Kapitel 3

22 2 0
                                    


Vielleicht denkt er, mir hätte mal irgendwer die Handtasche gestohlen oder so. Am besten lasse ich einfach etwas Gras über die Sache wachsen, dann ist das schnell Vergangenheit... zumindest bis nächsten Montag, wenn dieser dämliche Kurs wieder stattfindet. Fünf Mal zwei Stunden. Ganze zehn Stunden! Wie soll ich das bloß überstehen?

»Wann soll ich heute Abend fertig sein?«, frage ich, als wir vor der Schule stehen und auf den Bus warten.

»Ich hole dich um 18 Uhr ab.« Er grinst mich vielsagend an, woraufhin ich lächeln muss und die Augen verdrehe.

»Ja, du meinst, du holst mich mit deinem eigenen Auto ab, das du jetzt schon fahren darfst!«

»Allerdings!« Alex reckt stolz den Kopf in die Höhe und wedelt mir mit seinen Autoschlüsseln vor der Nase herum. Nur blöd, dass seine Eltern ihm verboten haben, unnötig Tank zu verschwenden, um zur Schule zu fahren. Sonst hätte ich eine tolle Mitfahrgelegenheit gehabt.

»Angeber«, murmle ich und drehe kichernd den Kopf weg.

»Hey, du sei mal schön still! Du hast noch nicht einmal angefangen mit dem Führerschein!« Mein Lächeln verblasst allmählich, als ich daran denke.

»Ja, weil meinem Dad das zu teuer ist...«

Natürlich könnten wir es uns leisten, aber erstens traue ich mich nicht zu fragen und zweitens kenne ich ohnehin schon die Antwort, also warum sollt ich das Risiko auf mich nehmen?

»Aber er weiß doch, dass du irgendwann lernen musst Auto zu fahren.«

»Ja natürlich!«, sage ich und versuche schnell wieder das Thema zu wechseln. »Was soll ich denn anziehen?«

»Naja... Je enger desto besser.« Alex lacht spitzbübisch und lässt seine Augenbrauen hüpfen.

»Für dich ziehe ich ein Nachthemd an, wenn du mir so kommst!«, spaße ich und schüttle den Kopf.

»Uhh... durchsichtig... ja, das geht auch.«

»Nein, nein ich werde ein richtig hässliches, langes und breites auspacken! Mit Rüschen! In pink!« Der Bus fährt ein und übertönt Alex' Lachen.

»Hast du kein Kleid oder so?«

»Ich zieh nie Kleider an.«

»Gut, dann gehen wir shoppen«, sagt er und sieht mich mit glitzernden Augen an.

»Was? Du willst mit mir shoppen gehen?«

»Ja!« Ich staune über seinen Enthusiasmus. Er ist von der Tatsache stundenlang mit mir von Geschäft zu Geschäft zu hetzen, viel zu begeistert. Vielleicht ist er doch schwul... Nicht einmal ich freue mich so über die Tatsache ein Kleid kaufen zu gehen.

»Ich kann nicht. Ich muss doch im Laden arbeiten.« Ich arbeite halbtags in einem Allzweckladen, nicht weit vom Park entfernt, in dem ich immer die Familien fotografiere. Das Geschäft wird von einer jungen Frau geführt, die ihn von ihren Eltern geerbt hat. Sie sind letztes Jahr verstorben, deshalb macht sie jetzt die Geschäfte.

»Kannst du Mary nicht anrufen und fragen, ob du heute frei haben kannst? So wie ich dich kenne, wolltest du bestimmt noch nie deine freien Tage einlösen«, meint Alex und sieht mich mit einem wissenden Lächeln an. Er hat vollkommen recht. Ich wollte meine freien Tage noch nie haben. Mary wird mir also ziemlich sicher frei geben. Vorausgesetzt die Kunden rennen sie nicht nieder, aber das ist eher unwahrscheinlich.

»Von mir aus«, seufze ich und zücke wenig begeistert mein Handy.

»Hallo Sophie, was gibt's?«, ertönt ihre freundliche Stimme aus dem Lautsprecher. Ich habe Mary vor ein paar Jahren kennengelernt, als ich zufällig in das Geschäft ihrer Eltern kam. Wir haben uns schnell angefreundet und gemeinsam mit Alex viel Zeit verbracht.

SOPHIE (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt