34. Kapitel

58 6 2
                                    

Ich war furchtbar aufgeregt, auch wenn ich natürlich gar keinen Grund dazu hatte. Aber gleich würde ich aus dem Bahnhof heraustreten und dann endlich die Stadt sehen, die heute den Namen Hunstville trug. Die Zugfahrt war ganz okay gewesen, wenn auch ein bisschen lang. Aber das war ja, wie ich mir wieder und wieder sagte, meine Schuld. Immerhin war ich diejenige, die sich weigerte zu fliegen. Auch wenn ich sogar selbst begann -nach einer erneuten und ewigen Diskussion mit Taylor und Lysander, der furchtbar gerne mal in so ein "Metallvogelding" einsteigen wollte- es albern zu finden. So schlimm konnte es ja gar nicht sein und bestimmt würden die Zwei versuchen, mich abzulenken. Und vielleicht würde unser nächstes Ziel, falls es eines geben würde, so weit entfernt liegen, dass ein Flug unbedingt notwendig war. Zugegebenermaßen wurden mir diese sehr sehr lange dauernden Zugfahrten so langsam etwas zu nervig, aber das konnte ich vor Taylor auf keinen Fall zugeben, zog er mich doch immer mit meiner Flugangst auf. Ein leichtes Grinsen huschte über mein Gesicht -sofort unterbrochen von einem lauten Schnipsen. "Hallo? Erde an Evelynn? Gibt es noch Leben auf ihrem Planeten?" "Schwachkopf. Ich hab nur grad geträumt." "Ja, das hab ich mitbekommen. Können wir jetzt rausgehen? Ich hatte nämlich nicht vor, hier am Bahnhof zu pennen. Und das Hotel sucht sich nicht von selbst." "Ja klar, ich komme mit raus. Aber wäre es dann nicht schlauer und zeitsparender wenn ich direkt zu diesem Krankenhaus fahren würde? Ich meine, da werden ja kaum Iram Vindicem auf mich warten, oder? Die haben da sicher Wachleute und ich kann mich ja auch unsichtbar machen." "Gefällt mir nicht, aber ja gut. Wenn du willst. Aber dann bleib bitte auch unsichtbar. Wie du grad selbst bemerkt hast werden Krankenhäuser überwacht und das auch mit Kameras. Wenn da plötzlich aus dem nichts ein Mädchen auftaucht werden sie denken-" "Dass eine Kamera ein techniches Gerät ist und dieses technische Gerät einen Schaden hat? Ja vermutlich. Oder wolltest du etwas anderes sagen?" "Ja oder aber sie haben da einen Iram Vindicem eingeschleußt und der weiß dann genau, wer du bist und wo er dich finden kann." "Sind wir heute wieder ein bisschen paranoid unterwegs?" "Ach, jetzt hör schon auf. Ist ja gut. Ich vertraue dir." "Na bitte", gerade zufrieden mit mir und der Welt nahm ich Taylors Hand und zog ihn nach draußen.

"Oh", mehr brachte ich nicht heraus, denn irgendwie war ich enttäuscht. Das sah alles einfach mal gar nicht so aus wie in meiner Vorstellung. Um genau zu sein war das hier nicht groß anders als Miami. Ja gut, ein bisschen ländlicher vielleicht. Okay, viel ländlicher. Viel mehr Grünzeugs und so. Aber die Häuser, tja die waren ziemlich neumodisch und sahen teuer aus. Die Wände waren verputzt -zumindest größtenteils- und es gab Autos. Meine Enttäuschung war zu groß für meinen Geschmack und völlig bescheuert. Klar sah das hier nicht so aus wie das Huntsville, das ich kannte, es war ja so viel Zeit vergangen und gelegen hatte mein Huntsville auch ganz woanders. Also warum bitte war ich so enttäuscht? Hatte ich wirklich den Marktplatz erwartet? Vielleicht auch die Grundmauern meines Elternhauses (der Rest des Hauses war ja immerhin abgebrannt)?. Mir war gerade danach zu Mute, mir selbst eine ordentliche Ohrfeige zu verpassen. Ich sollte mich darauf konzentrieren das dämliche Krankenhaus zu finden und nicht auf meine Gefühle dieser Stadt gegenüber. Die konnte ich dann morgen entfalten, oder heute Abend, wenn ich hoffentlich in einem gemütlichen Bett lag. Aber nicht hier! Auch Lysander schien das so zu sehen, denn er unterbrach meine Gedanken lautstark: "Also ich bin ja der Meinung, dass ihr zwei mal in die Pötte kommen solltet. Es wird ja bald schon dunkel." Mit einer weit ausschweifenden Geste zeigte er auf den blauen, von süßen kleinen Wölkchen durchzogenen Himmel, der keinerlei Anstalten machte sich dunkler zu verfärben. Dann nahm er einen Zipfel von Taylors T-Shirt und zog ihn in Richtung der Touristeninformation. "Und du Evelynn, auf auf zum Krankenhaus. Ihr beide könnt ja dann später telefonieren. Und ja, wir haben uns alle ganz doll lieb, um eure gewöhnliche Konversation mal zu übernehmen." Da hatte es aber jemand eilig. "Gut, ich mach ja schon. Bis später", und, nur um Lysander zu ärgern fügte ich noch schnell hinzu, "Wir können ja dann telefonieren. Ich hab euch lieb."
Ich ging los und kurze Zeit später verschwanden die beiden hinter einer Ecke.

HexenjagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt