Die Sonnenstrahlen brechen durch die Baumwipfel und scheinen auf die kleinen Blumen, die vor wenigen Tagen zu sprießen begonnen haben. Der Himmel ist wolkenlos, nur ein paar Vögel fliegen durch das helle Blau und geben ihre heiteren Lieder zum Besten. Der laue Frühlingswind streicht mir angenehm durch die Haare, es herrscht das perfekte Wetter für Mitte März.
Die Kamera in meiner Hand klickt leise, als ich das Bild eines kleinen Mädchens einfange, das in den Armen ihres Vaters liegt. Ihre zarten goldenen Haare fallen in leichten Wellen über den pinken Pulli, als sie nach einem langen Grashalm greift, mit dem sie ihren Vater zu kitzeln versucht. Daraufhin hebt er sie hoch und wirbelt die Kleine in der Luft herum, sodass sie vor lauter Vergnügen kreischend alle Glieder von sich streckt.
Mit einem schleifenden Geräusch kommt das geschossene Foto langsam aus meiner Kamera. Ich ziehe es heraus und wedle es im Wind, damit die Farbe des Bildes hervorkommt. Kurze Zeit später werfe ich einen Blick darauf. Es ist perfekt. Ein kleiner, magischer Moment zwischen Vater und Tochter. Ein Schnappschuss, der mich wehmütig macht. Für einen Moment schließe ich die Augen und versetze mich in das kleine Mädchen hinein. Ich erinnere mich noch an das Glück, das ich damals empfunden habe und an das liebende Lächeln meines Vaters, das auf mir ruhte. Eine einzelne Träne kullert über mein Gesicht, die ich schnell mit meinen Fingern wegwische. Ich atme einmal tief durch und stehe von der Parkbank auf. Es wird Zeit für mich zu gehen, immerhin bin ich schon seit Stunden hier. Bald wird es dunkel und bis dahin sollte ich daheim sein.
Daheim... Was für ein starkes Wort. Doch muss der Ort, den man daheim nennt gleichzeitig auch ein Zuhause sein? Nein. Für mich ist er das zumindest nicht.
Ich trödle durch die Straßen und nehme extra den längeren Weg, um später nach Hause zu kommen. Bereits nach wenigen Minuten ist es dunkel und einzig die Laternen werfen ihren künstlichen, gelben Lichtstrahl auf die Straßen vor mir. Kurz bevor ich in meine Gasse einbiege, komme ich noch an einem gut gefüllten Gasthaus vorbei, aus dem von einem geöffneten Fenster lautes Gelächter und Musik ertönt. Ich erschrecke leicht, als ich neben dem Fenster einen Mann laut lallend: »Noch eine Runde!« rufen höre und gehe schnellen Schrittes weiter.
Vor meiner Wohnung bleibe ich stehen und beginne in meiner überfüllten Tasche herumzuwühlen. Erstaunlich, was ein Mensch alles mit sich herumschleppen kann! Ein betörender Geruch von Kaffee steigt mir in die Nase, als ich meinen Becher aus der Tasche nehme, um besser sehen zu können. Dann erblicke ich ihn. Den kleinen, silbernen Hausschlüssel. Schnell stopfe ich alle Sachen zurück in meine Tasche und drehe den Schlüssel im Schloss herum.
Die Tür entriegelt sich und ich gehe hinein. Sofort schießt mir der ekelerregende Gestank meines Lebens in die Nase und lässt wieder einmal den Wunsch in mir wach werden, ganz woanders zu sein. Es ist ein Gemisch aus Alkohol, abgestandener Luft, ungewaschener Füße und Zigaretten. Ich rümpfe angewidert die Nase und gehe schleunigst in mein Zimmer. Eilig schließe ich die Tür hinter mir ab, mit dem Versprechen sie heute nicht wieder zu öffnen. Erst als ich mit dem Rücken an der Tür lehne, kann ich wieder richtig durchatmen.
Ich trage meine Tasche zum Bett, das rechts von der Tür an der Wand steht und ziehe meine Kamera und die geschossenen Fotos heraus. Dann schnappe ich mir den Kaffeebecher und kippe den letzten Schluck in meinen Mund. Zwar ist er schon kalt geworden, aber der Geschmack der Freiheit haftet dennoch an ihm. Mit einem geschickten Wurf landet der leere Becher in dem Mülleiner unter meinem Schreibtisch, der gegenüber vom Bett steht.
Aus meinem Nachtkästchen hole ich ein Fotoalbum hervor, das mit einem Schloss versehen ist. Den Schlüssel dazu trage ich immer bei mir. Meine Finger fahren an meinem Hals entlang bis sie einen zarten Anhänger zu fassen bekommen, der an meiner Kette baumelt. Ich ziehe ihn hervor und entriegle das Buch. Hier klebe ich alle Bilder ein, die ich über den Tag schieße. Bilder von Familien mit Kindern im Park oder wie sie Händchenhaltend mit den Kleinen spazieren gehen. Alles, das ganze Album ist voll davon. Voll von Glück, Freude und Liebe.
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SOPHIE (Band 1)
FantasySophies Leben glich einem Traum bis ihre Mutter starb und ihr Vater, vor Trauer geblendet und gebrochen, anfängt sie zu schlagen. Das einzige Beständige, das sie noch auf den Beinen hält, ist ihr Kindheitsfreund Alex, mit dem sie alle Schwierigkeit...