Kapitel 4

20 2 0
                                    


Da Alex heute ausnahmsweise mit seinem Wagen in die Schule fährt, sitze ich alleine im Bus und zapple auf meinem Sitz herum. Wie besessen kaue ich auf meiner Unterlippe, während ich aus dem Fenster schaue und förmlich die Sekunden zähle.

Wie wird es sich wohl heute mit ihm anfühlen?

Vielleicht sieht er unseren Kuss ja als eine einmalige Sache. Sowas wie ein One-Night-Kiss. Oder der gestrige Abend war nur ein sehr langer, sehr realer Traum von mir und das alles ist niemals passiert.

Als der Bus zum Stehen kommt, stocke ich. Alle Schüler drängen sich neben mir durch den Mittelgang, um schnellstmöglich den Bus zu verlassen, aber ich sitze steif da. Als wäre ich festgefroren. Meine Atemzüge gehen stoßweise und mein Herz macht kleine Aussetzer.

Was, wenn ihm unser Kuss tatsächlich nicht dasselbe bedeutet hat wie mir?

»Hey!«

Ich blinzle benommen, um wieder im Hier und Jetzt anzukommen und schaue nach vorne zum Busfahrer, der mich zornig anblickt.

»Wird's bald! Ich kann nicht ewig hier rumlungern!«, ruft er.

Ich sehe mich überrascht um. Alle sind schon weg. Ich sitze alleine im Bus und starre ins Nichts. Sofort steigt mir die Röte ins Gesicht. Peinlicher geht's wohl kaum!

Ruckartig stehe ich auf und werfe mir den Rucksack um die Schultern.

»Entschuldigung...«, nuschle ich bevor ich aus dem Bus springe. Sofort, als ich auf der Straße stehe, schließt der Busfahrer die Türen und rast davon. Ich verdrehe die Augen und schüttle den Kopf, als ich ihm hinterhersehe.

Ich stoße kräftig die Doppeltüren auf und tauche in die Schülermasse ein. Nach ein paar Schritten schon sehe ich ihn.

Er steht vor seinem offenen Spind und sieht einfach atemberaubend aus. Okay, er sah schon immer gut aus, aber jetzt kommt mir alles noch viel intensiver vor.

Ich gehe auf ihn zu und lehne mich lässig hinter ihm an die Spinde. Irgendetwas in seinem Schließfach nimmt ihn so sehr in Anspruch, dass er mich gar nicht bemerkt. Womöglich rätselt er gerade, was wir in der ersten Stunde haben. Erst als ich ihn anstupse, dreht er seinen Kopf zu mir. Sofort hellt sich sein Gesicht auf.

»Guten Morgen«, sagt er und strahlt mich an.

»Morgen.«

»Gut geschlafen?«

»Kaum«, gebe ich schmunzelnd zu. Alex streckt die Arme aus und zieht mich an sich. Dank seiner Größe kann ich meinen Kopf bequem gegen seine Brust lehnen. Seine starken Amre drücken mich an ihn und beschützen mich. Wenn ich bei ihm bin, fühle ich mich einfach sicher. Und bei meinen Verhältnissen will das schon etwas heißen!

Er beugt sich zu mir nach unten und bringt mein Herz abermals dazu Luftsprünge zu machen. Sanft drückt Alex seine Lippen auf meine und löst damit alle Zweifel und Sorgen, die mich bis vor einer Sekunde noch in den Wahnsinn getrieben haben, auf.

Irgendwie aufregend. Der erst Kuss in der Öffentlichkeit. Und in der Schule kann ich mir sicher sein, dass alle Augen auf uns gerichtet sind. Manche werden bestimmt mit den Fingern auf uns zeigen und angeregt tuscheln. Doch das ist mir egal. Alles andere ist mir egal, wenn Alex in meiner Nähe ist.

Plötzlich rempelt ihn jemand an, sodass er das Gleichgewicht verliert und mit mir gegen die Spinde knallt. Ein heftiger Schmerz durchfährt meinen Oberkörper. Der enorme Bluterguss von gestern hat sich violett verfärbt. Dummerweise habe ich heute Morgen vergessen, meine Schmerzmittel zu nehmen.

SOPHIE (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt