miss Blackwood. Und weil Sie einen Freund haben."
Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und er lehnte nicht mehr einfach nur gegen die Wand, er drückte sich regelrecht gewaltsam dagegen.
„Nein, John ist nicht mein fester Freund, es ist...", setzte Hannah an, doch er unterbrach sie mit einem harschen Nein!
„Bitte...", setzte sie noch einmal an, doch wieder unterbrach er sie:
„Nein! Gehen Sie einfach!"
„Professor, bitte!"
„Miss Blackwood! Gehen Sie einfach!", wiederholte er, diesmal schrie er regelrecht. Auch in seinen Augen standen nun Tränen, und Hannah meinte Trauer, Wut und Schmerz in seinen dunklen Augen lesen zu können. Sein Schmerz tat ihr in diesem Moment mehr weh als ihr eigener.
„In Ordnung, ich gehe", sagte sie leise und trat einen Schritt zurück.
„Gut", sagte er leise, schloss die Augen, und lehnte seinen Kopf gegen die Wand.
„Falls Sie doch noch einmal wieder mit mir reden wollen, wissen Sie ja, wo Sie mich finden. Ich verbringe die Ferien in der Schule", sagte sie leise. Er reagierte nicht.
Sie trat wieder direkt vor ihn, stellte sich auf die Zehenspitzen, legte ihm die Hände auf die Wangen, lehnte sich an ihn und küsste ihn noch einmal. Er erwiderte den Kuss, reagierte aber ansonsten nicht, seine Hände hielt er hinter dem Rücken und er drückte sich weiter gegen die Wand.
Als sie den Kuss lösten blieb Hannah noch einen Moment so stehen, auf den Zehenspitzen, an ihn gelehnt, die Hände auf seinen Wangen. Bevor sie sich ganz von ihm löste und leise durch die Tür ging drückte sie ihm noch einen Kuss auf den Mundwinkel und flüsterte leise:
„Ich wünsche Ihnen schöne Weihnachten, Professor."
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Emotions (HP/Severus Snape FF)
FanfictionZehn Jahre ist es her, dass Lily gestorben ist, und der Professor Severus Snape hat ihren Tod noch immer nicht verkraftet. Seid Jahren schon versucht er seinen Kummer in Arbeit zu ertränken. Doch jetzt, wo Lily's Sohn Harry nach Hogwarts geht und er...