F I V E

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Da war ich jetzt also.
Das hier soll meine Heimat bis zu meinem Tod sein.
Es war eine große Anlage mit einem gepflegten Vorgarten und das Gebäude ein kleines Schloss.
Okay, vielleicht nicht klein, sondern groß.

Ich wollte mich gerade umdrehen und mich von meiner Mutter verabschieden, als sie einfach auf das Gaspedal drückte und wegfuhr.

"Nein", hauchte ich und stolperte benommen mehrere Schritte nach vorne, auf der Suche nach dem Eingang in meine neue Hölle.

Jedoch knickten meine Beine mitten auf dem Weg zusammen und dadurch auch gleich meine Seele mit.
Ich weinte hemmungslos meinen ganzen Schmerz, meine ganze Verzweiflung heraus.

Wie konnte man mir das nur antun?!
Was hatte ich getan?!

"Hey, alles okay?", ertönte eine kräftige, dunkle Stimme hinter mir und jemand tippte mir auf die Schulter.
Langsam drehte ich mich um.
Hinter mir stand ein Junge, ungefähr ein Jahr älter als ich, blaue Augen und kurzes, blondes Haar.
"Ja, alles okay", murmelte ich, stand auf und klopfte mir den Staub des mit Kies ausgelegten Wegs ab.
"Suchst du den Eingang? Ich kann dir helfen", meinte er gleichgültig.
Erstaunt sah ich ihn an und tupfte mir mit einem Taschentuch die Tränen weg.

"Gerne, danke", gab ich erleichtert darüber, dass mir gleich jemand seine Hilfe anbot, zurück.

"Dann komm!"

Er setzte sich schon in Bewegung.
Schnell machte ich, das ich ihm nachkam.

"Wir ist dein Name, Kleines?", fragte er mich.

Verwirrt von seiner Anrede, fiel mir kein schneller Konter ein und so sprach ich das einzige aus, das mir grad in den Sinn kam.
"Wally."

"Ah. Kein sehr häufiger Name. Jackson", meinte er nur noch beiläufig und ging dann einfach weiter, bis wir um eine Ecke bogen und ich eine Tür entdeckte.
"Komm, ich begleite dich noch bis zum Büro der Direktorin."

Stumm nickend folgte ich ihm eine Treppe hinauf, bis zu einer Tür aus Holz.

"Ich geh dann mal", verabschiedete er sich und verschwand einfach.

Leise klopfte ich vorsichtig an.
Ich darf jetzt bloß einfach keinen Fehler machen! Ansonsten bin ich hier durch!

"Herein", ertönte es von einer festen, weiblichen Stimme.

Langsam trat ich ein.

"Hallo, ich ...ähm..., ich wollte mich anmelden."
"Soso, wie heißt du denn?", wollte eine Frau von schlanker Statur wissen.
"Wally. Wally Weigl."
Sie riss ihre Augen millimeterweit auf.
"Das herzkranke Mädchen.
Ach, setz dich doch, setz dich."
Mit einer Spur von Erleichterung ließ ich mich auf die ausgepolsterten Stühle fallen.
"So, Wally. Hier wirst du wie ein jeder anderer behandelt, etwas anderes werden wir eigentlich nicht erlauben. Sollte es dir schlecht gehen, sage deiner Mitbewohnerin bescheid. Sie wird dir helfen."
Dann schob sie mir mehrere Blätter zu.
"Wenn du das bitte ausfüllen könntest und deinen Plan mitnehmen könntest."
Schnell antwortete ich:"Natürlich!"
Eilig kramte ich einen Stift aus der Tasche meiner Bluse hervor und fing an zu schreiben.
Eine ordentliche Handschrift hatte ich schon immer gehabt, doch eine Ahnung woher hatte ich nicht.
Als alles fertig war und Mrs. Werther einen überprüfenden Blick draufgeworfen hatte, durfte ich auch schon gehen.
"Wally!", rief sie jedoch nochmal.
"Ja?", fragte ich angespannt. Hoffentlich hatte ich jetzt nichts falsches gemacht!
"Deine Zimmergenossin wartet vor der Tür. Ihr seid von der ersten Stunde freigestellt, so hast du genügend Zeit alles zu besichtigen. Herzlich willkommen."
Ein freundliches Lächeln und ein Winken zum Abschied, dann war ich auch schon aus dem Raum geschlüpft und prallte gegen eine muskulöse Brust.
"Kleine, pass auf!", fuhr mich jemand an.
Mein Kopf schoss nach oben, denn dieser jemand war viel größer als ich.
"E.., entschuldige", murmelte ich und versuchte mich vorbeizuquetschen.
"Nanana, wir sind noch lange nicht fertig, glaube mir", brummte er mit einer tiefen Stimme in mein Ohr.
Schnell machte ich, das ich wegkam.
"Wow, gleich am ersten Tag triffst du schon auf unseren Badboy hier!", pfiff jemand bewundernd und ich drehte mich um. Hinter einer Ecke kam ein Mädchen von schlanker Statur und blonden Haaren auf mich zu.
Sie war ungefähr in meinem Alter und machte auf mich einen sympathischen Eindruck.
"Hey, ich bin Cassy!", begrüßte sie mich freudestrahlend und zog mich in eine Umarmung.
Zuerst zuckte ich zusammen, denn das hatte nie jemand gemacht.
Doch nach und nach entspannte ich mich und erwiderte die Geste.
"Komm, ich zeig dir unser Zimmer!", rief sie immer noch fröhlich und zog mich mit sich.
"Da, siehst du die Türe dort, recht ganz in der Mitte? Das ist unsere! Los, komm!"
Cassy war so voller Energie geladen, ich staunte einfach nur wie man so fröhlich sein konnte.
Als ich bei ihr ankam und gerade etwas sagen wollte, sah ich sie.
Dunkle, braun-grüne Augen, die von Einsamkeit und den tiefsten verborgensten Sachen erzählten.
Doch vor allem von einem.
Trauer...

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