1. Die Box

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Ava

Die gewohnte morgendliche Laufrunde durch den nahegelegenen Stadtpark, half mir den Kopf etwas freizukriegen, oder wenigstens meine Gedanken, etwas zu sortieren.
Und das war dringend notwendig, denn Mari begann mir stetig, immer mehr auf den Zeiger zu gehen und es drängte das ich etwas dahingehend unternahm.
Im Nachhinein war es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen, sie nach nur knapp einem Monat bei mir einziehen zu lassen, aber sie musste zu dem damaligen Zeitpunkt aus ihrer WG raus und ich hatte genug Platz.
Womit ich so gar nicht gerechnet hatte, war ihr sehr einnehmendes Wesen.....aber woher hätte ich das auch wissen können, wir kannten uns ja erst seit knapp einem Monat.
Wie auch immer....Mari breitete sich sehr schnell, sehr stark aus und das misfiel mir sehr.....was daran genau...konnte ich gar nicht so recht sagen,....es war einfach so und ich wollte das nicht.
Ich lief im gemächlichen Tempo am Seeufer entlang und scheuchte dabei ein paar Enten auf.
Mari's aufgedrehte Art, passte eigentlich so ganz und gar nicht zu mir, aber ich dachte mir, als ich sie auf dieser Geburtstagsparty eines Kumpels ansprach, vielleicht würde mir jemand der so völlig anders war, als was ich so gewohnt war, richtig gut tun.

Nunja das,.....und der Sex ......also im Bett war sie schon wirklich eine Granate,.....im Bett, vorm Bett, in der Küche, im Flur und....ach egal....!!!
Mitlerweile war mir eines klargeworden,.....das selbst der beste Sex mir nicht das geben konnte was ich wirklich und wahrhaftig wollte.
Das Problem war nur, das sogar ich nicht genau wusste was das war, oder belog ich mich hier gerade selbst....?

Ich stöhnte laut auf, zog das Tempo an verließ die ruhige Parkanlage, rannte die noch leere Straße runter bis zum Ende und durch den Vorgarten zu meinem kleinen Häuschen.
Auf der Veranda stehend warf ich noch einen Blick zurück....langsam begann das ruhige Viertel am Rande der Stadt, wach zu werden.
Die ersten Autos fuhren los, der Zeitungsjunge warf mir meine Ausgabe zu und beendete seine Tour, die Sonne ging hinter dem Wäldchen am Park auf und ich freute mich auf eine heiße Dusche und meinen ersten Kaffee des Tages.
Immer noch schweratmend, betrat ich mein Haus und eilte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend....in den ersten Stock hoch.
Auf dem Weg ins Schlafzimmer riss ich mir mein verschwitztes T-shirt vom Leib und blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen.
Mari stand mitten im Raum, ihr Gesicht Zornesrot und ihre Hände, zu Fäusten geballt, in ihre Hüften gestemmt.
Und schwupps war meine Angespanntheit wieder da.

"Was ist los Mari...?"
sie funkelte mich wild an
"Wer Ist Ellen...??" ......ich schnappte hörbar nach Luft,.....
Diesen Namen!!
Ihren Namen!!!!
Seit fast genau Elf Jahren hatte ich den weder gehört, noch selbst genannt!
Mein T-Shirt entglitt meinen zittrigen Händen.
Verdammt,.....wie kam Mari nur auf Ihren Namen??
Mein Mund wurde staubtrocken und meine Knie schwach.
Ellen..!!
Nach all den Jahren in denen ich krampfhaft versucht hatte Sie zu vergessen, oder zumindest aus meinen Gedanken zu verbannen,....tauchte Sie urplötzlich wieder auf und mit Ihr, all die längst verloren geglaubten Gefühle.

"Ava ich habe dich etwas gefragt!!!!
Wer ist Ellen..?????"
Ihre Stimme riss mich aus meinem Tranceähnlichen Zustand,..... zurück in die Realität, zurück ins Hier und Jetzt..

"Wie kommst du überhaupt auf Ihren Namen?"
"Sag du mir erst, wer sie ist!"
"Nein,..Nein.....so nicht Mari!! Deine Frage ist viel zu spezifisch und kann dir nicht einfach so gekommen sein,....also.......wie kommst du auf......Ihren Namen??"

Mari wandte sich mit einem verächtlich Schnauben von mir ab und begann im Zimmer hin und her zu gehen, bis sie schließlich am Fenster stehenblieb und hinausstarrte.
"Mari!! Ich warte!!" presste ich, mühsam meinen wachsenden Ärger beherrschend, zwischen meinen mahlenden Kiefer hervor.

"Der Schuhkarton...!" seufzte sie schließlich und ich starrte sie einen Moment lang verwirrt an.
Welcher Schuhkarton.....?
SCHEIßE!!!
DER Schuhkarton..!!!
"Das ist jetzt nicht dein verdammter Ernst, oder? WAS zur Hölle, schnüffelst du in meinen Sachen herum? Bist du noch ganz dicht??" fuhr ich sie entgeistert an
"Ich wollte nicht schnüffeln, ich war nur neugierig was in dem Schrank war....das ist alles!"
"Nur neugierig, aber sicher! In dem Schrank auf dem Dachboden, in der hintersten Ecke....natürlich, logisch. Oh mann wirklich....!" währenddessen hatte ich den Raum durchquert und stand sie zornig anstarrend, vor ihr.
"Sooo,....dann gib ihn mir jetzt..!!"
"Nein!"
"Wie Nein...?"
"Ja...Nein halt..!"
Ich schnaufte laut durch, denn ich war nur noch sehr kurz davor, in die Luft zu gehen.
"Mari du gibst mir jetzt auf der Stelle diesen Karton!"
"Sag mir erst wer Ellen ist, Ava!" antwortete sie trotzig und es kostete mich meine ganze Kraft, ihr keine Ohrfeige zu verpassen

"Es reicht Mari gib mir......."
"Das kann ich nicht!"
"Was..? Warum...? Was hast du getan???"
schrie ich sie Wutschnaubend an, während Mari weiterhin zum Fenster hinaus starrte.
Ich machte einen Schritt auf sie zu, wollte sie packen, wollte die Information aus ihr herausschütteln und folgte ihrem Blick.

Unten in der Straße, rollte gerade der Wagen der Müllabfuhr an meinem Vorgarten vorbei, kam zum stehen und einer der Müllmänner sprang ab und schickte sich an meine Papiertonne aus der Einfahrt zu holen.
Meine Papiertonne, die Mari mit einem schon fast triumphierenden Blick bedachte!!
Mein Herz sank augenblicklich in meine Füße, ich machte auf der Stelle kehrt und flog förmlich die Treppenstufen hinab, zur Haustür hinaus in die Einfahrt und riss dem verdutzt blickenden Müllmann, die blaue Tonne regelrecht aus der Hand.

"Tut mir leid aber...aber....die darf noch nicht geleert werden!"
keuchte ich, während mir der Kerl Achselzuckend hinterherpfiff.
Wild schnaufend zog ich die Tonne durch die Einfahrt, bis vor meine Garage.....atmete so lange tief durch,bis mein Puls wieder einigermaßen aus dem tiefroten Bereich heraus war und öffnete den Deckel.
Da lag der Schuhkarton.....natürlich geöffnet....ganz obenauf!!!
Und sein Inhalt, .....verstreut zwischen Zeitungen und Pizzakartons.
Ich kniff verzweifelt meine Augen fest zusammen und rieb mir meine pochenden Schläfen.

"Und sagst du mir jetzt wer Ellen ist...?"
"Mari...pack deine Sachen und hau ab..!!!!"
"Wie bitte...??"
"SOFORT..!!!" schrie ich
"Ich will dich verdammt noch mal, nie wieder sehen!!"
"Aber, aber wo soll ich denn hin..?"
"Das ist mir scheißegal!! Nimm deinen Kram und verschwinde und laß dich bloß nie wieder bei mir blicken.....sonst vergeß ich mich!!!"

Mari wollte noch etwas erwidern, aber mein Gesichtsausdruck, machte wohl mehr als deutlich was ich dachte und sie beließ es dabei.
Zwei Stunden später, tauchten zwei junge Kerle mit einem Kleinbus auf und halfen Mari beim Einladen ihrer, gottseidank, wenigen Habseligkeiten.
Glücklicherweise verzichtete sie auf eine große Abschiedsszene und fuhr davon.

Ich hatte während dieser ganzen Zeit auf der kleinen Bank an der Hauswand vor der Garage gesessen und auf die große blaue Tonne gestarrt.
Die Sonne war indes aufgegangen, die Vögel zwitscherten fröhlich in diesem morgendlichen Idyll und mir liefen heiße Tränen über mein Gesicht.

Ellen  BAND 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt