5. Kapitel

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Der Weg nach Hause kam mir unnatürlich lang vor, immerhin war ich vor einem halben Jahr  oft hierher gekommen um Taylor zu besuchen. Vielleicht lag es aber auch an meiner langen Wartezeit heute. Der Bus setzte anscheinend nicht wirklich auf Pünktlichkeit und ich war kurz davor einfach Taylor anzurufen. Dann bog der Bus um die Ecke und ich hielt meine eigene Idee für bescheuert, da Taylor ja um diese Zeit noch auf der Arbeit war. Letztes Jahr noch hätte seine Arbeitszeit perfekt mit meiner Schulzeit zusammengepasst, aber jetzt wo ich keine AGs mehr belegen durfte, hatte ich viel mehr Zeit. Der Busfahrer sah ziemlich grimmig aus und ich huschte schnell an ihm vorbei. Weiter hinten ließ ich mich auf den erstbesten Platz plumpsen und nahm mein Handy aus meiner Hosentasche. Als erstes schrieb ich Taylor eine SMS, da es ihn garantiert brennend interessierte, was ich mit Evangeline beredet hatte. Während ich schrieb, kam mir die Idee, dass ich ja Zoe anrufen könnte und ihr erzählen könnte, dass ich endlich herausgefunden hatte, welche Adresse auf dem Zettel stand. Schaden konnte es ja nicht und ich war mir sicher, dass sie ein vertrauenswürdiger Mensch war. Außerdem hatte ich ja nicht vor, ihr zu erzählen, dass Evangeline eine Hexe war. Mein Handy vibrierte und ich sah, dass Taylor mir geantwortet hatte.
Klingt spannend. CU Taylor.
Wieso zur Hölle war es für eine männliche Person nur so schwer ganze Sätze zu schreiben? War das etwa zu viel verlangt? Meine Nachricht ziemlich lang gewesen und er antwortete mit zwei Wörtern? Ich verdrehte halb verärgert, halb amüsiert, die Augen.

An meiner Haltestelle stieg ich aus und wollte gerade an unserer Haustür klingeln, als mein Handy erneut vibrierte. Es war eine Nachricht von Zoe.

Hi. Kann ich vielleicht vorbeikommen? AG war heute ziemlich langweilig. Z.

Ich blieb vor der Haustür stehen und antwortete ihr schnell. Eigentlich war das ja ein perfekter Zufall. Ich würde eine Nachmittagsbeschäftigung haben und ich konnte mit ihr reden. Ich verstand zwar nicht wirklich, warum es sie interessierte, aber wenn sie es wissen wollte, warum nicht? Plötzlich wurde die Tür vor mir aufgerissen und meine Mom stürmte mit besorgtem Blick aus der Tür. Sie lief in mich hinein und schreckte dann zurück. "Mom? Was ist?" "Evelynn! Da bist du ja! Mr. Morrison hat angerufen und gesagt, dass du nicht bei der Sitzung warst und da hab ich mir furchtbare Sorgen gemacht! Wo warst du bloß?" Erst hatte ihre Stimme aufgeregt geklungen, aber dann war sie immer kraftloser geworden und am Ende klang sie furchtbar verzweifelt. "Och Mom", ich umarmte sie, "Du musst nicht immer direkt in Panik ausbrechen. Ich...", kurz überlegte ich, was ich sagen könnte, "Ich wollte shoppen gehen. Hab aber nichts Gutes gefunden." "Ach Evelynn", der folgende Seufzer war abgrundtief, "du weißt doch, dass diese Sitzungen wichtig für dich sind. Sag doch wenigstens nächstes Mal Bescheid." "Ja okay Mom.", sie wollte sich schon umdrehen und wieder ins Haus gehen, da schien ihr noch etwas einzufallen. "Da war eben so ein Mädchen am Telefon. Zoe Gomez hieß die glaub ich. Die wollte mit dir sprechen. Ruf sie doch zurück." "Ach, das hat sich erledigt. Die kommt gleich hierhin." "Okay, dann viel Spaß euch beiden." Manchmal könnte man echt glauben, dass meine Mutter Demenz hätte. Keine normale Mutter wäre in dieser Situation nicht sauer auf ihr Kind. Nur meine konnte so einen Vorfall dermaßen schnell vergessen.

"Hey, Zoe. Schön dich zu sehen. Ich hab Neuigkeiten." Sie hatte auf meinem Bett Platz genommen und schaute mich neugierig an. "Dann schieß mal los. Im Gegensatz zu meinem Tag war deiner bestimmt interessant. Als wir diesen Kram für die Schweizer Garde noch vorbereitet haben war das ja ganz spannend. Aber jetzt ist es einfach nur öde. Du kannst von Glück reden, dass du da nicht mehr hinmusst." "Also, ich hab herausgefunden was auf diesem Zettel stand. Genauer gesagt war ich dort. Ist aber ziemlich langweilig. Nichts besonderes." Kurz blitzte etwas in Zoes Augen auf, dann lächelte sie. "Cool. Aber nichts besonderes ist doch untertrieben oder?" "Jaa. Gut, da steht eine riesige Villa. Gehört bestimmt irgendeinem Star." "Cool. Wie hast du das eigentlich rausgefunden? Bist du einfach hingefahren?" "Ja klar. Was sonst?" Sie grinste mich an, "Vielleicht bist du eine Hexe und auf deinem Besen dahin geflogen." Ich musste lachen, "Sicher. Aber das ist ja ganz normal."

Wir redeten gefühlte Ewigkeiten, solange bis Taylor in mein Zimmer platze. "Wie war es bei-", er sah Zoe und unterbrach sich. "Hi. Du bist doch der Typ von der Schweizer Garde oder?" Ich knuffte Zoe in die Seite. "Ja genau. Und du bist?" "Das ist Zoe. Zoe, das ist Taylor." Zoe erhob sich, "Okay, dann geh ich mal. Viel Spaß euch beiden. Ich war jetzt echt lange genug hier. Mom wird sich schon Sorgen machen. Tschüs." Sobald sie draußen war küsste Taylor mich und dann fragte er mich nochmals: "Wie war es denn jetzt bei Evangeline? Was hat sie gesagt?" Ich verdrehte die Augen. "Nichts wirklich besonderes. Robin und Max haben mir das Haus gezeigt, wir haben was gegessen und sie hat mich gefragt, wie es mir dort gefällt. Das Haus ist wirklich fantastisch, riesig und altmodisch", Taylor hörte mir gern zu, auch wenn ich bestimmt eine Ewigkeit von der Einrichtung der Zimmer erzählte. "Taylor, bestimmt kannst du auch mal mitkommen. Das wird dir gefallen."

"Riley, das Haus würde dir gefallen. Es ist riesig und modern und altmodisch zugleich." Ich hatte einfach zu seinem Grab gehen müssen. Eigentlich hatte ich es ja gar nicht vorgehabt, aber ich wurde anscheinend von diesem Friedhof angezogen. Schnell hatte ich noch eine Lilie gekauft, sie lag jetzt neben dem Blumenstrauß seiner Mutter. "Redest du eigentlich immer mit dem Typen? Der ist tot! Noch nicht bemerkt?!" "Robin! Du mieses kleines-" "Ganz ruhig Süße. Ich hab mal wieder einen Brief für dich. Sollte ab jetzt vielleicht lieber direkt zum Freidhof kommen. Ich war erst bei dir zu Hause und dann in deiner Schule." Mit diesen Worten übergab er mir den Brief. Kritisch betrachtete ich das Papier. "Werde ich es diesmal ohne Lupe lesen können?" "Mach nicht so ein Theater. Evangeline hat den Brief geschrieben, nicht ich. Wir sehen uns, also davon geh ich mal aus." Bevor ich ihm noch eine unfreundliche Bemerkung an den Kopf werfen konnte, war er schon wieder in den Büschen verschwunden. Misstrauisch öffnete ich das Schreiben, aber Robin hatte nicht gelogen. Das war eindeutig eine andere Handschrift als beim letzten Mal.

Liebe Evelynn,
Nach deinem Besuch habe ich nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es vielleicht gut für dich wäre ebenso wie Robin, Max und die anderen regelmäßig Kampfstunden zu nehmen. Da dies am besten bei mir zu Hause geht, würde ich dich gerne einladen ab jetzt regelmäßig zu trainieren. Ich weiß allerdings nicht, inwiefern das in deinem Fall deine schulischen Leistungen beeinflussen würde, sodass ich dich darum bitte, selbst einmal darüber nachzudenken. Dein Freund Taylor könnte natürlich, obwohl er kein Ombré ist, ebenfalls mitkommen. Allerdings halte ich es nicht für sinnvoll, wenn ihr gemeinsam Unterricht hättet. Denke darüber nach und melde dich bei mir. In Brownsville bist du jeder Zeit herzlich willkommen.
Mit freundlichen Grüßen
Evangeline

Darüber musste ich definitiv erstmal nachdenken, auch wenn es wunderbar klang. ich würde auch so gut kämpfen können wie die anderen, ich würde zu ihnen gehören und ich wäre öfter bei Evangeline. Es hörte sich wirklich perfekt an. Fragte sich nur noch, was Taylor davon hielt.

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