15. Kapitel

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Ganz der Gentleman hielt Robin mir die Tür auf, ich machte einen seltsamen Knicks und ging hinaus. In der Eingangshalle umarmte er mich kurz, dann kehrte er zurück und ich schob die schwere Eingangstür auf. Tatsächlich wartete mein Vater schon ungeduldig um mich zum Auto zu bringen. Anscheinend wollte er mich nicht unbedingt auch nur einen Schritt alleine im Dunkeln gehen lassen. "Wie war dein Tag?", er versuchte es mit Smalltalk. "Anstrengend. Und ich hab auch eigentlich gar keinen Hunger mehr. Kannst du mich nicht einfach zu Hause absetzen?" "Du weißt das ich gerne meine ganze Familie mitnehme. Dazu gehörst auch du." Resigniert entfuhr mir ein Seufzer, "Okay."

Im Auto versuchte meine Mom angestrengt mich nicht genervt anzusehen, aber es misslang ihr. Sie hasste es wenn ich mich mal wieder verspätete. Aus diesem Grund versuchte ich sie strahlend anzulächeln . "Hallo, wunderschöner Abend heute oder?" Niemand antwortete. Na dann eben nicht.

Furchtbar langweilig. Anders konnte man den Abend einfach nicht beschreiben. Niemand redete mit mir, was verständlich war, schließlich war ich nur die unbedeutende Tochter. Aber da kam doch die Frage auf wieso man überhaupt hier war. Ethan warf mir wütende Blicke zu oder ignorierte mich vollkommen. Dad hatte zu viel mit den anderen Leuten zu tun um mich überhaupt zu bemerken. Und Mom sah mich an als wolle sie mir irgendetwas mitteilen. Erst später am Abend verstand ich auch was: Vertrag dich mit deinem Bruder. Euer Streit ist unsinnig. Von wegen! Für mich war er wichtig. Das einzige was mich rettete war das gefühlt einen Kilometer lange Buffet. Das hier war sogar besser als die Essen bei Evangeline. Meine Gedanken schweiften zum  Essen am kommenden Samstag. Die Prüfungen würde ich doch sicher bestehen. Oder nicht? So schlecht war ich nicht mehr, dies hatte selbst Robin bestätigt.

"Schatz, möchtest du nicht doch was essen?" Granny sah schon die ganze Zeit auf meinen leeren Teller. Aber heute war Freitagabend und ich hatte mittlerweile panische Angst vor der Prüfung. Essen war da absolut tabu. Das würde nur wieder rauskommen und dafür hatte ich keine Nerven. "Was ist denn los mit dir?", kam es sofort von einer besorgten Mom nachdem ich den Kopf geschüttelt hatte. Zuerst zuckte ich nur mit den Schultern, dann aber sah ich von meinem Teller auf, "Morgen ist meine Prüfung die meine Probezeit endgültig beenden würde. Und ja, da bin ich halt ziemlich aufgeregt. Denn wenn ich sie nicht bestehe fange ich  quasi wieder von vorne an. Und darauf habe ich keine Lust." "Mhh." Niemand sagte weiter etwas und ich erhob mich. Vielleicht konnte ich mit meinen Aushilfsdolchen, sprich meinen Stiften, noch ein bisschen üben. Das konnte schließlich den Unterschied zwischen bestanden und nicht bestanden machen. Komisch, dieses Gefühl hatte ich in der Schule nie. Da war es mir meistens egal ob ich die Prüfung bestand oder nicht. Zugegeben, ich war auch nicht wirklich schlecht in der Schule. Aber sie bedeutete mir anscheinend eher weniger.

Meine Muskeln wollten sich nicht bewegen. Mensch, was war denn bloß los mit mir? Alles tat weh und aufstehen wollte ich schon gar nicht. Allerdings hatte ich schon zweimal die Schlummertaste gedrückt und obwohl aller guten Dinge ja drei waren, wenn ich jetzt nicht aufstand, kam ich zu spät. Also trotzte ich meinen Gewohnheiten und bewegte mich vor zehn Uhr aus meinem gemütlichen, kuschelig warmen Bett. Okay, ich war in Miami. Da war es den ganzen Tag warm, aber mein Bett zu verlassen hieß auch, dass ich mich den Prüfungen stellen musste. Prüfungen vor denen ich wirklich eine Heidenangst hatte.
Dad schaute zwischendrin mal ins Zimmer und wünschte mir Glück von allen, auch von meinem Bruder wie er betonte.

Noch einmal tief einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Dann langsam die Hand heben und die Tür öffnen. In der Eingangshalle wimmelte es von Schülern; sie sahen alle so aufgeregt aus wie ich mich fühlte. Evangeline stand inmitten der Menge und versuchte alle zu beruhigen. "So, ihr wartet alle hier und versucht euch zu entspannen. Ich werde gemeinsam mit Robin, Madlena und ein paar anderen nach oben in den Trainingsraum gehen und euch nacheinander aufrufen. Dann versucht ihr so gut wie möglich durch die Prüfungen zu kommen", die Hexe hatte mich entdeckt und lächelte mir kurz zu, "Viel Glück!" Robin wollte zu mir kommen, doch Evangeline legte eine Hand auf seinen Arm und symbolisierte damit, dass er sofort mit hochkommen müsse. Er lächelte mir also nur noch einmal ermutigend zu und stieg fröhlich die Treppe hoch. Mir war nicht so gut zumute, ich stellte meine Tasche ab und nahm auf dem Sofa etwas abseits der Anderen Platz. Meine Gedanken glitten zu dem Moment in dem ich die Prüfungen bestanden hatte und alles gut war. Taylor würde mich küssen und mir sagen, wie stolz er auf mich war. Die furchtbare Aufregung in meinem Bauch würde verschwinden und ich könnte wieder essen und schlafen. Leider musste ich dazu erst einmal eine gute Leistung dort oben erbringen. Ich konnte das!

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