Kapitel 19

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Am Freitag nach dem Mittagessen warteten Hannah und Severus in der Eingangshalle auf Eric und Emily.
Hannah fiel auf, dass Severus zunehmend nervös wirkte, und das beunruhigte sie. Wovor konnte er Angst haben? Es waren doch nur ihre Eltern...
Pünktlich um 14 Uhr traten Eric und Emily durch das Eingangsportal. In der Hoffnung, ihn beruhigen zu können, strich Hannah Severus mit dem kleinen Finger über den Handrücken, doch er riss seine Hand bei ihrer Berührung sofort weg.
Glücklich, ihre Zieheltern, die für sie mehr wie Eltern waren als ihre tatsächlichen Eltern, wiederzusehen, ging sie eilig und beschwingten Schrittes auf sie zu und lies sich von ihnen in eine feste Umarmung ziehen.
„Es tut so gut, dich zu sehen, Kleines", sagte Eric und strahlte sie an.
„Wir haben dich vermisst, Liebes", fügte Emily hinzu.
„Ich habe euch auch vermisst, Weihnachten ohne euch fühlt sich so...anders an", sagte sie. Dabei verschwieg sie, dass sie Weihnachten zum Großteil mit Severus auf dem Sofa verbracht hatte.
Hinter ihr räusperte Severus sich.
„Ah, Severus Snape....Es ist schön, Sie wieder zu sehen...", sagte Eric. Es lag ein gewisser Unterton in seiner Stimme, den Hannah nicht so recht einordnen konnte.
„Woher...?", begann Hannah, aber Eric und Emily schüttelten gleichzeitig den Kopf.
„Wo können wir reden?", fragte Emily dann.
„In meinem Büro, wenn Ihnen das recht ist", bot Severus an.
„Nein danke, ist es nicht", antwortete Emily, und ihre Stimme war so kalt, wie Hannah sie noch nie in ihrem Leben gehört hatte.
„Warum denn nicht?", wollte Hannah wissen.
„Es hat seine Gründe, Kleines, ich glaube es wäre besser, wäre er nicht dabei", kam es von Eric, nicht weniger kalt.
„Es ist wirklich in Ordnung für mich...", versuchte Hannah ihre Zieheltern zu überzeugen.
„Na schön, mal sehen, wie in Ordnung es ist, wenn wir gesagt haben, was wir zu sagen haben", zischte Emily, wobei sie Severus einen giftigen Blick zuwarf.
Schweigend machten sie sich auf den Weg zu Severus Büro, er ging voraus und sie folgten ihm.
In seinem Büro setzte er sich auf seinen Stuhl hinter dem Schreibtisch und lies mit einem Schwenk seines Zauberstabs den kleinen Holzstuhl, der sonst vor seinem Schreibtisch stand, verschwinden, um kurz darauf drei gemütliche schwarze Sessel erscheinen zu lassen.
Hannah und ihre Eltern nahmen darauf Platz.
„Gib mir deinen Zauberstab, Liebes. Du weißt schon, keinen Zauberstab bei emotionalen Gesprächen", sagte Emily. Diese Regel hatten sie einst eingeführt, als Hannah aus Versehen bei einem Gespräch mit Emily das halbe Haus verwüstet hatte, weil sie ein wenig wütend geworden war. Natürlich wussten ihre Eltern nicht, das dieser eine Anflug von Wut die einzige Gefühlsregung in Jahren war.
Seufzend und genervt die Augen verdrehend überreichte Hannah ihr ihren Zauberstab.
„In Ordnung...Wie du weißt, haben wir Informationen über den Mörder deiner Eltern gefunden. Und mittlerweile können wir absolut sicher sein. Es wird dich wahrscheinlich sehr mitnehmen, und wir wollen, dass du weißt, dass wir für dich da sind, und dass wir Verständnis dafür haben werden falls du nach dieser Information nicht mehr an diese Schule gehen möchtest...", sagte Emily in sanften Tonfall.
„Warum sollte ich nich mehr hierher kommen wollen?", fragte Hannah nervös lachend.
„Nun...der Name des Mörders deiner Eltern ist Severus Snape."

Hannah fühlte sich, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weg gerissen und ihr gleichzeitig in die Magengrube geschlagen.
Sie wurde einen Moment ganz taub, und ihr Sichtfeld verschwamm. Ihr Puls rauschte ihr in den Ohren, sie hörte zwar, dass Emily und Eric auf sie einredeten, verstand jedoch kein Wort. Panisch klammerte sie sich in die Lehnen des Sessels, so kräftig, dass sie das zarte Leder unter ihren Fingern nachgeben spürte.
Als sich ihr Sichtfeld wieder normalisierte sah sie Severus an.
Sein sowieso schon bleiches Gesicht sah noch blasser aus als sonst. Seine Augen waren vor Schreck geweitet.
„Stimmt...Stimmt das?", fragte sie. Ihre Stimme war brüchig, und doch seltsam klar.
„Ich weiß es nicht - ja", sagte er.
„Was denn nun, wissen Sie es nicht oder stimmt es?", zischte Hannah.
„Ich wusste nicht dass es Ihre Eltern waren, aber ich habe an jenem Tag, in jenem Kampf, zwei Menschen getötet", gab er zu Seine Stimme klang seltsam dumpf und hohl, und als er diese Worte aussprach veränderte seine gesamte Körperhaltung sich. Vorher hatte er aufrecht und angespannt dort gesessen, doch nun sackte er in sich zusammen, als hätte seine ganze Kraft ihn verlassen.
Mit zitternden Knien stand Hannah auf. Sie schwankte ein wenig und fühlte sich schwindelig.
„Bitte entschuldigt mich...", sagte sie mit schwacher Stimme, drehte sich um und stürzte aus dem Raum.
Sie hörte, wie auch Severus sich erhob, doch sie war sich noch nicht sicher, ob sie ihn jetzt sehen wollte. Hastig lief sie durch die dunklen Gänge Hogwarts, den Blick von Tränen verschleiert, der Kopf war ihr gleichzeitig viel zu schwer und federleicht.
Als sie das Gefühl hatte, sich nicht länger auf den Beinen halten zu können, öffnete sie die nächstbeste Tür, sie führte zu einem Klassenzimmer, das augenscheinlich schon eine Weile nicht mehr benutzt wurde, und trat ein. Überwältigt von der Last dieser Information und den Gefühlen, die diese in ihr auslösten, blieb sie wie versteinert in der dunkelheit stehend, am ganzen Körper zitternd.

Nach einer kurzen Weile hörte sie Severus Stimme im Korridor.
„Hannah, bist du hier?", rief er leise.
Sie hörte, wie er langsam den Korridor entlang ging, scheinbar blieb er vor jeder Tür stehen und rief nach ihr.
Als er vor der Tür, hinter der sie stand, angekommen war, rief er wieder:
„Hannah, bist du hier drin?"
Und nach einer kurzen Pause fügte er viel leiser „Hannah, bitte" hinzu.
Hannah brachte es erst nicht über sich, ihm zu antworten. Er war schon einige Türen weiter, als sie einmal tief durchatmete, die Tür öffnete, auf den Korridor trat und leise sagte:
„Severus, ich bin hier."
Er wirbelte herum, und es spiegelte sich unendliche Erleichterung auf seinem Gesicht wieder.
Langsam ging er auf sie zu, als hätte er Angst, sie zu verschrecken.
„Komm rein", sagte sie, ihre Stimme kälter als für gewöhnlich.
Wortlos trat er ein.

Emotions (HP/Severus Snape FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt