#Kapitel 29

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Sophie POV
In Levis Armen wachte ich auf und runzelte die Stirn. Mein Kopf schmerzte und ich presste eine Hand auf meine Stirn. Vorsichtig befreite ich mich aus seinen Armen und stand auf. Irgendwo hatte Levi bestimmt irgendwas gegen Kopfschmerzen, also durchsuchte ich die ganzen Taschen. In einer fand ich tatsächlich Kopfschmerztabletten und nahm eine. Danach nahm ich mir frische Kleidung und ging duschen. Irgendwie fühlte ich mich anders als gestern, aber gestern war auch sehr komisch gewesen. Gestern kam mir sowieso sehr seltsam vor. Aufgewacht war ich wieder in dem Kofferraum und als Levi mich dort rausgeholt hatte, war es so seltsam. Alles, was geschehen ist, fühlte sich so an, als wäre es nicht passiert. Auch heute fühlte es sich so an, als wäre die letzten Wochen gar nicht passiert.

Verzweifelt saß ich auf dem Boden der Dusche und ließ das kalte Wasser auf mich prasseln. Irgendwann wurde das Wasser plötzlich ausgemacht und ich schaute erschrocken auf. Levi stand neben mir und sah abgehetzt aus. „Scheiße, Sophie! Ich dachte du wärst abgehauen!“, schrie er und schlug gegen die Wand. Wortlos sah ich ihn an und er seufzte. Er ging in die Hocke, nachdem er sich beruhigt hatte und legte seine Hände auf meine Arme. „Du bist eiskalt, Sophie, willst du krank werden?“, fragte er mich besorgt und ich schüttelte den Kopf. Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht gemerkt hatte, dass ich lange unter dem kalten Wasser gesessen hatte. Levi hob mich hoch und setzte mich auf dem geschlossenen Klodeckel ab. „Ich hatte solche Angst, als du nicht neben mir lagst. Jag mir bitte nie wieder so einen Schrecken ein“, bat er mich und trocknete mich ab. Unsicher verschränkte ich die Arme vor der Brust und senkte den Blick. „Schäm dich nicht Sophie, du bist wunderschön“, flüsterte Levi und zwang mich ihn anzusehen. Ich schüttelte den Kopf und er verdrehte die Augen. „Keine Sorge, ich werde dich schon noch spüren lassen, wie schön du bist, Sobald es dir wieder besser geht“, meinte er und ich erstarrte. Was wollte er damit andeuten? Entspannt trocknete Levi mich ab und schickte mich dann rüber ins Schlafzimmer.

Völlig verwirrt zog ich mich an und ging dann runter ins Wohnzimmer. Wie gestern stellte ich mich vor die Glasfront und starrte nach draußen, auf das Meer. Wieso hatte Levi mich ausgerechnet hierher gebracht? Was hatte das zu bedeuten? Und wieso fühlte sich alles so surreal an? Ich schlang die Arme um mich selbst und ließ mich auf den Boden sinken, als meine Beine nachgaben. Auf einmal setzte Levi sich hinter mich und zog mich an sich. „Shh, nicht weinen, ist schon gut. Es ist alles gut“, flüsterte er und ich merkte erst jetzt, dass ich tatsächlich weinte.

„Wieso Levi? Wieso hast du mich hergebracht?“, fragte ich leise und wunderte mich, dass ich wieder sprach. „Im Sommer hat es dir doch so sehr gefallen und du verbindest nur positives mit diesem Ort. Deshalb hatte ich die Hoffnung, dass es dir helfen würde wieder wie früher zu werden“, erklärte er mir und sah mich liebevoll an. „Das einzige was mir helfen würde, wäre ein normales Leben, Levi! Eines in dem du kein verrückter Mörder bist, in dem ich nicht für alle anderen als tot gelte und eines in dem ich diese scheiß Erinnerungen nicht habe!“, schrie ich und er schüttelte den Kopf. „Du kannst aber nichts davon ändern, also finde dich damit ab und lebe! Ich werde dir all deine Wünsche erfüllen Sophie, sofern es nicht darum geht, dich gehenzulassen, denn das kann ich nicht“, erwiderte er ruhig und ich schüttelte verzweifelt den Kopf. „Du verstehst es nicht, Levi…wie kann ich mit dir zusammen sein, wenn ich weiß, was du getan hast?“, wollte ich aufgebracht von ihm wissen. „Ganz einfach, indem du nicht mehr daran denkst. Vergiss es einfach und denk nur noch an das schöne Leben, welches wir beide haben können“, meinte er sanft und lächelte mich an.

In seinem Blick lag so viel Liebe, dass ich damit überfordert war. Wie konnte er so für mich empfinden? Wie konnte überhaupt jemand, so für mich empfinden? Levi seufzte wieder und zwang mich meinen Kopf an seine Brust zu lehnen. „Entspann dich einfach und mach dir keine Gedanken mehr. Wir beide sind zusammen hier und keiner kann uns trennen. Niemand wird dir je wieder wehtun“, flüsterte er und strich mir über den Kopf. War es wirklich so einfach? Konnte ich wirklich vergessen, was er getan hatte und friedlich hier mit ihm Leben? „Ich habe keine Kraft mehr, Levi. Ich kann einfach nicht mehr…“, wisperte ich verzweifelt und verbarg mein Gesicht an seiner Brust. „Deshalb bin ich ja da und werde auf dich aufpassen. Du musst nicht mehr kämpfen, das werde ich für dich tun. Bleib einfach bei mir, dann wird alles gut“, versprach er mir und ich schloss die Augen, Oh, ich wollte ihm so gerne glauben und es klang so ehrlich, was er sagte. Aber konnte ich es wirklich riskieren? Sagte er wirklich die Wahrheit? Ich klammerte mich in sein Shirt und schluchzte. Meine Psyche war völlig am Ende und ich wusste das. Ich wusste, dass ich psychisch krank war, dass Levi versuchte mich zu manipulieren und leider funktionierte es. Der vernünftige Teil in mir brach nun auch langsam unter all der Last zusammen und der Teil, der Levi schon länger verfallen war, wurde immer größer.

Einige Zeit saßen wir so auf dem Boden und ich starrte auf das Meer. „Komm Sophie, du hast heute noch nichts gegessen und ich will nicht, dass du deine Gesundheit vernachlässigst“, meinte Levi und stand auf, aber ich wollte hiersitzenbleiben. „Sophie, was ist denn? Willst du nicht essen?“, fragte er mich und ich sah ihn an. „Hab keinen Hunger“, antwortete ich und schaute wieder aufs Meer. „Du musst aber etwas essen“, widersprach er und ich zuckte mit den Schultern. Plötzlich zog er mich am Arm auf die Beine und hinter sich her in die Küche. Dort zwang er mich auf einen der beiden Stühle und wandte sich zum Kühlschrank. „Worauf hast du denn Lust?“, fragte Levi mich, aber ich antwortete ihm nicht. Ich hatte keinen Hunger, wieso verstand er das nicht und ließ mich in Ruhe? Genervt seufzte Levi und holte ein paar Sachen aus dem Kühlschrank. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits Nachmittag war, da ich absolut kein Zeitgefühl mehr hatte, konnte ich nicht sagen, wann ich aufgestanden war, wie lange ich unter der Dusche gewesen war oder wie lange wir auf dem Boden gesessen hatten. Irgendwann stellte Levi mir einen Teller mit einem Omelette hin und legte noch Besteck dazu. Demonstrativ schob ich den Teller von mir weg, aber da Levi sich wieder umgedreht hatte sah er es nicht.

Leise stand ich auf und schlich zur Türe. Seit Wochen war ich nicht mehr an der frischen Luft gewesen und das vorgestern beim Motel und gestern beim hier ankommen war einfach zu wenig. So leise wie möglich öffnete ich die Terrassentüre und schlich auf die Terrasse. Es war recht kühl, aber das war mir egal, ich genoss einfach die frische Luft. Ich zog die Socken aus, legte sie auf den Tisch und betrat den Strand. Der Sand war kalt, fühlte sich aber so schön an unter meinen Füßen. Befreit lief ich zum Meer und stellte mich rein. Das kalte Wasser ließ mich lachen und ich breitete die Arme aus. Der Wind zerrte an meiner Kleidung und meinen Haare, aber den Wind überhaupt zu spüren, tat so gut. Die Welle umspülten meine Beine und dass meine Hose dabei nass wurde, interessierte mich dabei überhaupt nicht. Das Rauschen des Meeres entspannte mich und ich schloss die Augen. Vielleicht hatte Levi in einem Punkt recht, es tat gut hier zu sein, nach allem, was die letzten Wochen passiert war. Obwohl das Wasser wirklich sehr kalt war, ging ich noch etwas weiter rein, bis mir das Wasser bis zu den Knien ging. Ob ich krank werden würde interessierte mich nicht, mich interessierte nur das Rauschen des Meeres, der Wind und das Wasser, mehr wollte ich gerade nicht.

Die Luft roch so herrlich salzig und auch nach Freiheit. Vielleicht konnte das niemand nachvollziehen, der nie für längere Zeit eingesperrt gewesen war, ohne frische Luft zu bekommen. Nur im Wasser zu stehen reichte mir nicht mehr, deshalb tat ich etwas, was andere vermutlich für völlig verrückt halten würde, aber das war mir egal. Ich ging weiter ins Wasser und legte mich auf den Rücken. Das Wasser trug mich und ich schaute in den Himmel. So entspannt war ich ewig nicht mehr gewesen, es war als würde das Wasser mir die ganze Last abnehmen. Glücklich schaute ich die vorbeiziehenden Wolken an und vergaß dabei die Zeit.

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