Kapitel 23

1 0 0
                                    

Was in den letzten paar Minuten, die wir im Gerichtssaal verbringen, passiert, kann man kaum beschreiben. Nachdem alle Menschen mich eine Zeit lang schweigend angestarrt haben, bricht das Chaos aus. Zed reißt sich von den zwei Polizeibeamten los, die ihn bewachen und stürmt auf mich zu mit einem wilden Blick in seinen Augen. Wie ein Raubtier, das kurz vor dem Verhungern ist und plötzlich Beute wittert. Der Schock hat mich wieder gelähmt und ich sitze stocksteif auf dem Zeugenstuhl.

Dann geht alles so schnell. Er packt mich an meinen Armen, schleift mich über das Pult und schleudert mich auf den Boden. Ich schlage hart auf. Bevor er noch einmal zuschlagen oder auf mich eintreten kann, nimmt Alex ihn von hinten in einen Würgegriff, aus dem er sich nicht mehr befreien kann. Drei Polizisten übernehmen und zerren den sich wehrenden und wie wild brüllenden Zed in das Nebenzimmer.

»Wir zwei sind noch nicht fertig! Das verspreche ich dir!«, brüllt er mir noch zu bevor er abgeführt wird. Nachdem er weg ist, hält der ganze Raum den Atem an. Ich stehe mühsam wieder auf und halte mir den schmerzenden Kopf. Alex kommt auf mich zu und schließt mich tröstend in seine Arme. Ich kann mich immer noch nicht wirklich bewegen, weshalb ich seine Umarmung nicht erwidere. Mary sieht mich besorgt an und steht recht unbehaglich neben uns.

Spät am Abend kommen wir endlich wieder zu Hause an. Alex stellt den Wagen vor der Tür ab und zieht den Schlüssel ab. Wir sprachen die ganze Fahrt zurück kein Wort miteinander. Es gibt auch nichts zu sagen. Die vergangenen Stunden muss ich erst verarbeiten.

»Brauchst du noch was? Hast du Hunger? Oder Durst?«, fragt er, als wir ins Vorzimmer kommen. Ich schüttle den Kopf und mache mich auf den Weg nach oben in mein Zimmer.

Wie ferngesteuert ziehe ich mich aus und werfe mir mein Nachthemd über. Es ist aus beiger Seide und leicht durchsichtig, aber ich liebe wie es sich auf der Haut anfühlt. Ich schalte das Licht aus und kuschle mich ins Bett.

Über eine Stunde lang versuche ich vergeblich einzuschlafen, aber ich spiele die ganze Zeit den heutigen Tag im Kopf ab. Wie in Dauerschleife. Ich drehe mich im Bett hin und her und kann diese Unruhe einfach nicht abschütteln.

Leise tappe ich aus meinem Zimmer und steuere auf Alex' Tür zu. Ich lege ein Ohr an das Holz und versuche zu erraten, ob er noch wach ist, aber es herrscht Stille. Lange Zeit stehe ich einfach nur vor seiner Zimmertür und grüble vor mich hin, wäge alle Vor- und Nachteile ab.

Schließlich drücke ich vorsichtig die Schnalle nach unten. Als ich hineinkomme macht er schnell das Nachtlicht an und sieht mich leicht verwundert an.

»Ich... ich wollte dich nicht aufwecken, tut mir leid...«, sage ich schnell und will schon wieder gehen.

»Nein, warte! Du hast mich nicht aufgeweckt.« Ich drehe mich wieder zu ihm und nicke zögerlich. Ein paar Sekunden sagt keiner ein Wort. Ich stehe immer noch in der offenen Tür und beginne auf meiner Lippe zu kauen. Alex schmunzelt und klopft neben sich auf die Matratze.

»Komm her«, sagt er leise und lächelt mich an. Ich schließe die Tür und schleiche zu seinem Bett. Leicht verunsichert setze ich mich an den Rand und wünsche mir, ich wäre nicht gekommen. Das war eine dumme Idee. Ich weiß ja nicht einmal wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Noch dazu mache ich ihm gerade Hoffnungen, dass zwischen uns wieder alles so wird wie früher.

»Warum bist du hier?«, fragt er und reißt mich aus meinen Gedanken.

»Ich konnte nicht schlafen. Ich muss ständig an sein Gesicht denken. Wie er mich ansah als er abgeführt wurde.« Meine Augen werden glasig und meine Stimme verschließt sich. Alex legt seine Hand auf meine und streicht sanft darüber. Eine Träne kullert über meine Wange, die ich schnell wieder wegwische.

SOPHIE (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt