Langsam musste hier etwas faul sein. Ich träumte schon wieder. Wovon wusste ich allerdings noch nicht. Ich stand am Rande eines Waldes mit großen Nadelbäumen, deren riesige Schatten mich zu verschlucken drohten. Die Sonne ging gerade am Horizont unter und ich fragte mich, wie viel Uhr es wohl war. Mir schien, als solle ich hinunter ins Dorf, aber ich war misstrauisch. Würde ich wieder einem so grausamen Hexenprozess beiwohnen müssen? Würden wieder Unschuldige gehängt oder verbrannt werden? Schnell warf ich noch einen Blick auf den Wald in meinem Rücken. Sollte ich nicht vielleicht lieber dort hinein gehen? Ach was, so wie ich mich kannte, würde ich mich nur wieder verlaufen. Also ging ich mit einem großen Widerwillen hinunter ins Dorf. Warum immer ich?
Beim Näherkommen erkannte ich, dass das alles ziemlich vertraut war. Und schließlich sah ich auch den mir bekannten Markplatz. Ich war in Cutterville gelandet, der Nachbarstadt von Huntsville. Es war kein weiter Weg dorthin und kurz erwog ich, das auf mich wartende einfach stehen zu lassen und in mein Heimatdorf zu gehen. Dort würde ich vielleicht meine Eltern beobachten können auch wenn sie mich noch nicht kannten. Doch dann würde ich vielleicht niemals aufwachen. Obwohl, eventuell konnte ich auch zu Evangelines Haus gehen und sie bitten irgendeine Magie anzuwenden. Keiner der anwesenden Menschen war aus Huntsville und ich war ziemlich erleichtert, denn wenn mich irgendwer erkannt hätte, dass wäre es aus gewesen. Doch einiges schien trotzdem anders. Die Marktstände wirkten neuer, und der Besitzer des Gemüsestandes bei dem Ivy und ich immer unser Essen eingekauft hatten war viel jünger als der, den wir gekannt hatten. Wahrscheinlich war ich in einem Cutterville vor meiner Zeit gelandet. Dies machte es nur wahrscheinlicher, dass ich einem Prozess beiwohnen sollte, denn in früheren Zeiten waren viel mehr Frauen unschuldig verbrannt worden als zu meiner Zeit. Die Inquisition hatte es noch nicht gegeben und die Wachen waren mit den Anschuldigungen völlig überfordert. Also hatten sie damals das erstbeste gemacht, was ihnen in den Sinn kam. Sie hatten die armen und unschuldigen Frauen überfallen und sie umgebracht. Ich wollte unbedingt wieder aufwachen, wusste aber nicht wie ich das bewerkstelligen sollte.
Plötzlich zog mich irgendeine Kraft zu einem der zweistöckigen Fachwerkhäuser und ich folgte dem Gefühl in meinem Inneren. Was sollte ich dort? Wurden die Verurteilten dort gefangen gehalten? Mit einem tiefen Seufzer öffnete ich langsam die Tür und betrat das Gebäude. Es war dunkler als draußen, obwohl die Fackeln an den Wänden brannten. Außerdem roch es ziemlich modrig und der Staub lag zentimeterhoch auf dem Boden. Vorsichtig ging ich durch den kleinen Flur, von dem drei Türen in andere Räume führten. Woher meine Feigheit auf einmal kam wusste ich nicht, es war schließlich nur ein Traum und das schlimmste was passieren konnte war, dass ich aufwachen würde und das wäre im Grunde genommen sogar ziemlich gut. Aber es war trotzdem jedes Mal wieder ein seltsames Gefühl erschossen zu werden und obwohl in diesem Zeitalter noch keine Pistolen in der heutigen Form gab, würden Verletzungen von Schusswaffen trotzdem wehtun. Es war nicht der wirkliche Schmerz, sondern nur ein schwacher Abklatsch davon , weshalb es immer auszuhalten war. Es fühlte sich so an, als hätte man Kopfschmerzen, die aber den ganzen Körper mit Schmerz erfüllten. Doch im Moment ging es mir noch gut und daran sollte sich meiner Meinung nach erst mal nichts ändern. Trotzdem öffnete ich die erste Tür. Im dahinterliegenden Raum war niemand und ich fühlte mich ziemlich erleichtert. Es sah so aus, als würde in diesem Raum jemand schlafen, aber es gab keine Betten. Es waren überall Klamotten verteilt und die Matratzen auf dem Boden waren zerwühlt. Die Schränke an den Wänden wurden offensichtlich nicht benutzt und die Lampe an der Decke war durchgebrannt. Im ganzen Zimmer gab es nur zwei kleine Fenster und es war furchtbar stickig hier. Schnell ging ich wieder in den Flug und zog die Tür hinter mir zu. Gerade als ich wieder dort angekommen war und aus dem Fenster schauen wollte, hörte ich aus dem einen Raum laute Stimmen und erkannte mein Ziel. Also öffnete ich ohne Rücksicht darauf, dass die Menschen dahinter mich so hören mussten die Tür. Das taten sie aber nicht, denn hinter ihr führte nochmal ein kleiner Gang in den Raum. Durch ein Gitter konnte man jedoch schon von der Tür aus in den Raum sehen. Dort standen drei Männer in schwarzen Umhängen. Sie hatten sich über verschiedene Papiere gebeugt und redeten leise miteinander. "...nachts nach Huntsville..." "...Hexe wird uns bemerken..." Ich hörte immer nur Wortfetzen, da sie sich von mir abgewandt hatten, aber mit der Zeit verstand ich, über was sie redeten. Sie wollten Hexen verfolgen und es schien als wären diese in Huntsville. Sie wussten, dass Evangeline im Wald lebte und wollten ihr ausweichen. Hieß das, dass die Iram Vindicem Angst vor der Hexe hatten? "...beobachten....Hexe.....töten....." Mir wurde das langsam zu bunt! Konnte ich nicht einfach aufwachen? Ich wollte raus aus diesem Haus, weg von den Iram Vindicem. Warum konnte ich nicht von schönen Dingen träumen? Einhörner wären zum Beispiel ganz wunderbar.
Die Tür hinter mir öffnete sich mit einem Quietschen und ich erstarrte. Dann drehte ich mich langsam um und sah einem Iram Vindicem in die Augen. Er blickte mich verwirrt an und mir wurde klar, dass ich in dieser Zeit noch keine Gejagte war. Er dachte, ich sei ein Mensch, der sich hierher verirrt hatte. Man sah ihm an, dass er überlegte, was nun zu tun war, dann entschied er sich aber für die herkömmliche Weise und hielt mir seine Pistole an die Brust. Dass er abdrückte merkte ich kaum, ich freute mich innerlich darauf endlich wieder in meinem Bett aufzuwachen. Doch den Schmerz spürte ich trotzdem als ich langsam auf den Boden sank. Links von mir erschienen nun auch die anderen Männer die sich zuvor unterhalten hatten -vermutlich waren sie vom Knall der Pistole unterbrochen worden- und sahen mich ernsthaft an. Es war mal eine andere Erfahrung, sie starrten mich einmal nicht so hasserfüllt an. Gut zu wissen, dass sie die normalen Menschen nicht so sehr verabscheuten wie uns. Meine Augen schlossen sich und ich nahm um mich herum nichts mehr wahr.
Keine Nachricht? Dieser Traum musste von den Iram Vindicem kommen, aber warum hatten sie mir dann keine Nachricht hinterlassen wie bisher? Wollten sie nichts verraten? Und egal, wie seltsam die Träume gewesen waren, eins war sicher: Die Iram Vindicem waren wieder da. Aber sie wussten, dass ich von Evangeline trainiert worden war und zeigten nicht, wo genau sie waren. Das musste es sein. Am liebsten wäre ich sofort zu Evangeline gefahren, aber ich wusste, Mom würde sich dann morgen früh Sorgen machen. Auch Grandma wäre ganz bestimmt nicht begeistert von dem Ganzen. Schließlich liebte sie es mir mein Frühstück zu machen. Also ließ ich meinen Kopf wieder ins Kissen fallen und versuchte weiter zu schlafen.
Nachdem die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war, sah ich mich in der Eingangshalle um. Ein kleiner Goblin stand in einer Ecke und ich ging zu ihm. Während ich sprach lächelte ich freundlich: "Kannst du mir vielleicht sagen wo ich Evangeline finde?" "Mit dir rede ich nicht. Du warst gemein zu Tiffy." Tiffy musste der kleine Goblin sein, der gestern in mich hinein gerannt war. "Das tut mir ja auch leid, aber es ist wirklich sehr wichtig." "Ich sage nichts." Es war sinnlos ihn weiter zu belästigen, also ließ ich in Ruhe und beschloss andere Ombré zu suchen. Ausgerechnet heute war natürlich niemand im Aufenthaltsraum und so ging ich zum Trainingsraum wo ich sicherlich Robin finden würde. Dieser war nicht wirklich mitteilsam, nickte aber zum Nebenzimmer. Dort fand ich Evangeline dann endlich. Sie schien sehr beschäftigt zu sein und lief die ganze Zeit durch ihr Zimmer als suche sie etwas. Selbst während ich erzählte las sie irgendetwas in ihrem Buch nach, schien mir aber trotzdem zugehört zu haben, denn als ich fertig war begann sie zu reden. "Ich habe dir den Traum jedenfalls nicht geschickt. So etwas würde ich dir niemals antun. Auch diese Hexenprozesse, wie fürchterlich. Das alles ist höchst beunruhigend. Hör zu Evelynn, wenn das nochmal passiert komm umgehend zu mir. Die Iram Vindicem sind gefährlich. Selbst mit deinem Training könnten sie dich problemlos töten. Pass auf dich auf. So, hör mal, ich hab gerade sehr viel zu tun. Du bist zu einem ungünstigen Zeitpunkt gekommen. Wärst du so lieb und würdest mich alleine lassen?" "Ach so, ja klar." Dann fragte ich die Hexe noch ob sie wisse, wo Taylor war. "Soweit ich weiß ist er oben. Sie doch mal nach." Draußen auf dem Flur machte ich mich, an fies blickenden Goblins vorbei, auf dem Weg zu den Wohnräumen um Taylor von meinem Traum zu erzählen.
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Hexenjagd
ParanormalDas ist der 2. Teil. (Der 1. Teil heißt Hexenflammen;) Was, wenn du von einer Sekte verfolgt wirst, die dich umbringen will? Was, wenn du kein Mensch bist und übernatürliche Kräfte hast? Was, wenn du von einer Hexe in eine andere Zeit geholt wirst...