Kapitel 3

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„Glauben Sie mir jetzt, dass ich nicht versucht habe, Potter zu töten? ", fragte Snape mit müder Stimme.
„Ja, Professor. Es tut mir leid. Ich werde dann jetzt gehen", sagte Hannah und musste zu ihrem Entsetzen feststellen, dass ihre Stimme fast so schlimm klang wie Snapes.
Sie erhob sich und ging mit schweren Schritten in Richtung Tür
„Nein. Bleiben Sie. ", sagte er bestimmt, als sie auf halben Weg war.
Sie drehte sich zu ihm um. Er hatte das Gesicht in den Händen vergraben.
Nach einigen Sekunden schwenkte er seinen Zauberstab und ein Sessel erschien vor dem Kamin. Er erhob sich und ging auf den Sessel zu. Er hinkte immer noch leicht.
Verlegen schaute Hannah ihrem Professor ins Gesicht. Er sah gut zehn Jahre älter aus als noch vor einer Stunde auf dem Spielfeld. Seine Augen saßen tiefer in den Höhlen als sonst und es hatten sich eine ganze Menge Falten in seinem Gesicht gebildet.
Hannah hatte ein denkbar schlechtes Gewissen. Wie hatte sie das tun können? Er hatte immerhin ein Recht auf Privatsphäre...
Aber sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass er an Halloween immerhin das Gleiche mit ihr gemacht hatte.
Kraftlos ließ Snape sich auf den Sessel fallen.
„Soll ich mir noch einmal ihr Bein anschauen, Sir? ", fragte sie sanft. Sie hatte in den letzten Tagen immer wieder daran Gedacht, da er nicht aufgehört hatte zu humpeln, auch wenn es schon viel besser geworden war.
„Ja gerne, danke", sagte er erstaunlich sanft.
Sie kniete sich vor ihm auf den Boden und krempelte sein Hosenbein hoch. Dann wickelte sie den Verband ab. Bei dem Anblick zog sie unwillkürlich die Luft ein.
Der Heilungsprozess schien noch nicht eingesetzt zu haben, die zahlreichen Wunden sahen noch genau so aus wie vor einer Woche.
„Ihre Wunden fangen nicht an zu heilen...", sagte sie.
„Das ist mir auch aufgefallen, danke", sagte er sarkastisch.
„Ich kann das nähen, wenn Sie wollen ", sagte Hannah.
„Nähen?"
„Ja. Das machen Muggel bei tiefen Wunden, damit sie schnell heilen und nicht weiter aufreißen. Die Wundränder werden zusammengenäht und nach einigen Tagen werden dann die Fäden wieder gezogen, wenn die Wunden dann selbstständig zusammenheften."
„Ach verdammt, dann muss ich Sie ja in ein paar Tagen wieder zu mir holen", sagte er und grinste Hannah an. Sie lächelte zurück.
„Dann machen Sie das, Miss Blackwood "

Per Aufrufezauber holte sie wieder ihre Tasche mit verbandszeug, dazu ein Glaß und eine Flasche Feuerwhiskey. Davon goss sie etwas in das Glas und reichte es Snape.
Dieser zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.
„Das Nähen der Wunden tut ein wenig weh... ", sagte Hannah entschuldigend.
Das nahm er anscheinend einfach so hin und trank einen Schluck.
Hannah begann, die Sachen, die sie brauchte, aus der Tasche zu kramen.
Dann begann sie, die zahlreichen Wunden eine nach der anderen zu desinfizieren.
„Ich habe Sie hier behalten, um Ihnen zu erklären, was sie gesehen haben", sagte er leise.
„Das brauchen Sie nicht, Sir... "
„Doch. Sie können unmöglich alles verstanden haben, was Sie da gesehen haben..."
Hannah schmiert betäubende Salbe um die erste Wunde.
„Das Mädchen, das sie gesehen haben, die Frau... Das war Lily Evans. Lily Potter"
Er stockte kurz, als sie zum ersten Stich ansetzte.
„Ich war früher gut mit ihr befreundet. Sie wohnte in meiner Nähe, als wir noch Kinder waren"
Die nächsten Stiche nahm er kommentarlos hin.
„Sie kam nach Gryffindor, ich nach Slytherin. Auch hier waren wir noch einige Zeit befreundet. Wir waren beste Freunde. Bis zum fünften Schuljahr.
Sie war außerordentlich talentiert. Wir haben gemeinsam für die UTZ-Prüfungen gelernt und hatten viel Spaß dabei. Ich habe in allen Fächern bestanden - wenn in manchen auch nur knapp - aber wie es bei ihr aussah weiß ich nicht.
Am Abend danach hatte ich eine Auseinandersetzung mit einigen Gryffindor aus unserem Jahrgang.
Lily ging dazwischen. Ich war wütend Un durcheinander. Und gedemütigt. Und da habe ich - ich habe... Ich habe sie Schlammblut genannt. "
Er schluckte schwer.
An dieser Stelle war Hannah mit der längsten und tiefsten Wunde fertig, durchtrennte den Faden und desinfizierte die Naht.
Schnell wandte sie sich der nächsten zu.
„In den folgenden Tagen versuchte ich, mich bei ihr zu entschuldigen. Ich wollte ihr sagen... Ich wollte - sagen - "
Er stockte.
„Ich wollte ihr sagen, dass -"
Was auch immer er sagen wollte, die Worte in seinem Kopf schienen zu groß für seinen Mund zu sein.
"Ihr sagen, dass ich - ich sie..."
„Sie haben sie geliebt, nicht wahr? ", fragte Hannah, während sie die zweite Naht desinfizierte und den Faden durchtrennte.
Er nickte nur.
„In den folgenden Jahren ging sie mit einem der Jungen, mit denen ich die Auseinandersetzung hatte, aus", berichtete er weiter, „und die beiden würden ein Paar. Er, James, war arrogant, eingebildet und fies. Ich weiß bis heute nicht...
Auf jeden Fall waren sie ein Paar. Und dann haben sie geheiratet. Lily... Sie war glücklich mit ihm. Er hatte viel Geld, viele Freunde...
Nach ein paar Jahren bekamen die beiden ein Kind. Mitten im ersten großen Krieg...
Ihr Sohn, Harry, sah exakt so aus wie ihr Vater, hatte das schwarze Haar, das Gesicht... Nur die Augen seiner Mutter. Als Harry Potter grade ein Jahr alt war, kam der dunkle Lord... "
Hannah kannte die Geschichte, unterbrach ihn aber nicht. Er schien in einer Art Trance zu sein und sein Umfeld kaum wahr zu nehmen.
Hannah versorgte eine weitere Naht.
„Er tötete erst James Potter. Dann wollte er Harry töten, doch Lily warf sich zwischen den dunklen Lord und ihren Sohn. Sie starb... Aus Liebe... "
Er wischte sich eine imaginäre Träne aus dem Gesicht und trank den Rest seines Feuerwhiskeys.
Schweigend versorgte Hannah weiter seine Wunden. Es waren zwar noch einige, aber diese Waren nicht mehr so lang und dauerten an sich nicht lange.
„Wo haben Sie eigentlich Legilimentik gelernt? ", fragte Snape.
Scheinbar hatte er erzählen wollen, wollte aber nicht länger bei dem Thema verweilen.
Nun war es an Hannah zu erzählen:
„In der dritten Klasse fand ich ein Buch zu dem Thema und fand es so faszinierend, dass ich mir vornahm, das zu lernen. Ich übte nachts, an den Leuten in meinem Schalfsaal. Zu Anfang wachte sie schreiend auf und klagten über heftige Kopfschmerzen. Doch mit der Zeit wurde ich besser. Ich war erst zufrieden, als sie dann nicht mehr aufwachen. Mit dem Lernen von Okklumentik war es schwerer. Ich kannte ja sonst niemanden, der Legilimentik beherrschte.
Ich habe einen Spiegel so verflucht, dass er nicht nur Licht, sondern auch Zauber reflektierte. Und so habe ich mich dann selbst... Nun ja...
Auf jeden Fall habe ich so auch Okklumentik gelernt"
„Ja, das habe ich ja letzte Woche gemerkt...", sagte er und lächelte müde.
Ein Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Aber es war keineswegs unangenehm.

Schnell versorgte Hannah die letzten Wunden, dann wickelte sie einen frischen Verband um seinen Unterschenkel und krempelte sein Hosenbein dann wieder runter.
„So, das hätten wir. Ich würde Ihnen allerdings nicht empfehlen, in diesem Zustand zum Essen zu gehen... Welches wir sowieso schon verpasst haben", sagte sie und nahm ihrem Professor das leere Glas aus der Hand.
„Soll ich Ihnen etwas zu Essen machen? ", bot sie ihm an.
„Sehr gerne, wenn Sie es noch mit mir aushalten", sagte er und lächelte matt.
„Sie sind ja grade ganz handzahm", witzelte sie, während sie ihre Sachen zusammenpackte.
Dann setzte sie sich vor Snapes Kamin und erhitzte einen der Steine so sehr, dass sie darauf kochen konnte.
Mit einem wippen ihres Zauberstabs erschien ein Topf den sie auf den heißen Stein stellte. Dann fing sie an, mit ihrem Zauberstab in diesem zu Rühren und so füllte er sich langsam mit cremiger Zwiebelsuppe. Diese verteilte sie auf zwei Teller (die ebenfalls auf einen Wink mit dem Zauberstab erschienen) und legte eine (auf selbige Art erschienene) Brotscheibe dazu. Den einen Teller reichte sie ihrem Professor, mit dem anderen setzte sie sich im Schneidersitz auf den Boden neben ihm.
„Erzählen Sie mir etwas von Ihrer Familie? ", bat Snape mit schwacher Stimme. Hannah verschluckt sich fast an ihrer Suppe.
„Meine Eltern sind tot", sagte sie schnell und tunkte ihr Brot in die Suppe.
„Das tut mir leid", sagte er leise.
„Ich erinnere mich so gut wie gar nicht mehr an sie. Ich wachse bei Freunden meiner Familie auf, aber auch die bringen es nicht über sich, von meinen Eltern zu erzählen"
Wieder schwiegen sie. Nach einer Weile begann Snape wieder zu reden.
„Meine Mutter war eine Hexe, mein Vater ein Muggel. Er hat sie geliebt - aber nur den Muggel in ihr. Die Hexe in ihr hat er gehasst. Dass ich ein Zauberer bin hat er glaube ich nie ganz verkraftet."
Sie aßen weiter schweigend.

Langsam öffnete Hannah die Augen. Sie musste eingeschlafen sein. Der leere Teller stand vor ihr auf dem Boden. Snapes Teller stand ordentlich daneben. Ihr Gehirn war vom Schlaf noch ganz neblig und es fiel ihr schwer, klar zu denken.
Kurz schloss sie wieder die Augen. Wieso sollte sie auch aufwachen wollen? Es war grade so schön gemütlich...
Ach ja. Deswegen musste sie aufwachen.
Sie war noch immer in Snapes Büro.
Sie kauerte an seine Beine gelehnt auf dem harten Steinboden. Er musste ihr eine Decke umgelegt haben, denn die Decke roch angenehm nach ihm.
Es dauerte einen Moment, bis es ihr auffiel.
Snape streichelte ihr Haar, ihren Nacken und ihre Wangen. Sanft ließ er seine Hand über ihren Kopf gleiten. Langsam richtete sie sich auf. Verdammt, sie hatte Rückenschmerzen.
Sie sah zu ihrem Professor auf. Auch er hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig.
Es tat ihr Leid, ihn wecken zu müssen, er sah im Schlaf so friedlich und sanft aus.
Sie wusste kaum, was sie tat, als sie ihre Hand ausstreckte und ihm einige verwirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. Dann streichelte sie ihm einen Moment lang weiter versonnen über das Gesicht.
„Professor, Sie müssen aufwachen", sagte sie, während sie über seine Augenlider strich.
Als er dann wirklich zu blinzeln anfing zog sie ihre Hand schnell weg.
„Sie werden Rückenschmerzen bekommen, wenn Sie jetzt nicht ins Bett gehen", sagte sie sanft.
Er brummt und setzte sich auf. Verschlafen strich er sich mit den Händen über das Gesicht.
Mit den Händen, die grade noch über ihre Haare strichen...
Als er aufstand wich Hannah noch einen Schritt zurück. Er taumelte bedenklich, deswegen trat sie an seine Seite und stützte ihn ein wenig.
Er versuchte zu laufen doch sein Bein gab unter ihm nach.
„Ich werde Ihnen helfen, warten Sie", sagte sie und legte seinen Arm um ihre Schultern.
Wieder brummte er verschlafen.
Auf sie gestützt wankte Snape durch eine Tür, durch einen Flur und schließlich in seine privaten Räume.
„Danke", nuschelte er, als er sich auf sein Bett fallen ließ und sich sofort hinlegt. Nach nicht einmal zehn Sekunden war er wieder eingeschlafen. Schmunzelnd deckte Hannah ihn zu und machte sich dann selbst auf den Weg in ihren Schlafsaal.

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Hallo!

Ich hoffe sehr, daß irgendwem dieses Kapitel gefällt.
Falls jemand das hier liest würde ich mich sehr über Feedback freuen xD

LG

Emotions (HP/Severus Snape FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt